JudikaturJustiz4Nd507/96

4Nd507/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr. Volkmar Schicker und Dr. Alfred Roschek, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Z*****, vertreten durch Dr. Helmut Cronenberg und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen S 10 Mio., über den Ordinationsantrag der Klägerin folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz wird als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt S 10 Mio. an Schadenersatz. Zwischen den Streitteilen habe ein Abfüllervertrag für den jugoslawischen Markt bestanden. Gegenstand des Vertrages sei das von der deutschen Muttergesellschaft der Klägerin entwickelte Getränk "D*****"gewesen. Die Beklagte habe das Getränk "D*****" entgegen den im Vertrag übernommenen Verpflichtungen durch ein unter der Marke "S*****" vertriebenes Getränk ersetzt, so daß die Marke der Klägerin auf dem jugoslawischen Markt nicht mehr präsent und die Klägerin dadurch geschädigt sei. Das angerufene Gericht sei zuständig, weil die Streitteile einen österreichischen Erfüllungsort vereinbart hätten und die Beklagte Vermögen in Österreich habe.

Die Beklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit und der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit.

Mit Beschluß vom 24.10.1995, 40 Cg 2/93p-92, wies das Erstgericht die Klage zurück. Der Rekurs der Klägerin blieb erfolglos; ihr außerordentlicher Revisionsrekurs wurde mit Beschluß vom 25.6.1996, 4 Ob 2127/96i, zurückgewiesen.

Die Klägerin beantragt, gemäß § 28 JN eines der sachlich zuständigen Gerichte als zuständiges Gericht zu bestimmen. Es sei amtsbekannt, daß die Rechtsverfolgung im Ausland unmöglich sei, weil jugoslawische und slowenische Titel in Österreich nicht vollstreckt würden. Die Rechtsverfolgung sei auch unzumutbar. Der Oberste Gerichtshof habe im ersten Rechtsgang festgestellt, daß eine ausreichende Inlandsbeziehung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist oder die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die Bestimmung eines Gerichtes als örtlich zuständig setzt inländische Gerichtsbarkeit voraus (ua ÖBA 1989, 1134 mwN = WBl 1989, 318 = RdW 1989, 300 = ZfRV 1991, 290; Mayr in Rechberger, ZPO § 28 Rz 1). Die inländische Gerichtsbarkeit besteht für alle Zivilrechtssachen, die durch positiv-gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland, zB einen inländischen Gerichtsstand, vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind. Besteht eine ausreichende inländische Nahebeziehung, fehlt es aber an einem inländischen Gerichtsstand, so hat § 28 JN - sofern dessen Voraussetzungen gegeben sind - Abhilfe zu schaffen (stRsp ua SZ 60/277 = JBl 1990, 396 [Pfersmann]; Mayr aaO § 28 JN Rz 4 mwN).

Im vorliegenden Fall einer vermögensrechtlichen Streitigkeit besteht keine völkerrechtliche Verpflichtung, die Österreich zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtete. Die Ordination eines Gerichtes ist daher nur zulässig, wenn die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Unzumutbarkeit wird insbesondere dann angenommen, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, wenn eine dringend notwendige Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, wenn eine Prozeßführung im Ausland eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder wenn die Prozeßführung im Ausland zu kostspielig wäre (Mayr aaO § 28 JN Rz 6 mwN; Fasching, LB**2 Rz 78).

In der im ersten Rechtsgang des Zuständigkeitsstreites ergangenen

Entscheidung 4 Ob 550/92 (= RdW 1993, 111 = ecolex 1993, 322 = WBl

1993, 194 = ZfRV 1993, 210) hat der erkennende Senat ausgesprochen,

daß das Vorliegen eines gesetzlichen Gerichtsstandes im Inland bereits eine gewisse Inlandsbeziehung markiert, deren Ausreichen für die Rechtfertigung der inländischen Jurisdiktion primär zu prüfen ist, im Fall der Verneinung aber durch eine weitere Inlandsbeziehung ergänzungsbedürftig ist. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 88 Abs 1 JN liege nicht vor; der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN sei gegeben, wenn der Wert der beiden Geschäftsanteile der Beklagten am 30.11.1988 insgesamt annähernd 2 Mio. Schilling erreicht habe.

