JudikaturJustiz3Ob278/06p

3Ob278/06p – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Heinz Ludwig R*****, vertreten durch Berlin Partner Rechtsanwälte in Salzburg, wider die Antragsgegner 1.) Anna H*****, Frankreich, 2.) Hans von M*****, Schweiz, und 3.) Dr. Florian von M*****, Schweiz, alle vertreten durch Proksch und Fritzsche Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Einräumung eines Notwegs, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 18. Oktober 2006, GZ 22 R 254/06v-56, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 21. August 2006, GZ 1 Nc 70/04i-51, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Der Antragsteller ist schuldig, den Antragsgegnern die mit 538,40 EUR (darin 89,73 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Auf Grund Schenkungsvertrags vom 13. Mai 2002 erwarb der Antragsteller von DI Thomas J***** (in der Folge nur: Voreigentümer) eine nur noch aus dem Grundstück Nr 238/2 sonstige (Weg) mit einer Fläche von 91 m2 bestehende Liegenschaft. Zu C-LNr 10a ist ob dieser Liegenschaft das Vorkaufsrecht für Familienangehörige der Antragsgegner eingetragen. Der Voreigentümer hatte im Jahr 2000 aus dem Gutbestand der Liegenschaft Grundstücke im Ausmaß von insgesamt

101.611 m2 an den Antragsteller verkauft. Davor hatte er bereits ein weiteres Grundstück daraus an seine Schwester veräußert. Das Klagebegehren einer der Vorkaufsberechtigten zur Durchsetzung des Vorkaufsrechts gegen den Antragsteller blieb erfolglos. Das Grundstück war mit Kaufvertrag vom 28. August 1957 von Familienangehörigen der Antragsgegner an den Vater des Voreigentümers verkauft worden, um diesem einen Zugang zum Attersee zu ermöglichen. Im Gegenzug hatte der Käufer insgesamt vier Personen ein Vorkaufsrecht ob dieser Liegenschaft eingeräumt. Mit dem Kaufvertrag räumten die damaligen Verkäufer dem Vater des Voreigentümers das immer währende unentgeltliche Recht ein, von einem näher bezeichneten Straßengrundstück über deren Grundstücke 206/2 und 237/1, je Wiese auf dem vorhandenen Fußweg, wie auf einem bestimmten Lageplan eingezeichnet, zum fraglichen Grundstück und zurück jederzeit gehen zu dürfen.

Diese Dienstbarkeit wurde im Grundbuch von Amts wegen in Ansehung eines der beiden herrschenden Grundstücke gelöscht, weil der Dienstbarkeitsweg im Jahr 1965 dem öffentlichen Gut zugeschrieben worden war und die Grundstücksnummer 237/3 erhalten hatte. Seit 5. August 1965 hatte sich eine Auseinandersetzung zwischen der Ortsgemeinde und Familienangehörigen der Antragsgegner entwickelt. Im Zuge von Verhandlungen schlugen diese vor, den Gehweg im Zuge eines Grundtausches mit einem anderen Eigentümer an die Grundgrenze zwischen dessen Grundstücken und ihren eigenen zu verlegen. Dem stimmte der Gemeindeausschuss in einer Sitzung vom 27. Oktober 1965 zu. Die Zustimmung wurde mit Kundmachung vom 2. November 1965 verlautbart, die an diesem Tag angeschlagen und am 17. November 1965 [von der Amtstafel] abgenommen wurde.

Mit Schreiben vom 1. März 1966 teilte der Rechtsvertreter der Antragsgegner der Ortsgemeinde mit, dass sämtliche Grundeigentümer der genannten Vereinbarung zugestimmt hätten. Auf Grund des Anmeldungsbogens wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 8. August 1969, TZ 2892/69, die Teilung des dienenden Grundstücks 237/1 Wiese in die Grundstücke 237/1 und 237/4 Wiese und einen grünen Teil im Ausmaß von 75 m2 angeordnet, weiters die Abschreibung des grünen Teils und dessen Übertragung in das öffentliche Gutsverzeichnis III zur Einbeziehung in das Grundstück 237/3 Weg. Gleichzeitig wurde angeordnet, einen braunen Teil aus dem Grundstück 237/3 Weg aus dem öffentlichen Gut ab und zu EZ 14 unter Einbeziehung in das Grundstück 237/1 zuzuschreiben. Damit fiel die rechtliche Zugangsmöglichkeit zum Grundstück des Antragstellers, die vorher durch die Dienstbarkeit und in der Folge durch die öffentliche Wegparzelle gewährleistet war, weg.

