JudikaturJustiz3Ob57/70

3Ob57/70 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 1970

Kopf

SZ 43/113

Spruch

Ein Endbeschluß im Besitzstörungsverfahren bildet für sich allein keine taugliche Rechtsgrundlage für eine Interessenklage nach § 368 EO, deren Berechtigung nur aus dem ursprünglichen materiellrechtlichen Rechtsverhältnis abgeleitet werden kann

OGH 24. Juni 1970, 3 Ob 57/70 (LGZ Wien 46 R 874/69; ExG Wien 2 C 49/69)

Text

Mit Endbeschluß des BG Innere Stadt-Wien vom 23. Februar 1968, 27 C 1375/67-7, wurde die Beklagte auf Grund einer von der Klägerin eingebrachten Besitzstörungsklage verurteilt, insgesamt 540 näher beschriebene Teppiche sofort in die der Klägerin zugewiesenen Lagerräume der Zollfreizone Wien zurückzubringen. Mit Beschluß vom 5. April 1968 wurde der Klägerin auf Grund dieses Endbeschlusses die Exekution gemäß § 354 EO bewilligt, in der Folge jedoch in Ansehung eines Teiles der Teppiche rechtskräftig eingestellt, weil deren Zurückbringung nicht mehr ausschließlich vom Willen der Beklagten abhängig war.

Nach dem erfolglosen Versuch einer Exekutionsführung nach § 353 EO brachte die Klägerin beim Exekutionsgericht die gegenständliche Klage ein, in welcher sie aus dem Rechtsgrund der Leistung des Interesses gemäß § 368 EO das aus dem Spruch ersichtliche Klagebegehren stellte. Der wesentliche Inhalt dieses Begehrens geht dahin, die Beklagte zu verpflichten, an Stelle von 14 im Endbeschluß genannten Teppichen andere gleichwertige Teppiche anzuschaffen und zurückzubringen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil das gestellte Klagebegehren durch das Besitzstörungsverfahren bzw den Endbeschluß nicht gedeckt, in petitorischer Hinsicht der Anspruch nicht gerechtfertigt und insoweit zwischen den Parteien ein beim Handelsgericht Wien anhängiger Rechtsstreit präjudiziell sei.

Die Klägerin bestritt dies mit dem Hinweis, in dem Verfahren vor dem Handelsgericht Wien gehe es um die Herausgabe der Teppiche, hier hingegen lediglich um die Wiederherstellung des Mitbesitzes an einem Äquivalent für die entzogenen Teppiche.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil es den Anspruch nach § 368 EO nur dann als petitorischen Anspruch ansah, falls auch dem undurchsetzbaren primären Anspruch petitorischer Charakter zukomme.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 15.000 S übersteigt.

Das Berufungsgericht führte einleitend aus, daß die Berechtigung einer gem § 368 EO erhobenen Klage nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen sei, vertrat jedoch die Ansicht, daß die Klägerin durch die Besitzentziehung einen Schaden erlitten habe, der das gegenständliche, eine Restitution i S des § 1323 ABGB herbeiführende Begehren rechtfertige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, an Stelle der vom Endbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt-Wien, 27 C 1375/67-7, mit erfaßten Teppiche Nr 1, 3, 6 bis 9, 11, 13, 16 bis 20 und 22 aus der Partie Nr 4228 33.73 m2 unverzollte handgeknüpfte Afghan-Teppiche in einer dem Großhandelspreis von 22 Dollar per Quadratmeter entsprechenden Qualität auf ihre Kosten anzuschaffen und unverzüglich in die der klagenden Partei in der Zollfreizone Wien zugewiesenen Lagerräume zu bringen, abgewiesen wird.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Rechtsrüge der Revisionswerberin kommt Berechtigung zu. Die Klägerin stützt ihr Begehren ausschließlich auf § 368 EO - andernfalls wäre das angerufene Exekutionsgericht nicht zuständig - und auf den im Endbeschluß vom 23. Februar 1968 gelegenen Exekutionstitel (siehe die Ausführungen der Revisionsbeantwortung, daß die Frage des Rechtes am Besitz im gegenständlichen Verfahren nicht aufgerollt werden könne und dürfe bzw in der Berufungsmitteilung, daß bei einer Klage nach § 368 EO ein im Titelverfahren ausgeschlossener Einwand nicht zuzulassen sei).

Wie bereits das Berufungsgericht grundsätzlich zutreffend ausführte, ist die Frage, ob und inwiefern der betreibende Gläubiger gem § 368 EO ein Recht auf Leistung des Interesses oder Ersatzes besitzt, nach dem Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen (ebenso Neumann - Lichtblau[3], 1121, 1122). Aus der Bestimmung des § 368 EO kann daher kein materiellrechtlicher Anspruch abgeleitet werden, eine Klage nach der angeführten Gesetzesstelle setzt vielmehr das Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruches voraus, dessen Quelle das ursprüngliche Rechtsverhältnis bildet (ebenso SZ 5/265, SZ 24/55 u a).

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes in der Richtung, was unter Schaden i S der §§ 1293 ff ABGB sowie unter Zurückversetzung in den vorigen Stand i S des § 1323 ABGB zu verstehen ist, sind zwar an sich richtig, doch wird dadurch nicht dargetan, daß der Klägerin im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Schadenersatz zusteht. Da dieser Anspruch - abgesehen von der Wiederherstellung des früheren Besitzstandes im eigentlichen Sinne, welcher sich hier teilweise als undurchführbar erwies - zufolge § 457 ZPO nicht Gegenstand des Besitzstörungsverfahrens war, wurde mit dem Endbeschluß vom 23. Februar 1968 über das materiellrechtliche Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht abgesprochen. Demzufolge bildet der Endbeschluß vom 23. Februar 1968 für sich allein keine taugliche Rechtsgrundlage für das gegenständliche Klagebegehren auf Leistung des Interesses i S des § 368 EO, dessen Berechtigung, wie vorstehend ausgeführt, nur aus dem ursprünglichen materiellrechtlichen Rechtsverhältnis abgeleitet werden kann.

Ein Eingehen auf dieses materiellrechtliche Rechtsverhältnis im gegenständlichen Verfahren lehnte die Klägerin ausdrücklich ab, sie zog vielmehr als Rechtsgrundlage ihres Begehrens lediglich den Endbeschluß vom 23. Februar 1968 heran. Demzufolge waren die zwischen den Parteien bestehenden materiellrechtlichen Beziehungen, die allenfalls zu einer Klagestattgebung führen könnten, hier nicht zu untersuchen (vgl SZ 37/177, RZ 1967, 36, 105 u a).

Aus allen diesen Erwägungen war der Revision Folge zu geben und das lediglich auf eine untaugliche Rechtsgrundlage gestützte Klagebegehren abzuweisen.