JudikaturJustiz4Ob2/24h

4Ob2/24h – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammer, Prinz-Eugen-Straße 20–22, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch die hba Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 34.900 EUR), infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 1.745 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2023, GZ 3 R 46/23s 27, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. Jänner 2023, GZ 11 Cg 78/22s 15, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, und nach schriftlichem Anerkenntnis durch die beklagte Partei in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die beklagte Partei ist – unter Einschluss des bereits in Rechtskraft erwachsenen Urteilsspruchs – schuldig, die Verwendung der nachstehend genannten Klauseln oder sinngleicher Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen und es weiters zu unterlassen, sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen, soweit diese bereits Inhalt der von der beklagten Partei mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträge geworden sind:

• Klausel 1

„[...] Bei Unterbelegung behält sich der Veranstalter das Recht vor, in eine andere Kategorie umzubuchen bzw Leerbetten nachzuverrechnen.“

• Klausel 2

„Der Reisende hat dem Reiseveranstalter alle personenbezogenen (zB Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit etc) und sachbezogenen Informationen (zB geplante Einfuhr/Mitnahme von Medikamenten, Prothesen, etc), über die er verfügt rechtzeitig, vollständig und wahrheitsgemäß mitzuteilen. Der Reisende hat den Reiseveranstalter über alle in seiner Person oder der von Mitreisenden gelegenen Umstände (zB Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeit, etc) und über seine bzw die besonderen Bedürfnisse seiner Mitreisenden, insbesondere über eine eingeschränkte Mobilität bzw den Gesundheitszustand und sonstige Einschränkungen, welche für die Aus- bzw Durchführung einer Pauschalreise mit den zu vereinbarenden Leistungen von Relevanz sein können, wenn erforderlich unter Beibringung eines vollständigen qualifizierten Nachweises (zB ärztliches Attest), in Kenntnis zu setzen.“

• Klausel 3

„Kommt es erst im Zeitraum zwischen Vertragsabschluss und Antritt der Pauschalreise zu einer Einschränkung der Mobilität des Reisenden oder ergeben sich in diesem Zeitraum sonstige Einschränkungen im Sinne des 3.1. hat der Reisende dem Reiseveranstalter dies unverzüglich mitzuteilen, damit dieser entscheiden kann, ob der Reisende weiterhin ohne Gefährdung der eigenen Person oder der Mitreisenden an der Pauschalreise teilnehmen kann, oder ob er zum Ausschluss des Reisenden und Vertragsrücktritt berechtigt ist. Kommt der Reisende seiner Aufklärungspflicht nicht nach und erklärt der Reiseveranstalter den Vertragsrücktritt, steht dem Reiseveranstalter ein Anspruch auf Entschädigung gemäß den Entschädigungspauschalen zu.“

• Klausel 4

„[...] Etwaige Mängel müssen dem Reiseveranstalter vor Ort am 'Info Point' (Öffnungszeiten lt Programmaushang), oder unter der in den übermittelten Reiseunterlagen mitgeteilten Notfallnummer gemeldet werden. Im Falle des Unterlassens der Meldung einer Vertragswidrigkeit hat dies, wenn Abhilfe vor Ort möglich und eine Meldung auch zumutbar gewesen wäre, Auswirkungen auf allfällige gewährleistungsrechtliche Ansprüche des Reisenden. Das Unterlassen der Meldung kann gemäß § 12 Abs 2 PRG hinsichtlich schadenersatzrechtlicher Ansprüche auch als Mitverschulden (§ 1304 ABGB) angerechnet werden. [...]“

• Klausel 5

„[...] Im Fall der nicht fristgerechten oder nicht vollständigen Anzahlung oder Restzahlung behält sich der Reiseveranstalter nach Mahnung mit Nachfristsetzung vor, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären und Schadenersatz entsprechend den Entschädigungspauschalen unter Berücksichtigung des spez. Reisezieles und des Reisecharakters sowie des Teilnehmerkreises zu verlangen. Unabhängig davon kann, da es sich bei einer Maturareise aufgrund des Teilnehmerkreises nicht um eine klassische Pauschalreise handelt, ein über die Höhe der Entschädigungspauschale allenfalls hinausgehender Schaden vom Reiseveranstalter angesprochen werden.“

• Klausel 6

„[...] Einen allenfalls dadurch entstehenden Mehraufwand, wenn dieser Mehraufwand auf falschen oder unrichtigen Angaben des Reisenden beruht, hat der Reisende zu tragen, wobei die Gebühr mindestens 35 EUR beträgt.“

• Klausel 7

„Kommt der Reisende seinen Zahlungsverpflichtungen gemäß 5.3., 5.5. oder 5.6. nicht nach, behält sich der Reiseveranstalter nach Mahnung mit Nachfristsetzung vor, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären und Schadenersatz entsprechend den Entschädigungspauschalen zu verlangen.“