Etwa in den Jahren 1992/1993 kam es zu Verhandlungen zwischen den Familien des Voreigentümers und der Antragsgegner darüber, ob der Grundstücksstreifen 238/2 den Letztgenannten zukommen könne. Die Verhandlungen zerschlugen sich aber an den Preisvorstellungen. In der Folge versuchte der Voreigentümer eine Nutzung seines Grundstücks mit Zugang etc. zu etablieren. Es entwickelte sich eine rege Korrespondenz zwischen seinem Rechtsvertreter und dem Drittantragsteller, in deren Zuge sich die Familie der Antragsgegner nicht gegen das Ansinnen der Wiederherstellung einer Dienstbarkeit des Zugangsrechts aussprach. Letztlich kam es aber trotz erstellter Vertragsentwürfe über die Einräumung einer Dienstbarkeit des Zugangs zu keiner allseitigen Unterfertigung und damit auch zu keiner Einigung „zwischen den beiden Familien". Im Zuge der Verhandlungen war von der Familie der Antragsgegner gegenüber dem Voreigentümer mehrfach angedeutet worden, dessen Familie hätte sich den Besitz des fraglichen Grundstücks auf unehrenhafte Weise erschlichen und deswegen stünde ihnen das Grundstück zu. Darüber war der Voreigentümer sehr betroffen und entschloss sich daher, dass diese Familie auf keinen Fall in den Besitz des Grundstücks gelangten sollte. Nach dem Tod seiner Mutter hatte der Voreigentümer keine emotionalen Bindungen mehr zum Attersee, weshalb das Grundstück für ihn nutzlos wurde. Daher entschloss er sich, dieses, weil er es wegen des Vorkaufsrechts der Familie der Antragsgegner nicht verkaufen konnte, an den Antragsteller zu verschenken. Vor Abschluss des Vertrags besichtigte dieser zusammen mit seinem Rechtsvertreter das Grundstück. Es war ihm bewusst, dass es über keinen Zugang und keine Zufahrt verfügte.

Das Grundstück 238/2 ist in der Natur ein schmaler, mit altem Baumbestand bestockter west-ost-gerichteter, nach Westen leicht geneigter Grundstreifen mit schmalem Seeuferanstoß an der westlichen Grundgrenze. Er ist 57 m lang und rund 1,4 bis 1,6 m breit. Das Grundstück ist als Grünfläche mit besonderer Widmung - Grünzug - gewidmet.

Der ursprünglich dieses Grundstück erschließende, rund 1,3 m breite Gehweg verlief entlang der östlichen Grenze des Grundstücks 237/1. Nunmehr ist dieser Weg an die nördliche Grenze dieser Parzelle verlegt.

Der Antragsteller plant die Nutzung des Grundstücks als Badeplatz, als Zugang zum See mit Bademöglichkeit, zum Fischen, zum Ausüben des Jachtsports sowie zur Baumpflege und zum Baumabtrag und damit verbundener Holzgewinnung, zur Entfernung der Ablagerungen auf dem Grundstück und zur Durchführung seiner Verkehrssicherungspflichten. Er plant weiters, auf dem von ihm vom Voreigentümer erworbenen etwa 10 ha großen landwirtschaftlichen Grund ein Haus zu errichten. Von dort aus würde er den Seezugang nützen.

Im Bereich der notleidenden Liegenschaft ist es nicht üblich, Grundstücke über das öffentliche Wassergut zu erreichen. Mit seinem am 27. August 2004 beim Erstgericht eingebrachten Antrag begehrte der Antragsteller die Einräumung eines Notwegs in Form eines Geh- und Fahrtrechts über das Gst 237/1 der Antragsgegner derart, dass in direkter Linie über dieses Grundstück eine Verbindung zwischen seinem Grundstück und der in der Nähe verlaufenden Bundesstraße geschaffen werde. In der Folge konkretisierte er diesen Antrag dahin, dass er die Einräumung des Notwegs in Form eines Geh- und Fahrtrechts gemäß Variante 5 des Sachverständigengutachtens ON 27 begehrte. Er brachte, soweit für das Verfahren in dritter Instanz noch wesentlich, vor:

Die früher zu Gunsten seiner Liegenschaft bestehende Dienstbarkeit sei amtswegig gelöscht worden, weil das öffentliche Gut, dem das frühere Weggrundstück zugeschrieben worden sei, nicht privatrechtlich belastet sein könne. Zum damaligen Zeitpunkt sei diese Löschung wegen des vorhandenen öffentlichen Wegs nicht nachteilig gewesen, der weiterhin einen Zugang gewährleistet habe. Allerdings habe die Ortsgemeinde mit Beschluss vom 27. Oktober 1965 die Form bzw. Ausdehnung des dienenden Grundstücks verändert und damit den öffentlichen Weg so verlegt, dass ab diesem Zeitpunkt kein Zugang zur notleidenden Liegenschaft mehr gegeben gewesen sei. Von dieser Maßnahme sei der damalige Eigentümer nicht verständigt worden und habe davon auch nicht auf andere Weise Kenntnis erlangt. Im Laufe der vergangenen Jahre sei der Baum- bzw. Holzbestand auf seinem Grundstück stark angewachsen und forst- bzw. landwirtschaftlich zu pflegen. Es habe sich auch einiges Gerümpel sowie pflanzlicher Abfall von der Nachbarliegenschaft auf diesem Grundstück angesammelt. Er müsse dieses daher auch mit landwirtschaftlichen Geräten bzw. Fahrzeugen erreichen, weshalb er mit der Einräumung eines bloßen Gehrechts nicht mehr das Auslangen finden könne.

Sein Voreigentümer habe mit dem Antragsgegner bzw. den Eigentümern des in Anspruch genommenen Grundstücks Kontakt aufgenommen, um die im Jahr 1957 eingeräumte Dienstbarkeit wiederum zu vereinbaren. Die Antragsgegner seien allerdings nicht bereit gewesen, einen fertig ausformulierten Dienstbarkeitsvertrag notariell beglaubigt zu unterfertigen. Schließlich hätten sie sogar behauptet, das notleidende Grundstück mittlerweile ersessen zu haben. Gleichzeitig hätten sie versucht, die durchgeführte Schenkung als Umgehung eines im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrechts außer Kraft zu setzen. Es ergebe sich daraus für den Antragsteller die Unmöglichkeit, mit den Antragsgegnern eine einvernehmliche Dienstbarkeitslösung zu finden. Die Liegenschaft, die langfristig der Nutzung als Badeplatz und als Zugang zum See diene, sei auch zu diesem Zweck vom Vater des Voreigentümers angekauft worden. Es sei zur beabsichtigten Nutzung als Badeplatz allerdings notwendig, den Baumbestand zu fällen. Er müsse sich eine allfällige Sorglosigkeit seiner Rechtsvorgänger nicht zurechnen lassen. Eine solche fehle im Übrigen, weil der Berechtigte mit einem rechtswidrigen Vorgehen der Gemeinde nicht habe rechnen müssen. Da die Rechtsvorgänger der Antragsgegner bzw. diese selbst den Zugang zur Liegenschaft in weiterer Folge gewährt hätten, habe diesem auch die Verlegung des öffentlichen Wegs nicht auffallen müssen. Als Liegenschaftseigentümer müsse er auch dafür Sorge tragen, dass von seinem Grundstück (infolge des veralteten Baumbestands) keine Gefahren für Dritte ausgingen.

Die Antragsgegner wendeten ein, dass der Antragsteller bzw. dessen Rechtsvorgänger bei der Verlegung des öffentlichen Wegs kein Rechtsmittel ergriffen und daher mit der Wegverlegung einverstanden gewesen seien. Der Antragsteller könne im Übrigen mit entsprechenden Wasserfahrzeugen sein Grundstück erreichen, um die von ihm angeblich gewünschte Holznutzung durchführen zu können. Er sei in die Rechte der Voreigentümer eingetreten und sich des mangelnden Zugangs zur Liegenschaft bewusst gewesen. Es handle sich nicht um ein Seegrundstück, sondern um einen aufgelassenen Weg. Die geplante Nutzung als Badeplatz sei infolge des Baumbestands nicht möglich. Die Breite im Uferbereich von 1,4 m reiche nicht einmal aus, um dort ein Badetuch aufzulegen. Der Abtransport von Bäumen sei nicht vorgesehen, weil der Baumbestand aus naturschutzfachlicher Sicht erhalten werden müsse. Schließlich habe der Voreigentümer auf das Angebot von 1997 nicht reagiert und durch Nichtausübung des Gehwegs „durch drei Jahre sei Freiheitsersitzung" eingetreten.