Der Wert der beiden Geschäftsanteile wurde im fortgesetzten Verfahren mit rund S 1,2 Mio. festgestellt; sonstige Vermögenswerte der Beklagten in Österreich wurden nicht festgestellt. Damit war das inländische Vermögen der Beklagten unverhältnismäßig geringer als der Streitwert und der Gerichtsstand nach § 99 JN daher zu verneinen.

Aus der Verneinung des Vermögensgerichtsstandes folgt nicht zwangsläufig die Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit; das in einem inländischen Gerichtsstand liegende Indiz für das Vorliegen inländischer Gerichtsbarkeit kann durch eine andere Inlandsbeziehung ersetzt werden.

Daß die Klägerin ihren Sitz in Österreich hat, hätte nur zusammen mit dem Gerichtsstand des Vermögens eine ausreichende Inlandsbeziehung geschaffen. Der Gerichtsstand des Vermögens liegt nicht vor, weil die Geschäftsanteile der Beklagten zum Stichtag nicht rund 2 Mio.

Schilling, sondern nur rund 1,2 Mio. Schilling wert waren. Für die

Intensität der Inlandsbeziehung ist aber nicht nur der Wert des

inländischen Vermögens, sondern auch seine Art von Bedeutung. Das

Vermögen kann von einer solchen Art und einem solchen Umfang sein,

daß es eine im Inland ausgeübte Verwaltung erfordert; die

Vermögensverwaltung kann als teilweise "Ansässigkeit" des Beklagten

in vermögensrechtlichen Belangen betrachtet werden (s SZ 65/141 = JBl

1993, 666 [Pfersmann] = EvBl 1993/93).

Die Beklagte war 1988 an der Globetrade Produktions- und HandelsgesellschaftmbH mit dem Sitz in Wien mit 9,69 % des Stammkapitals von 9,7 Mio. Schilling beteiligt; sie war gleichzeitig Alleingesellschafterin der Sicheldorfer-Radenska Vertriebs-, Handels- und ProduktionsgesellschaftmbH mit dem Sitz in Sicheldorf mit einem Stammkapital von 2,6 Mio. Schilling. Geschäftsanteile an einer inländischen GesellschaftmbH machen eine Verwaltungstätigkeit im Inland notwendig; das gilt im besonderen Maß für den Alleingesellschafter eines Unternehmens. Die Beklagte muß daher als teilweise in Österreich "ansässig" betrachtet werden. Dies und die Tatsache, daß ihr inländisches Vermögen einen Umfang erreicht, der angesichts des Streitwertes von 10 Mio. Schilling zwar nicht ausreicht, um den Gerichtsstand nach § 99 JN zu begründen, aber mit rund 1,2 Mio. Schilling auch nicht unbedeutend ist, reichen zusammen mit der Inländereigenschaft der Klägerin aus, um die für die inländische Gerichtsbarkeit notwendige Nahebeziehung zum Inland zu schaffen.

Entscheidungen slowenischer ("jugoslawischer") Gerichte, die nicht für Prozeßkosten (BGBl 1955/224) oder in Unterhaltssachen (BGBl 1962/310) ergangen sind, werden in Österreich ebensowenig vollstreckt wie Entscheidungen österreichischer Gerichte in Slowenien. Die mangelnde Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen kann ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme inländischer Gerichte bilden, wenn die Entscheidungen des an sich berufenen Staates in Österreich vollstreckt werden müßten (Fasching aaO). Die Klägerin kann auf das inländische Vermögen der Beklagten nur Exekution führen, wenn sie einen inländischen Titel erlangt. Das für die Bestimmung eines Gerichtes als örtlich zuständig notwendige besondere Rechtsschutzbedürfnis ist daher zu bejahen.

Damit sind alle Voraussetzungen gegeben, die nach § 28 JN für die Ordination eines Gerichtes gegeben sein müssen. Dem Ordinationsantrag der Klägerin war Folge zu geben und das sachlich zuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.

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