• Klausel 8

„Der Reisende hat gemäß § 7 PRG das Recht, den Pauschalreisevertrag auf eine andere Person, die alle Vertragsbedingungen erfüllt und auch für die Pauschalreise geeignet ist (Kriterien können zB das Geschlecht, der Gesundheitszustand, gültige Einreisedokumente, Maturant etc) zu übertragen. Erfüllt die andere Person nicht alle Vertragsbedingungen oder ist sie nicht für die Pauschalreise geeignet, kann der Reiseveranstalter der Übertragung des Vertrages widersprechen. [...]“

• Klausel 9

„[...] Der Reiseveranstalter ist spätestens 5 Wochen vor Reisebeginn auf einem dauerhaften Datenträger (zB Papier, Email) über die Übertragung des Vertrages in Kenntnis zu setzen. [...]“

• Klausel 10

„[...] Für die Übertragung des Pauschalreisevertrages ist eine Mindestmanipulationsgebühr (= Namensänderungsgebühr) von 35 EUR zu entrichten, sofern nicht darüber hinaus Mehrkosten entstehen.“

• Klausel 11

„Änderungen von Aktivitäten und Leistungen sind je nach Sponsorenkooperationen und Vereinbarungen mit den Leistungsänderungen möglich und vorbehalten. S* behält sich das Recht vor geplante Aktivitäten und Leistungen zu verschieben, verlegen falls keine zeitlichen und räumlichen bzw andere adäquate Alternativen vorhanden sind bzw eine sichere Umsetzung dieser Aktivitäten/Leistungen durch Witterungseinflüsse nicht mehr gewährleistet bzw dem Reisenden nicht mehr zumutbar sind (zB zu hoher Wellengang bei Bootsfahrt, zu starker Regen, etc). [...] “

• Klausel 12

„[...] Der Reisende hat dem Reiseveranstalter eine angemessene Frist für die Behebung der Vertragswidrigkeit zu setzen, wobei die Angemessenheit der Frist jeweils im Einzelfall, ausgehend von Art/Zweck/Dauer der Pauschalreise, der angezeigten Vertragswidrigkeit, dem Zeitpunkt der Meldung (zB spätabends etc.), sowie den erforderlichen Zeitressourcen die für Ersatzbeschaffung zB eines Objektes (Umzug etc) notwendig sind, zu beurteilen ist. Eine Fristsetzung hat gegenüber dem Vertreter des Reiseveranstalters vor Ort beim ,Info Point‘, oder unter der im Pauschalreisevertrag bzw in den Reiseunterlagen mitgeteilten Notfallnummer zu erfolgen.“

• Klausel 13

„Kann ein erheblicher Teil der vereinbarten Reiseleistungen nicht vertragsgemäß erbracht werden, so bietet der Reiseveranstalter dem Reisenden ohne Mehrkosten, sofern dies aufgrund der Umstände und Verhältnisse (vor Ort) möglich ist (Unmöglichkeit zB wenn nur ein Hotel in der gebuchten Kategorie vorhanden ist), angemessene andere Vorkehrungen (Ersatzleistung) zur Fortsetzung der Pauschalreise an, die, sofern möglich, den vertraglich vereinbarten Leistungen qualitativ gleichwertig oder höherwertig sind. […]“

• Klausel 14

„Pro Person ergeben sich folgende Entschädigungspauschalen:

bis 30. Tag vor Reiseantritt 30%

ab 29. bis 20. Tag vor Reiseantritt 40%

ab 19. bis 10. Tag vor Reiseantritt 50%

ab 9. bis 4. Tag vor Reiseantritt 65%

ab dem 3. Tag (72 Stunden) vor Reiseantritt

85% des Gesamtreisepreises. [...]“

• Klausel 15

„[...] Ist weiters klargestellt, dass der Reisende die verbleibenden Reiseleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen kann oder will, hat er folgende Entschädigungspauschale zu entrichten: 85% des Gesamtreisepreises. [...] “

• Klausel 16

„[...] Bei Absage der Reise durch den Reiseveranstalter aufgrund unvorhergesehener Ereignisse (zB Absage aufgrund höherer Gewalt wie Naturkatastrophen, Terrorismus oä) oder einer Undurchführbarkeit aufgrund einer Pandemie, werden 25 EUR Bearbeitungsgebühr pro Person fällig.“

• Klausel 17

„[...] Änderungen von Aktivitäten und Leistungen (vgl 9.2.) sind je nach Sponsorenkooperationen und Vereinbarungen mit den Leistungsträgern möglich und vorbehalten.“

• Klausel 18

„Für Sach- und Vermögensschäden des Reisenden die auf unvorhersehbare und/oder unvermeidbare Umstände mit denen der Reiseveranstalter nicht rechnen musste, zurückzuführen sind, sowie für entschuldbare Fehlleistungen bis hin zur Fahrlässigkeit wird die Haftung ausgehend von Art 13 der Richtlinie (EU) 2015/2302 (Pauschalreiserichtlinie) in Entsprechung des § 6 Abs 1 Z 9 KSchG auf das Dreifache des Reisepreises beschränkt.“

