JudikaturJustiz4Ob112/99w

4Ob112/99w – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Juni 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner Held, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. C*****, AG, 2. Alfons H*****, beide vertreten durch Eisenberger - Herzog - Nierhaus - Forcher Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 350.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 3. März 1999, GZ 6 R 39/99y-12, mit dem die einstweilige Verfügung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. Jänner 1999, GZ 10 Cg 119/98f-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Der Antrag der Klägerin, den Beklagten ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, gegenüber Dachdeckermeistern Behauptungen des Inhalts, die Klägerin dürfe Treueboni, zu deren Zahlung die Klägerin gegenüber ihren Kunden verpflichtet ist, nicht auszahlen, oder gleichsinnige Behauptungen zu verbreiten, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 11.743,38 S bestimmten Kosten der Äußerung (darin 1.957,23 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Klägerin hat die Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 32.303,70 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 5.383,95 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin erzeugt in G***** (ua) Tondachziegel. Auch die in Deutschland ansässige Erstbeklagte stellt Tondachziegel her; sie hat unter den ausländischen Anbietern in Österreich den größten Marktanteil. Der Zweitbeklagte ist als Vorstandsmitglied der Erstbeklagten für deren Marketing zuständig.

Im Frühjahr 1998 bot die Klägerin österreichischen Dachdeckermeistern einen Treuebonus von 3 % ihres Tondach-G*****-Jahresnettoumsatzes unter der Bedingung an, daß sie ausschließlich Tondachziegel der Klägerin verkaufen. Wegen dieser Werbeaktion klagte die Erstbeklagte die Klägerin zu 10 Cg 69/98b des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung. Sie erwirkte am 11. 8. 1998 eine einstweilige Verfügung, mit der der Klägerin aufgetragen wurde, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage zu 10 Cg 69/98b des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz ergehenden Urteils zu unterlassen, Bonuszahlungen oder sonstige Nachlässe an Dachdeckermeister beim Vertrieb von Tondach-G*****-Produkten als Gegenleistung dafür, daß ausschließlich Tondach-G*****-Produkte und keine Produkte anderer Hersteller verwendet und/oder verkauft werden, anzukündigen und/oder zu gewähren. Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung; das Revisionsrekursverfahren ist derzeit beim Obersten Gerichtshof anhängig.

Am 25. 11. 1998 schrieben die Beklagten ihren "Geschäftspartnern in Österreich" wie folgt:

"Einstweilige Verfügung gegen die Ziegelwerke G*****

Sehr geehrte Geschäftsfreunde,

wie Ihnen vielleicht bekannt ist, hat die Ziegelwerke G***** GmbH einigen Dachdeckermeistern, die ausschließlich Tondachprodukte der Ziegelwerke G***** verkaufen, am Schluß des Jahres einen 3 %-igen Treuebonus angeboten. Da vordringendes Ziel dieser gesetzwidrigen Vorgangsweise zweifellos auch die Verdrängung unserer Firma vom österreichischen Markt ist, haben wir gegen die Ziegelwerke G***** eine Wettbewerbsklage eingebracht. Das Landesgericht Graz als zuständiges Gericht erster Instanz hat nunmehr den Ziegelwerken G***** bei Strafe verboten, den Treuebonus anzukündigen und/oder zu gewähren. Die Ziegelwerke G***** haben zwar gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel erhoben, wir zweifeln jedoch nicht daran, daß das zuständige Rechtsmittelgericht die Entscheidung des Landesgerichts Graz bestätigt. Derzeit jedenfalls ist die Entscheidung bindend, der Treuebonus darf weder angekündigt noch ausbezahlt werden.

..."

