JudikaturJustiz3Ob812/54

3Ob812/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Januar 1955

Kopf

SZ 28/8

Spruch

Beim Specieskauf ist Zurückweisung der Ware notwendigerweise gänzlicher oder teilweiser Rücktritt.

Teilweiser Rücktritt bei nur teilweiser Vertragswidrigkeit der Ware zulässig.

Bei unbegrundetem teilweisem Rücktritt des Käufers kann der Verkäufer diesen mit Auflösung des ganzen Vertrages beantworten.

Entscheidung vom 12. Jänner 1955, 3 Ob 812/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Ottenschlag; II. Instanz: Kreisgericht Krems.

Text

Die Streitparteien sind Kaufleute im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 1 HGB.

Die Klägerin hat am 1. November 1953 vom Beklagten alle am Jauerling anfallenden Weihnachtsbäume (Fichten) bis zu einer Gesamtmenge von 5000 Stück gekauft und gleichzeitig eine Anzahlung auf den Kaufpreis in Höhe von 5000 S geleistet.

Nach den im Berufungsverfahren unbestritten gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes ist die Klägerin am 15. November 1953 mit einem Schweizer Interessenten zur Übernahme erschienen. Sie öffnete einige zum Abtransport bereitgestellte Bundel, entnahm einige Proben und telefonierte dem Beklagten, daß die Ware teilweise genehmigt sei und teilweise wegen mangelnder Probemäßigkeit nicht übernommen werde. Sie schrieb ihm dies außerdem noch mittels eingeschriebenen Briefes vom 16. November 1953; sie habe die Weihnachtsbäume besichtigt und festgestellt, daß ein Teil von diesen den Abmachungen nicht entspreche und nicht als Weihnachtsbäume anzusprechen sei. Sie komme dieser Tage hinauf, um die brauchbaren Bäume zu übernehmen. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat der Beklagte anläßlich des erwähnten Telefongespräches der Klägerin erklärt, er lasse sich vom Preis nichts herunterreißen und gebe daher die Anzahlung zurück, was das Erstgericht dahin deutet, er trete vom Vertrag zurück. Die Klägerin telefonierte wiederholt, um mit dem Beklagten wegen der beanständeten Ware zu verhandeln, doch ohne Erfolg. Am 22. November 1953 verkaufte der Beklagte die Bäume an Dr. Karl P. (insgesamt 1365 Stück, davon 50% über 1 m a 3 S 75 g, 50% über 1.50 m a 6 S, in den Bundeln auch vereinzelte Bäume bis zu 70 cm Länge, gerechnet ohne Stumpf und Wipfel, gut durchschnittlicher Qualität, das heißt nur mit vereinzelten Bäumen durchsetzt, welche dürre Stellen hatten und asymmetrisch waren). Er telegraphierte am 23. November 1953 neuerlich den Rücktritt vom Vertrag und erstattete unter einem auch die Anzahlung zurück.

Auf Grund der Aussage des Zeugen P. stellte das Erstgericht fest, daß alle Bäume von durchschnittlicher Qualität waren und daß daher die Mängelrüge der Klägerin unbegrundet war.

Nichtsdestoweniger gab der Erstrichter der Klage statt, weil die vom Beklagten zum Abtransport bereitgestellten Christbäume der Klägerin übergeben worden seien, weshalb gemäß Art. 8 Nr. 21 der 4. EVzHGB. ein Rücktrittsrecht des Beklagten nach § 918 ABGB. nicht mehr bestehe. Es stellte in tatsächlicher Beziehung fest, daß das Ende der Lieferfrist der 30. November 1953 war, so daß von einem Annahmeverzug der Klägerin nicht gesprochen werden könne und daher schon aus diesem Gründe der "Selbsthilfeverkauf" nach § 373 HGB. ungerechtfertigt war. Im übrigen hätte auch ein berechtigter Selbsthilfeverkauf nur für Rechnung der Klägerin erfolgen können (§ 373 Abs. 3 HGB.). Der Beklagte habe daher grob schuldhaft gehandelt und sei der Klägerin schadenersatzpflichtig.

Infolge Berufung der beklagten Partei hob das Berufungsgericht das erstrichterliche Urteil auf und wies die Sache zu neuerlicher Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht mit dem Auftrag zurück, das Verfahren erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen.