• Klausel 19

„Der Reisende hat Gesetzen und Vorschriften, Anweisungen und Anordnungen des Personals vor Ort, sowie Geboten und Verboten (zB Badeverbot, Tauchverbot etc) Folge zu leisten. Bei Nichtbefolgen durch den Reisenden haftet der Reiseveranstalter nicht für allenfalls daraus entstehende Personen- und Sachschäden des Reisenden.“

• Klausel 20

„Gewährleistungsansprüche können innerhalb von 2 Jahren geltend gemacht werden. Schadenersatzansprüche verjähren nach 3 Jahren.“

2. Die Leistungsfrist für die Verwendung der Klauseln 13, 14 und 19 wird mit drei Monaten festgesetzt, während die beklagte Partei die Verwendung aller anderen ihr untersagten Klauseln und ein sich Berufen auf diese oder sinngleiche Klauseln sofort zu unterlassen hat.

3. Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen 6 Monaten ab Rechtskraft des Urteils einmal im redaktionellen Teil der bundesweit erscheinenden Samstagsausgabe der „Kronen Zeitung“ auf Kosten der beklagten Partei mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien sowie dem Zusatz, dass es sich bei der beklagten Partei um die Veranstalterin der „S*“ Reisen handelt und in Fettdruckumrandung in Normallettern zu veröffentlichen.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs mit Ausnahme des Ausspruchs über die Kosten binnen drei Monaten ab Rechtskraft des über diese Klage ergehenden Urteils für die Dauer von 30 Tagen auf der von der beklagten Partei betriebenen Website https://www.s*.at/, oder, sollte sich die Internetadresse ändern, auf der von ihr betriebenen Website für Pauschalreisen unter der sodann hierfür gültigen Internetadresse, derart zu veröffentlichen bzw die Veröffentlichung durch den Betreiber der Website https://www.s*.at/ zu veranlassen, dass die Veröffentlichung unübersehbar auf der Startseite anzukündigen und mit einem Link direkt aufrufbar sein muss, wobei sie in Fettumrandung und mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien, ansonsten hinsichtlich Schriftgröße, Schriftfarbe, Farbe des Hintergrundes und Zeilenabständen so vorzunehmen ist wie auf der Website https://www.s*.at/ im Textteil üblich.

5. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die im Sinne des § 29 KSchG klagebefugte Kammer begehrte mit ihrer Klage, die Beklagte, eine in Österreich ansässige Reiseveranstalterin, für schuldig zu erkennen es zu unterlassen, die zwanzig im Spruch genannten sowie sinngleiche Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu verwenden und sich darauf zu berufen, sowie die Ermächtigung und Verpflichtung zur Urteilsveröffentlichung (die sie nachfolgend modifizierte).

[2] Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren – unter amtswegiger Setzung einer generellen Leistungsfrist von drei Monaten – bis auf die Klauseln 14 und 15 sowie den Veröffentlichungsbegehren laut Klage statt und behielt die Kostenentscheidung „bis zur rechtskräftigen Entscheidung über sämtliche Unterlassungsansprüche“ gemäß § 52 ZPO vor.

[3] Das von beiden Streitteilen angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht und jener der Klägerin teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es auch den Begehren bezogen auf die Klausel 14 stattgab, die Leistungsfrist teils wieder verkürzte und die Veröffentlichung im Sinne des modifizierten Begehrens anordnete. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

[4] Gegen diese Entscheidung erhob ausschließlich die Klägerin eine Revision , mit der sie die Klagsabweisung hinsichtlich der Klausel 15 bekämpft (nicht jedoch die Leistungsfrist).

Rechtliche Beurteilung

[5] Innerhalb der Frist für die Revisionsbeantwortung erklärte die Beklagte ausdrücklich mittels Schriftsatz, das Unterlassungsbegehren betreffend die noch strittige Klausel 15 anzuerkennen, woraufhin die Klägerin die Fällung eines Anerkenntnisurteils unter Zuspruch der Kosten aller drei Instanzen beantragte.

[6] 1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist auch in dritter Instanz ein (eindeutiges, unbedingtes, somit vorbehaltloses) Anerkenntnis des Klageanspruchs durch die beklagte Partei und die Fällung eines Anerkenntnisurteils nach § 395 ZPO über Antrag der klagenden Partei zulässig (RS0119634; 8 Ob 107/19x; 4 Ob 33/22i), sodass über die Klausel 15 als einzige noch strittige Frage nicht mehr inhaltlich zu entscheiden ist.

[7] 2. Zwar ist ein Kostenvorbehalt in Anerkenntnisurteilen gemäß § 52 Abs 2 ZPO grundsätzlich unzulässig. Hier hat aber bereits das Erstgericht die Kostenentscheidung vorbehalten, weswegen gemäß § 52 Abs 3 ZPO auch im weiteren Rechtsgang keine solche zu treffen ist. Über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren entscheidet demnach das Gericht erster Instanz nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache.