JudikaturJustiz3Ob574/51

3Ob574/51 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. November 1951

Kopf

SZ 24/303

Spruch

Ungültigkeit der Einräumung des Selbsthilfeverkaufsrechtes einer sicherstellungsweise übereigneten Sache, wenn nicht vorgesorgt wird, daß die Sache unter Kontrolle des Schuldners oder unter Wahrung seiner Interessen verkauft wird.

Verstoß gegen Treu und Glauben bei Durchführung eines Selbsthilfeverkaufes durch den Kreditgeber.

Entscheidung vom 7. November 1951, 3 Ob 574/51.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger nahm am 10. Mai 1948 bei der beklagten Partei, der Autokreditstelle X.-Ges. m. b. H., zum Zwecke der Reparatur seines Personenkraftwagens Marke Lancia gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung von 13.092 S in zwölf Monatsraten ein Darlehen in der Höhe von 12.000 S auf. Nach dem Darlehensvertrag hatte der Kläger zur Sicherstellung des Darlehens den Personenkraftwagen in das Eigentum der beklagten Partei zu übertragen. In dem mit "Sicherungsübereignung" überschriebenen Abschnitt heißt es dann wörtlich: "Der Wille beider Parteien auf Eigentumsübertragung bzw. Übernahme wird ausdrücklich festgelegt. Vom Eigentum darf nur zu Sicherungszwecken Gebrauch gemacht werden, also nur insoweit, als es die Sicherstellung des Darlehensgebers erfordert." Das Eigentum war durch Übergabe an die Reparaturfirma zu begrunden, die das Kraftfahrzeug im Namen und Auftrag der beklagten Partei übernahm. Gleichzeitig mit der körperlichen Übergabe des Kraftfahrzeuges an die Reparaturfirma war der Kraftfahrzeugbrief bei der beklagten Partei zu erlegen. Nach Durchführung der Reparatur überließ die beklagte Partei dem Kläger den Kraftwagen zur Benützung. In Punkt 5 des Vertrages, überschrieben "Terminverlust und Rücktritt", ist für den Fall des Zahlungsverzuges und einige weitere Fälle Terminverlust vorgesehen. Im vorletzten Satz wird der beklagten Partei das Recht eingeräumt, an Stelle der Geltendmachung des Terminverlustes den Rücktritt vom Vertrage auszusprechen. Dieser berechtigte sie, das Fahrzeug sofort an sich zu nehmen und verpflichtete den Darlehensnehmer, es auszufolgen, wobei er für die Wertminderung zwischen der Vertragserrichtung und der Rückstellung aufzukommen habe. Im Punkt 6 des Vertrages wird bestimmt, daß außer diesem Abkommen lediglich schriftliche Vereinbarungen Gültigkeit haben, mögen sie vor oder nach dem Abschluß des Abkommens zustande gekommen sein. Der Kläger ist seinen Zahlungsverpflichtungen gegen die beklagte Partei nicht termingerecht nachgekommen. Die beklagte Partei ließ ihm hierauf den Wagen durch den Leiter ihrer Grazer Filiale, der in Begleitung eines Monteurs der Firma H. zum Kläger gekommen war, am 17. August 1949 abnehmen, wobei dem Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichtes mit der Gendarmerie gedroht wurde. Zwei Tage später leistete der Kläger eine Teilzahlung von 2000 S. Die Beklagte ließ den Wagen am 9. September 1949 von ihrem Sachverständigen schätzen. Die Schätzung lautete auf den Betrag von zirka 7500 S, wobei der Schätzende aussprach, daß dieser Preis bei einem Verkauf des Wagens wohl auch erzielbar sein dürfte. Zur Schätzung wurde der Kläger nicht herangezogen. Am 13. September 1949 übersandte die beklagte Partei dem Kläger ein Schreiben, in dem sie den Vertragsrücktritt aussprach. Der letzte Satz lautet: "Das Fahrzeug ist somit in unser uneingeschränktes Eigentum übergegangen und wir werden im Sinne des Vertrages die Verwertung und sodann die Abrechnung Ihnen gegenüber vornehmen." Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bemühte sich der Kläger, dem sich "alsbald" die Möglichkeit bot, das Darlehen zur Gänze abzustatten, den Kraftwagen wieder auszulösen, doch wurde der für den Kläger intervenierende Anwalt von der beklagten Partei zunächst hingehalten und ihm dann erklärt, daß der Kraftwagen bereits unwiderruflich verkauft worden sei. Der Kraftwagen ist dann nach der Behauptung des Klägers am 29. Oktober 1949, nach der Behauptung der beklagten Partei schon am 19. September 1949 an die Firma H. um 7000 S veräußert worden.

Mit der am 2. Dezember 1949 eingebrachten Klage begehrte der Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes die Verurteilung der beklagten Partei.

Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil das Klagebegehren dem Gründe nach als zu Recht bestehend erkannt.

Das Berufungsgericht bestätigte und ging hiebei von der Erwägung aus, daß die Art und Weise, wie die beklagte Partei von ihrem Sicherungseigentum Gebrauch gemacht habe, in gröblichster Weise gegen Treu und Glauben verstoßen habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist durchaus einwandfrei. Es ist der Revision ohneweiters zuzugeben, daß in einem Vertrag, durch den der Schuldner seinem Gläubiger körperliche Gegenstände zu Eigen überträgt, um ihm für seine Forderung dingliche Sicherstellung zu gewähren, vereinbart werden kann, daß der Gläubiger die Sache nach Fälligkeit der Schuld verkaufen dürfe (so Entscheidung vom 8. Juni 1938, DREvBl. 1938, Nr. 247). Würde aber eine solche Vereinbarung getroffen, ohne daß irgendwie vorgesorgt wird, daß die Sache unter Kontrolle des Schuldners oder sonst in einer Weise verkauft wird, die die Wahrung der Interessen des Schuldners gewährleistet, so wäre eine solche Vereinbarung gleichwohl im Sinne des § 1371 ABGB. ungültig. Nun ist aber aus dem Vertrag die Vereinbarung einer Verwertung des zu Treuhandeigentum übertragenen Fahrzeuges gar nicht zu entnehmen. Die Beklagte hätte daher, wenn sie sich mit der in der tatsächlichen Inhabung gelegenen Sicherung nicht begnügen wollte, nur nach Erwirkung eines Vollstreckungstitels die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Klägers, insbesondere aber auch in das ihr übereignete Auto erwirken können. Ebenso wie beim Eigentumsvorbehalt kann der Sicherungseigentümer ein Pfändungspfandrecht erwerben (vgl. Marek "Die Sicherungsübereignung mit Einschluß der Sicherungsabtretung", Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht, IX. Jg., S. 129).

Selbst wenn man aber der Auffassung wäre, daß aus dem Vertrag oder aus dem Wesen des übrigens überaus umstrittenen Instituts der Sicherungsübereignung sich irgendwie ein Verwertungsrecht der beklagten Partei als des Kreditgebers ableiten ließe, so wäre die Auffassung des Berufungsgerichtes auf jeden Fall zu billigen, daß die beklagte Partei bei der Ausübung dieses Rechts gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen hat. Es genügt, hiezu auf die durchaus zutreffenden Argumente des Berufungsgerichtes zu verweisen, aus denen sich ergibt, daß die beklagte Partei bei der Verwertung nicht die Interessen des Kreditnehmers gewahrt, sondern sozusagen den Kraftwagen unter der Hand, nicht einmal zu dem Preis, der nach dem einseitig von der beklagten Partei ohne Mitwirkung des Klägers eingeholten Schätzungsgutachten erzielbar war, veräußert hat.