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, gegenüber Dachdeckermeistern Behauptungen des Inhalts, die Klägerin dürfe Treueboni, zu deren Zahlung die Klägerin gegenüber ihren Kunden verpflichtet ist, nicht auszahlen, oder gleichsinnige Behauptungen zu verbreiten. Die Beklagten hätten ihr Ansinnen, die Klägerin werde den Dachdeckermeistern wirksam zugesicherte Treueboni nicht auszahlen, in einem Schreiben der Beklagtenvertreter an die Klagevertreter bekräftigt. Ihre Behauptung sei tatsachenwidrig, weil die einstweilige Verfügung in zivilrechtlich wirksame Verpflichtungen der Klägerin nicht eingreifen könne. Die Beklagten hätten damit gegen §§ 1, 7 UWG verstoßen.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie hätten wahrheitsgetreu über das anhängige Verfahren berichtet. Aus der Tatsachenmitteilung, daß der Klägerin mit einstweiliger Verfügung ein bestimmtes Verhalten verboten worden sei, hätten sie den rechtlichen Schluß gezogen, daß der Treuebonus weder angekündigt noch ausbezahlt werden dürfe. § 7 UWG erfasse Tatsachenmitteilungen, nicht jedoch allenfalls unrichtige rechtliche Schlußfolgerungen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die beanstandete Behauptung sei eine Tatsachenmitteilung, die unrichtig sei, weil bereits wirksam zugesicherte Treueboni von der einstweiligen Verfügung nicht erfaßt würden. Die einstweilige Verfügung könne nur für die Zukunft sichern, daß die Klägerin keine Rabatte mehr anbiete oder gewähre.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die beanstandete Mitteilung sei in dem für die Beklagten ungünstigsten Sinn auszulegen. Danach könne die Mitteilung dahin verstanden werden, daß der Klägerin auch das Auszahlen von Treueboni untersagt sei, die sie bereits rechtswirksam zugesagt habe. Die einstweilige Verfügung schaffe jedoch nur Rechtsbeziehungen zwischen den Prozeßparteien und nicht auch im Verhältnis mit dem Unternehmer und dessen Kunden. Die Beklagten hätten die Klägerin beim angesprochenen Publikum vertrauensunwürdig machen wollen, um dadurch den eigenen Wettbewerb zu fördern.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagten haben im Schreiben vom 25. 11. 1998 einerseits den Inhalt der einstweiligen Verfügung mitgeteilt und andererseits erklärt, daß die Entscheidung derzeit jedenfalls bindend sei und der Treuebonus weder angekündigt noch ausgezahlt werden dürfe. Der Sicherungsantrag erfaßt die zuletzt wiedergegebene Erklärung, die nach Auffassung der Beklagten keine Tatsachenmitteilung, sondern ein bloßes Werturteil sein soll.

Werturteile geben eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wieder und können daher objektiv nicht überprüft werden (SZ 63/2 = MR 1990, 68 = ÖBl 1990, 205 - Schweinerei uva). Tatsachen im Sinne des § 7 Abs 1 UWG sind hingegen - unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften eines greifbaren, für das Publikum erkennbaren oder von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalts (MR 1989, 219 [Korn] = ÖBl 1990, 18 - Mafiaprint uva).

Im vorliegenden Fall ist sowohl die Mitteilung des Inhalts der einstweiligen Verfügung als auch die daran anschließende Schlußfolgerung objektiv überprüfbar. Auch die Erklärung, die Klägerin dürfe den Treuebonus weder ankündigen noch auszahlen, ist demnach eine Tatsachenmitteilung, die der Empfänger anhand des gleichzeitig mitgeteilten Inhalts der einstweiligen Verfügung auf ihre objektive Richtigkeit überprüfen kann. Die Überprüfung ergibt, daß auch diese Mitteilung richtig ist:

Der Klägerin wurde mit einstweiliger Verfügung untersagt, Bonuszahlungen oder sonstige Nachlässe an Dachdeckermeister beim Vertrieb von Tondach-G*****-Produkten als Gegenleistung dafür, daß ausschließlich Tondach-G*****-Produkte und keine Produkte anderer Hersteller verwendet und/oder verkauft werden, anzukündigen und/oder zu gewähren. Das Unterlassungsgebot soll verhindern, daß die Klägerin ihre als wettbewerbswidrig beurteilte Werbeaktion weiterführt. Weitergeführt wird eine derartige Werbeaktion aber nicht nur dadurch, daß sie weiterhin angekündigt und ein Treuebonus zugesagt wird, sondern auch dadurch, daß die zugesagten Leistungen erbracht (= gewährt) werden. Der Treuebonus wird gewährt, indem er ausgezahlt wird; "Gewähren" ist auch hier, ebenso wie im Zugabenrecht (ecolex 1998, 717 = MR 1998, 163 = ÖBl 1998, 300 = WBl 1998, 371 - Schneefall am Heiligen Abend mwN), das tatsächliche Zuwenden.

