JudikaturJustiz3Ob54/95

3Ob54/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juli 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei Dr.Lothar G*****, wider die verpflichtete Partei Gebhard G*****, vertreten durch Dr.Waltraud Walch, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen S 157.944 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 11.Mai 1995, GZ 3 R 123/95-8, womit der vom Bezirksgericht Feldkirch in den Verfahren AZ 5 E 6170/94, 5 E 6385/94, 5 E 615/95 und 5 E 622/95 des Bezirksgerichtes Feldkirch gefaßte Beschluß vom 3.April 1995 in Ansehung des Verfahrens 5 E 622/95 abgeändert, im übrigen jedoch bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der betreibende Gläubiger war als Verfahrenshelfer Vertreter des Verpflichteten in dem zur AZ F 9/92 des Bezirksgerichtes Feldkirch geführten Verfahren wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Mit Beschluß vom 24.August 1994, GZ F 9/92-233, erkannte das Bezirksgericht Feldkirch den Verpflichteten gemäß § 71 ZPO rechtskräftig schuldig, "jene Beträge nachzuzahlen, von deren Berichtigung er zufolge Bewilligung der Verfahrenshilfe einstweilen befreit" war; in diesem Zusammenhang erfolgte u.a. auch der Ausspruch, daß der Verpflichtete seinem Verfahrenshelfer "1/3 der tarifmäßigen Kosten...., dies sind S 157.944 (darin S 26.324 USt) zu ersetzen" hat.

Das Erstgericht bewilligte dem Verfahrenshelfer als betreibendem Gläubiger zur Hereinbringung dieser vollstreckbaren Forderung samt 4 % Zinsen seit 24.August 1994 die Exekution in vier Verfahren (AZ 5 E 6170/94, 5 E 6385/94, 5 E 615/95, 5 E 622/95). Mit der am 29.März 1995 zur AZ 4 C 159/95 des Bezirksgerichtes Feldkirch eingebrachten Oppositionsklage begehrt der Verpflichtete den Ausspruch, daß der betriebene Anspruch "wegen anzurechnender Zahlungen des Klägers in Höhe von S 164.739,80 erloschen" sei; er habe nämlich im Zeitraum vom 19. August 1988 bis 17.Dezember 1991 diesen Betrag an den betreibenden Gläubiger für die im Verfahren F 9/92 des Bezirksgerichtes Feldkirch erbrachten Vertretungsleistungen bezahlt. Im übrigen beantragte der Oppositionskläger die Exekution in allen Verfahren "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Klage" ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung aufzuschieben.

Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag in allen Exekutionsverfahren im wesentlichen mit der Begründung ab, der Verpflichtete hätte den Einwand der Schuldtilgung im Titelverfahren gemäß § 71 ZPO erheben können. Das sei nicht geschehen und könne mit einer Oppositionsklage nicht mehr nachgeholt werden.

