JudikaturJustiz4Ob2372/96v

4Ob2372/96v – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jörg K*****, vertreten durch Dr.Herbert Gschöpf, Rechtsanwalt in Velden, wider die beklagte Partei I***** KG, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Pitschmann und Dr.Rainer Santner, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 591.987,28 sA und Feststellung (Streitwert S 50.000; Gesamtrevisionsinteresse S 320.993,64), infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 10.September 1996, GZ 1 R 171/96y-37, womit das Zwischen- und Teilurteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10.März 1996, GZ 9 Cg 257/84t-29, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für keine der beiden Revisionen vor:

1. Zur Revision der Beklagten:

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß auch die Beklagte an dem Unfall Schuld trägt, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Haftung von Liftunternehmen und Pistenhaltern und steht insbesondere auch im Einklang mit den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zur zivilrechtlichen Haftung bei Unfällen mit Pistengeräten (ZVR 1988/7; EvBl 1987/195 = ZVR 1987/127).

In der Entscheidung vom 25.6.1986, 1 Ob 582/86 = ZVR 1988/7 führte der Oberste Gerichtshof aus, daß Skifahrer durch den Einsatz von Pistengeräten nicht mehr behindert oder gefährdet werden dürfen, als dies das Wesen der Pistenpflege zwangsläufig mit sich bringt; der sicherungspflichtige Unternehmer hat die durch den Einsatz solcher Fahrzeuge ausgelösten Gefahren für abfahrende Skiläufer, soweit dies möglich und zumutbar ist, auszuschalten. Demnach sollen solche für Skifahrer gefährlichen Geräte nach Möglichkeit während der Liftbetriebszeit nicht eingesetzt werden. Erweist sich der Einsatz aber während des allgemeinen Skibetriebes - etwa wegen Veränderungen der Schneedecke - als unumgänglich, so sind die Skifahrer vom Liftunternehmer - gerade bei Pisten mit unübersichtlichen oder engen Passagen - durch geeignete Maßnahmen, zB durch die Aufstellung deutlich sichtbarer Warntafeln, vor dem Einsatz des Gerätes zu warnen.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes und der Beklagten kommt dem Umstand, daß der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 10.1.1991, 12 Os 122/90 = JBl 1991, 662 (Bertel) = ZVR 1991/123 (Reindl) eine teilweise abweichende Meinung vertreten und insbesondere ausgeführt hat, daß es für die Beurteilung der Frage, ob ein Pistengerät auf einer für den Skibetrieb geöffneten Piste eine atypische Gefahrenquelle bildet, keinen rechtserheblichen Unterschied mache, welchem Zweck der Einsatz des Gerätes diente, und die Aufstellung eines Warnpostens vor sichtbehindernden, aber räumlich nicht beengenden Geländekuppen nicht verlangt hat, keine Bedeutung zu, weil es dort um die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Pistenfahrers gegangen war, eine uneinheitliche Rechtsprechung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aber nur dann vorläge, wenn die zivilrechtliche Haftung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unterschiedlich beurteilt worden wäre.

Auch bei Bedachtnahme auf die im Schrifttum vertretenen Ansichten, die zum Teil einen geringeren Sorgfaltsmaßstab fordern (Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Skirechts, 66 ff; Pichler, Zusammenprall eines unmündigen Skifahrers mit einem Pistengerät, ÖJZ 1987, 737 f; Dittrich, Unfälle mit Pistengeräten, ZVR 1990, 65 ff; Dittrich/Reindl/Stabentheiner, Bergbeförderung, Pistenbetreuung, Wintersport-Verhaltenspflichten und Handelsmöglichkeiten des Seilbahnunternehmers - 15 Jahre Seilbahnsymposium, ZVR 1996, 194 ff [202 ff], Mahler-Hutter, Zur Gefährdungshaftung von Pistenpräpariermaschinen, ZVR 1989, 97 f [97]) ist keine Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht zu sehen, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müßte. Der hier zu beurteilende Fall bietet auch keinen Anlaß, die grundsätzliche Frage zu entscheiden, ob während des Liftbetriebes jede nicht unbedingt notwendige Fahrt des Pistengerätees zu unterbleiben hat. Selbst wenn man nämlich der Beklagten noch nicht daraus einen Vorwurf machen wollte, daß sie - um Kosten zu ersparen - ihre Pistengeräte schon eine halbe Stunde vor Ende des Liftbetriebes auf der Piste bergauffahren ließ, um sogleich um 16.00 Uhr mit der Präparierung der Piste beginnen zu können, wäre für sie nichts zu gewinnen, weil dann - wie das Berufungsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit den überwiegenden Lehrmeinungen (vgl nur Pichler/Holzer 67; Dittrich aaO 68) dargelegt hat - der Einsatz unter höchstmöglicher Vorsicht zu bewerkstelligen ist. Welche Vorsichtsmaßnahmen in Frage gekommen wären, hat das Berufungsgericht überzeugend ausgeführt. Die Beklagte hat aber keine einzige dieser Maßnahmen ergriffen; ihr Fahrer hat unterhalb der Kuppe, obwohl sein Gerät für einen herabfahrenden Skifahrer nicht sichtbar gewesen war, nicht einmal ein akustisches Warnsignal abgegeben. Auch wenn Pistengeräte typische Erscheinungen auf einer Skipiste sind (vgl nur Dittrich/Reindl/Stabentheiner aaO 202), enthebt das den Betreiber des Pistengerätes nicht der Pflicht, auf die Möglichkeit Bedacht zu nehmen, daß Skifahrer - wie es gleichfalls eine typische Erscheinung auf Skipisten ist (Bertel, JBl 1991, 665) - nicht auf Sicht fahrend zu Tale rasen.