Das Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung hindert die Klägerin demnach nicht nur, in Zukunft einen Treuebonus zuzusagen, sondern bewirkt auch, daß sie bereits gegebene Zusagen nicht mehr erfüllen kann, ohne gleichzeitig gegen die einstweilige Verfügung zu verstoßen und sich damit der Gefahr auszusetzen, daß die Erstbeklagte gegen sie Exekution führt. Andernfalls wäre die einstweilige Verfügung auch weitgehend wirkungslos. Der Klägerin blieben die durch das als wettbewerbswidrig beurteilte Verhalten erzielten Wettbewerbsvorteile erhalten. Sie dürfte, folgt man der von ihr vertretenen Auffassung, Bonuszusagen trotz der gegen sie ergangenen einstweiligen Verfügung erfüllen. Dadurch wären die einzelnen Dachdeckermeister veranlaßt, Tondachprodukte auch weiterhin ausschließlich von der Klägerin zu beziehen, um am Ende des Jahres den Treuebonus zu erhalten. Das widerspräche dem Grundsatz, daß dem wettbewerbswidrig Werbenden keine Früchte seines unlauteren Verhaltens bleiben dürfen (ÖBl 1990, 151 - Die ganze Woche-Sparbuch; ecolex 1998, 717 = MR 1998, 163 = ÖBl 1998, 300 = WBl 1998, 371 - Schneefall am Heiligen Abend).

Die Klägerin begründet ihre Auffassung damit, daß der Treuebonus bereits mit der Annahme ihres Angebots gewährt worden sei und die Dachdeckermeister damit einen zivilrechtlichen Anspruch auf Auszahlung der Nachlässe erworben hätten. Dieser Anspruch habe durch die einstweilige Verfügung schon deshalb nicht beseitigt werden können, weil die Dachdeckermeister am Provisorialverfahren nicht beteiligt waren. Die Klägerin meint, daß die Vernichtung des Anspruchs auf Auszahlung der Boni durch die einstweilige Verfügung mit Art 6 EMRK unvereinbar wäre.

Der Klägerin ist zuzustimmen, daß einstweilige Verfügungen nicht in die Rechtssphäre Dritter eingreifen dürfen. Unmittelbare Zugriffe sind grundsätzlich auf diejenigen Dritten beschränkt, die ihre Rechte vom Gegner der gefährdeten Partei ableiten (SZ 67/226; ecolex 1998, 397 = ÖBA 1998, 563 = RdW 1998, 264 mwN); insoweit sind Eingriffe auch in Rechte Dritter, also zulässig.

Adressat der einstweiligen Verfügung ist im vorliegenden Fall aber allein die Klägerin; das Unterlassungsgebot greift unmittelbar nur in ihre Rechtssphäre und nicht auch in die Dritter ein. Die Dachdeckermeister leiten ihre Rechte von der Klägerin ab.

Damit ist der Argumentation der Klägerin von vornherein die Grundlage entzogen. Ihr ist nur insoweit zuzustimmen, als sie darauf hinweist, daß die einstweilige Verfügung das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien regelt. Sie übersieht aber, daß ein im Verhältnis zwischen den Parteien ausgesprochenes Unterlassungsgebot unabhängig davon wirksam ist, ob der Adressat des Gebots Verpflichtungen gegenüber Dritten eingegangen ist. Die Klägerin verstößt daher auch dann gegen das Unterlassungsgebot, wenn sie den Treuebonus auszahlt.

Nichts anderes hat die Erstbeklagte den Dachdeckermeistern im beanstandeten Schreiben mitgeteilt. Sie hat auch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die einstweilige Verfügung noch nicht rechtskräftig ist. Der behauptete Verstoß gegen § 7 UWG liegt daher nicht vor; inwiefern die Erstbeklagte mit der wahrheitsgetreuen Mitteilung einer von ihr erwirkten einstweiligen Verfügung sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt haben soll, ist nicht ersichtlich.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.