Das Berufungsgericht lehnte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Christbäume der Klägerin vom Beklagten übergeben worden seien, ab. Die Tatsache, daß die Klägerin auf Grund der Aufforderung des Beklagten am Lagerungsort der Bäume erschien und einige Proben entnahm, sei nicht als Übergabe zu werten. Die Übergabe setze eine einverständliche Willenserklärung in Verbindung mit der Übertragung der Gewahrsame an den Übernehmer voraus. Im vorliegenden Fall mangle sowohl die Willensübereinstimmung, weil der Beklagte nicht anwesend war und seine Aufforderung an die Klägerin, zur Übergabe zu erscheinen, die Willenserklärung bei der Übergabe nicht ersetzen könne, überdies sei auch die Gewahrsame an den gelagerten Bäumen zweifellos nicht an die Klägerin übergegangen. Die Klägerin habe die Gewahrsame nur an den Bäumen erlangt, die sie an sich genommen habe. Aus dem Prozeßvorbringen und den Erklärungen der Klägerin, insbesondere auch aus den Feststellungen des Erstgerichtes, wonach die Klägerin in der Folge wiederholt telefonisch mit dem Beklagten wegen der Übergabe der Bäume in Verbindung treten wollte, gehe klar hervor, daß die Klägerin selbst die Vorgänge bei Besichtigung der Bäume in Abwesenheit des Beklagten nicht als Übernahme der Bäume betrachtet habe. Mangels Übergabe der Bäume entfalle aber der Ausschluß des Rücktrittsrechtes nach Art. 8 Nr. 21 der 4. EVzHGB. Dem Beklagten sei also die Möglichkeit eines Rücktrittes vom Kaufvertrag nach § 918 ABGB. offengestanden. Nun sei aber ein Rücktritt nach § 918 ABGB. nur bei Leistungsverzug des Schuldners, nicht aber bei Annahmeverzug möglich. Im vorliegenden Fall sei die Klägerin nicht im Leistungsverzug gewesen, weil sie eine Angabe geleistet hatte, die höher als der Preis der bereitliegenden Bäume war. lhre Erklärung, sie wolle nur einen Teil der Ware genehmigen, sei somit nur teilweise Annahmeverzug, der aber zum Rücktritt nach § 918 ABGB. nicht berechtigen würde. Auf die Behauptung eines einseitigen Rücktrittes vom Vertrag lasse sich daher der Antrag des Beklagten auf Abweisung der Klage nicht stützen.

Mit Rücksicht auf die Behauptung des Beklagten, daß die Klägerin auch ihrerseits ihm mitgeteilt habe, sie nehme die Bäume nicht, er möge ihr die Angabe zurücksenden, hielt das Berufungsgericht eine Ergänzung des erstrichterlichen Verfahrens in der Richtung für notwendig, ob nicht eine einverständliche Vertragsauflösung vorliege. Ergänzungsbedürftig sei das erstrichterliche Verfahren auch deshalb, weil der von der klagenden Partei zum Nachweis der Höhe des Schadens angebotene Sachverständigenbeweis nicht durchgeführt worden sei.

Der Oberste Gerichtshof hob den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht verneint das Rücktrittsrecht des Beklagten, weil im Falle eines Annahmeverzuges dem Verkäufer nur die Rechte des § 373 HGB. zustunden, nicht aber das Recht, Abnahme der Ware zu verlangen. An diesem im Judikat 179 ausgesprochenen Grundsatz hält der Oberste Gerichtshof nach wie vor fest. Doch übersieht das Berufungsgericht, daß es sich im vorliegenden Falle um einen Stückverkauf (Kauf aller am Jauerling anfallenden Christbäume) handelt und daß der Beklagte nicht eine Klage auf Abnahme erhoben hat, sondern aus dem Verhalten der Klägerin den Schluß gezogen hat, daß er berechtigt sei, vom Vertrag zurückzutreten.

Wird bei einem Genuskauf die Abnahme der angebotenen Ware verweigert, so hält der die Ware bemängelnde Käufer nach wie vor am Kaufvertrag fest, er will nur die angebotene Ware nicht als Erfüllung gelten lassen. Anders beim Specieskauf. Weist hier der Käufer die Ware zurück, so gibt er zu erkennen, daß er den Kaufvertrag entweder zur Gänze als gegenstandslos betrachtet oder wenigstens insoweit, als er die Ware zurückweist. Zurückweisung der Ware beim Specieskauf ist notwendigerweise gänzlicher oder teilweiser Rücktritt. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nur einen Teil der angebotenen Ware übernehmen wollen, im übrigen aber die Ware zurückgewiesen; sie ist daher bezüglich des zurückgewiesenen Teiles vom Kaufvertrag zurückgetreten.

Einen solchen teilweisen Rücktritt hätte der Beklagte hinnehmen müssen, wenn die Ware tatsächlich teilweise nicht vertragsgemäß gewesen wäre. Nun steht aber fest, daß die Ware vertragsgemäß gewesen ist und daß die Bemängelung zu Unrecht erfolgt ist. Unter diesen Umständen mußte der Beklagte den teilweisen, ungerechtfertigten Rücktritt nicht hinnehmen und konnte den teilweisen Rücktritt der Klägerin mit der Auflösung des ganzen Vertrages beantworten, ohne verpflichtet zu sein, eine Nachfrist zu gewähren, gemäß dem Grundsatz, daß die von dem Übernahmstag abgegebene Erklärung des Käufers, er werde nicht übernehmen, den Verkäufer zum sofortigen Rücktritt berechtigt.

Die Klägerin kann daher keinen Schadenersatz wegen des erfolgten Weiterverkaufes verlangen. Die Sache ist infolgedessen spruchreif. Es mußte daher der Aufhebungsbeschluß aufgehoben werden. Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, auf Grund dieser Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes in der Sache zu entscheiden.