Soweit die Auffassung vertreten wird, daß wegen der Eigenart und dem Zweck der Verwendung von Pistengeräten weder eine zeitliche noch eine örtliche Begrenzung des Betriebs solcher Geräte möglich und erforderlich sei (Ergebnis eines Symposiums "einer Runde namhafter Juristen und Techniker", zu welcher der Fachverband der Seilbahnen eingeladen hatte [Dittrich/Reindl, Pistengeräte im Einsatz, ZVR 1987, 321], zitiert bei Dittrich, ZVR 1990, 68; inhaltsgleich Dittrich/Reindl/Stabentheiner aaO 203), beruht das auf dem Gedanken, daß die Wahl der Präparierungszeit von der Schneebeschaffenheit abhängt und frisch gefallener Schnee noch in diesem Zustand präpariert werden muß; dazu komme, daß die Pistengeräte oft zur Rettung verunglückter Skifahrer eingesetzt werden (Dittrich/Reindl/Stabentheiner aaO). Im gleichen Sinne führen Pichler/Holzer aaO 66 f aus, daß Pistenpflegefahrzeuge für den modernen Massenskilauf einen großen Nutzeffekt haben und der durch ihren Einsatz erzielte Gewinn an Sicherheit für die Skiläufer bei der Abwägung aller Interessen gebührend zu berücksichtigen sei. Ein Verbot der Pistenpräparierung während des Skibetriebes sei abzulehnen, weil Veränderungen der Schneedecke mitunter sogar aus Sicherheitsgründen eine sofortige Präparierung während des Skibetriebes erfordern.

Diese - zweifellos zutreffenden - Überlegungen bieten aber keine Rechtfertigung dafür, daß Pistengeräte während des Skibetriebes - wie im vorliegenden Fall - auf der Piste eingesetzt werden, obwohl weder eine Präparierung noch eine Rettungsfahrt oder sonst ein unbedingt notwendiger Einsatz erforderlich geworden war; das Pistengerät war nur deshalb schon während der Liftbetriebszeit unterwegs, um - aus Kostenersparnisgründen - sogleich bei Ende des Liftbetriebes mit der Arbeit im Umfeld der Bergstation beginnen zu können. (In diesem Sinne auch Wallner, Die strafrechtliche Haftung bei Unfällen mit Pistengeräten, ZVR 1994, 289 ff [290].)

Die Frage aber, ob die in der Entscheidung ZVR 1988/7 ausgesprochene Ansicht, es müsse unter Umständen ein Warnposten aufgestellt werden, trotz der daran geübten Kritik, wonach ein solcher Warnposten in Wahrheit eine zusätzliche Gefahrenquelle wäre (Meinung der "Juristengruppe", zitiert von Dittrich aaO 68; aM Pichler/Holzer aaO

67) und eine solche Maßnahme unzumutbar wäre (Mahler-Hutter aaO 97) aufrechtzuerhalten ist, braucht hier nicht geprüft zu werden, weil das Berufungsgericht eine solche Forderung ohnehin nicht erhoben hat.

Hat sohin das Berufungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ein Mitverschulden der Beklagten bejaht, so braucht auf die in der Revision der Beklagten behandelte Frage, ob eine Haftung der Beklagten in analoger Anwendung der Bestimmungen des EKHG zu bejahen wäre (in diesem Sinne ua Pichler/Holzer aaO 64 ff; König, Pistenpräpariermaschinen und EKHG, ZVR 1987, 353; Dittrich aaO 69 ff; Reindl, Die zivilrechtliche Haftung bei Unfällen mit Pistengeräten, ZVR 1994, 193 ff [194 f]; Mahler/Hutter aaO), nicht eingegangen zu werden.

Ob aber die Verschuldensteilung von 3 : 1 zum Nachteil des Klägers angemessen ist, ist eine bloße Ermessensentscheidung, bei welcher im allgemeinen - von einer krassen Verkennung der Rechtslage abgesehen - eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist (JAB zu ZVN 1983; Fasching LB2 Rz 1890; Kodek in Rechberger, Rz 3 zu § 52).

2. Zur Revision des Klägers:

Der Kläger führt gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß die Beklagte mangels gesetzlicher Vorschrift nicht verpflichtet war, an ihren Pistengeräten die vom Kläger vermißte besondere Warnanlage anzubringen, den für solche Geräte üblichen Standard aber erfüllt habe, lediglich ins Treffen, daß die Beklagte zu einer solchen besonderen Maßnahme doch deshalb verpflichtet gewesen wäre, weil sie ihre Geräte ohne Notwendigkeit noch während des Liftbetriebes auf der Piste bergwärts fahren ließ. Damit zeigt der Kläger aber keine erhebliche Rechtsfrage auf. Daß nämlich die Beklagte bei Fahrten während des Liftbetriebes - erst recht, wenn diese nicht unbedingt notwendig sind -, besondere Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen hat - wozu allenfalls auch eine Warnanlage von größerer Wirksamkeit gehören könnte - hat das Berufungsgericht ohnehin ausgesprochen. Das Mitverschulden der Beklagten liegt ja gerade darin, daß sie keine solche Maßnahmen getroffen hat. Daß sie (auch) keine stärkere Warnanlage verwendet hat, kann das Ausmaß ihres Verschuldens nicht erhöhen.

Soweit sich der Kläger gegen die Verschuldensteilung wendet, ist auch ihm auch zu erwidern, daß dieser Frage keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, so daß sie nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist.

Da somit die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, waren die Revisionen zurückzuweisen (§ 510 Abs 3, letzter Satz, ZPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da keine der Parteien auf die Unzulässigkeit der Revision ihres Gegners hingewiesen hat, dienten die Revisionsbeantwortungen nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und -verteidigung.

Rechtssätze
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