Das Rekursgericht änderte den angefochtenen Beschluß in Ansehung des zur AZ 5 E 622/95 geführten Verfahrens dahin ab, daß es die Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Oppositionsklage "nach Erlag einer Sicherheit von S 15.000" aufschob; insoweit erklärte es den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Im übrigen gab es dem Rekurs keine Folge und sprach aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Es erwog in Ansehung des abändernden Teiles seiner Entscheidung im wesentlichen: Mit Oppositionsklage könnten den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsachen nur unter der Voraussetzung geltend gemacht werden, daß diese erst nach dem Entstehen des Exekutionstitels eingetreten seien; bestehe der Exekutionstitel - wie hier - in einer gerichtlichen Entscheidung, komme es auf jenen Zeitpunkt an, bis zu dem der Verpflichtete "von den bezüglichen Tatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen" habe können. Dabei seien nicht subjektive Momente entscheidend, weshalb die Gründe für das Erlöschen des geltend gemachten Anspruchs nicht vorgebracht worden seien, maßgebend sei vielmehr, ob deren Verwendung aus verfahrensrechtlichen Gründen objektiv unmöglich gewesen sei. Das Verfahren gemäß § 71 ZPO diene nicht der Prüfung allfälliger gesetzwidriger Zahlungen der die Verfahrenshilfe genießenden Partei an ihren Verfahrenshelfer. Es sei ausschließlich zu klären, ob die Voraussetzungen für die Auferlegung einer Nachzahlungspflicht vorlägen. Der Verpflichtete sei daher erst "nach Zustellung" des Beschlusses vom 24.August 1994 damit konfrontiert gewesen, an den Verfahrenshelfer eine bestimmte Kostensumme bezahlen zu müssen. Damit sei aber die Auffassung durchaus vertretbar, daß der Verpflichtete aus verfahrensrechtlichen Gründen erst mit Zustellung des Exekutionstitels in die Lage versetzt worden sei, "vom Einwand bereits geleisteter Zahlungen wirksam Gebrauch zu machen". Träfen die Klagebehauptungen zu, wären die geleisteten Zahlung im übrigen "nicht durch eine rehtswirksame Verpflichtung gedeckt" gewesen. Der Verpflichtete hätte daher auch einen Anspruch auf Rückforderung der "gesetzwidrig und titellos" geleisteten Beträge. Eine entsprechende Aufrechnungslage wäre aber "erst mit der Zustellung des Leistungsbefehles im Nachzahlungsbeschluß eingetreten". Auch das sei bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Oppositionsklage zu berücksichtigen; diese erscheine jedenfalls nicht gänzlich aussichtslos. Insoweit seien daher die Voraussetzungen für eine Aufschiebung der Exekution gegen Erlag einer Sicherheitsleistung erfüllt. Der ordentliche Revisionsrekurs sei unzulässig, weil die Prüfung der Erfolgsaussichten der Oppositionsklage und der weiteren Voraussetzungen für eine Aufschiebung der Exekution aufgrund der "ständigen Rechtsprechung" erfolgt sei.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu fehlt, ob § 71 ZPO so ausgelegt werden kann, daß die Verfahrenshilfe genießende Partei im Verfahren zur Klärung der Nachzahlungsfrage keine Einwendungsmöglichkeit hat, sie habe allenfalls zur Nachzahlung aufzuerlegende Beträge bereits geleistet; das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.

Der betreibende Gläubiger bekämpft die Entscheidung des Rekursgerichtes in ihrem "stattgebenden Teil"; er wendet sich "vorsichtshalber" aber auch gegen den "Ausspruch über die Revisionsrekursunzulässigkeit in Punkt 2 Satz 2". In Punkt 2. Satz 2 wurde jedoch ausgesprochen, daß der Revisionsrekurs insoweit jedenfalls unzulässig sei, als dem Rekurs des Verpflichteten keine Folge gegeben worden sei. Soweit sich daher der Revisionsrekurs gegen den Ausspruch in "Punkt 2 Satz 2" des angefochtenen Beschlusses wendet, handelt es sich um einen offenbaren Schreibfehler; in Wahrheit wendet sich der betreibende Gläubiger gegen den Ausspruch der Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses in dem ihn belastenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes (Punkt 1.). Das ergibt sich deutlich aus den Rekursanträgen, den außerordentlichen Revisionsrekurs für zulässig zu erklären und den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Aufschiebungsantrag des Verpflichteten "zur Gänze abgewiesen" und "sohin der Erstbeschluß" wiederhergestellt werde.

Gemäß § 78 EO und §§ 526 Abs 3 und 500 Abs 4 ZPO findet gegen einen Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO kein gesondertes Rechtsmittel statt, der Oberste Gerichtshof ist jedoch an einen solchen Ausspruch gemäß § 78 EO und § 526 Abs 2 ZPO nicht gebunden.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 42 Abs 1 Z 5 EO kann eine Aufschiebung der Exekution ua bei Erhebung der Klage gemäß § 35 EO auf Antrag angeordnet werden. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht auf alle Umstände des Einzelfalles - insbesondere auch auf die Wahrscheinlichkeit des Erfolges der auf die Einstellung der Exekution abzielenden Maßnahme des Aufschiebungswerbers - Rücksicht zu nehmen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht ist aufgrund der Klagebehauptungen vorzunehmen. Dabei kann die Aufschiebung gemäß § 42 Abs 1 Z 5 EO nicht schon dann verweigert werden, wenn der Erfolg der angebrachten Oppositionsklage zweifelhaft oder wenig wahrscheinlich ist, wohl aber dann, wenn die Klageführung mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtslos zu beurteilen ist (3 Ob 169/94; 3 Ob 1003/93; SZ 63/49; RdW 1989, 160 ua).

Mit Oppositionsklage können Einwendungen gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde, gemäß § 35 Abs 1 EO insoweit erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehen des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind. Falls jedoch dieser Exekutionstitel in einer gerichtlichen Entscheidung besteht, ist der Zeitpunkt maßgebend, bis zu welchem der Verpflichtete von den Tatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte. Die Voraussetzungen für die Oppositionsklage sind daher auch dann erfüllt, wenn die Gründe für das Erlöschen oder die Hemmung des vollstreckbaren Anspruchs im Titelverfahren aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht eingewendet werden konnten (EF 41.859); nicht maßgebend sind aber subjektive Umstände, die einer Partei Anlaß gaben, Gründe für das Erlöschen des geltend gemachten Anspruches im Titelverfahren nicht vorzubringen (EF 41.859; EvBl 1970/167; EvBl 1965/308; SZ 15/128).

Der Oppositionskläger behauptet nun, der betreibende Gläubiger habe an ihn den Wunsch herangetragen, "wegen des großen Arbeitsaufwandes Zahlungen auch in jenen Verfahren zu leisten, in denen Verfahrenshilfe bewilligt" worden sei. Das sei vom betreibenden Gläubiger auch in einem Schreiben vom 23.April 1990 mit der Formulierung zum Ausdruck gebracht worden, er ersuche, die Kosten seiner Kanzlei auszugleichen, welche vom Oppositionskläger "trotz der Verfahrenshilfe vereinbarungsgemäß" übernommen worden seien. Träfen diese Behauptungen und das weitere Vorbringen zu, der Oppositionskläger habe an den betreibenden Gläubiger bereits S 164.739,80 für jene Vertretungsleistungen bezahlt, die Gegenstand des am 24.August 1994 gemäß § 71 ZPO gefaßten Nachzahlungsbeschlusses sind, kann keine Rede davon sein, daß die Oppositionsklage mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtslos zu beurteilen ist.

§ 71 ZPO kann nach Ansicht des erkennenden Senates so ausgelegt werden, das nach dieser Gesetzesstelle durchzuführende Verfahren diene ausschließlich der Prüfung des Vorliegens der normierten Nachzahlungsvoraussetzungen und der allfälligen Fassung eines Nachzahlungsbeschlusses, ohne also der die Verfahrenshilfe genießenden Partei die Möglichkeit einer Einwendung zu eröffnen, sie habe einem (gesetzwidrigen) Zahlungsbegehren ihres Verfahrenshelfers für erbrachte Vertretungsleistungen entsprochen und daher auch nicht jenen Betrag nachzuzahlen, der erst als Ergebnis eines rechtskräftigen Nachzahlungsbeschlusses als Schuld entstehen könnte. Das Verrechnungsproblem kann - so gesehen - überhaupt erst in einem Zeitpunkt eintreten, in dem das Verfahren gemäß § 71 ZPO bereits abgeschlossen ist (Vollstreckbarkeit des Nachzahlungsbeschlusses). Ist aber die Verfahrenshilfe genießende Partei in einem Verfahren gemäß § 71 ZPO von der Einwendung ausgeschlossen, sie habe an ihren Verfahrenshelfer bereits Zahlungen für jene Vertretungshandlungen geleistet, die den Gegenstand des Nachzahlungsbeschlusses bilden sollen, kann das Erlöschen des erst durch den Nachzahlungsbeschluß entstandenen Anspruches mit Oppositionsklage geltend gemacht werden, ohne daß eine solche Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtslos zu beurteilen ist.

Da das Rekursgericht also alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufschiebung der Exekution auf Grundlage der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes beachtete, ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses stützt sich auf § 78 EO und §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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