Das Erstgericht gab dem modifizierten Antrag statt und erkannte den Antragsteller schuldig, den Antragsgegner binnen vier Wochen eine Entschädigung von 3.400 EUR zu bezahlen. Zwar sei nach § 2 Abs 1 NWG das Begehren auf Einräumung eines Notwegs abzuweisen, wenn der Wegmangel auf einer auffallenden Sorglosigkeit des Grundeigentümers beruhe. Eine solche liege aber nicht schon beim Kauf eines zugangslosen Grundstücks oder bei Widmungsänderung vor. Grobe Fahrlässigkeit eines Rechtsvorgängers schade, abgesehen vom Rechtserwerb während eines anhängigen Notwegeverfahrens, nicht. Somit könne es dem Antragsteller nicht als auffallende Sorglosigkeit angelastet werden, sich die notleidende Liegenschaft im Wissen, dass kein Zugang zum öffentlichen Gut bestehe, schenken zu lassen. Da die Verlegung des öffentlichen Wegs von den Eigentümers der ursprünglich dienenden Liegenschaften betrieben worden seien und diese über Aufforderung der Gemeinde auch erklärt hätten, es liege die Zustimmung aller betroffenen Grundeigentümer vor, könne auch der Untergang der ursprünglichen Wegedienstbarkeit dadurch, dass dieser Weg zunächst dem öffentlichen Gut zugeschrieben und in weiterer Folge verlegt worden sei, nicht als auffallende Sorglosigkeit gewertet werden.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Antrag auf Einräumung eines Notwegs abwies. Es sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Es erachtete die erhobene Tatsachenrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt und verneinte die behaupteten Verfahrensmängel erster Instanz.

In Behandlung der Rechtsrüge bejahte das Rekursgericht die mögliche Nutzung der Parzelle des Antragstellers für einen Seezugang, was keineswegs voraussetze, dass genügend Platz für das Auflegen eines Badetuches vorhanden sei. Entgegen der Ansicht der Antragsgegner könne auch nicht gesagt werden, dass im vorliegenden Fall der Vorteil des Notwegs die Nachteile nicht überwiege. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten sei mit der Notwegeinräumung eine Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks im derzeitigen Wert von 410 EUR um 22.000 EUR verbunden, während der Nachteil für die belastete Liegenschaft durch den Notweg nur 3.400 EUR betrage. Nach der Rsp zum NWG solle nur der schuldlose und damit schutzwürdige Erwerb oder Eigentümer einer Liegenschaft geschützt werden. Nach stRsp könne nach den konkreten Umständen bereits der Ankauf eines Grundstücks ohne notwendige Wegverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz eine auffallende Sorglosigkeit begründen, die gemäß § 2 Abs 1 NWG dem Begehren auf Einräumung eines Notwegs entgegenstehe. Im vorliegenden Fall habe der Bedarf nach einer Wegeverbindung bereits seit der grundbücherlichen Durchführung der Verlegung der öffentlichen Wegparzelle 237/3 im Jahr 1969 bestanden, weil damit jegliche rechtlich gesicherte Zugangsmöglichkeit zum Grundstück des Antragstellers weggefallen sei. Der Voreigentümer des Antragstellers habe sich mit dem Wegfall dieser Wegverbindung jedenfalls abgefunden, indem er nach dem Scheitern seiner Bemühung auf Wiederherstellung der ursprünglichen Dienstbarkeit des Gehrechts im Jahr 1997 keine gerichtlichen Schritte in diese Richtung eingeleitet und auch keinen Antrag auf Einräumung eines Notwegs gestellt habe. Nach einer Lehrmeinung stehe selbst bei gutgläubigem unentgeltlichen Erwerb unter Lebenden ein Anspruch auf Einräumung eines Notwegs grundsätzlich nicht zu. Dem sei jedenfalls dann zu folgen, wenn der Geschenknehmer bei Abschluss des Schenkungsvertrags die fehlende bzw. unzulängliche Wegverbindung gekannt und trotzdem keinerlei Kontakt mit den Nachbarn zwecks Schaffung einer entsprechenden Wegverbindung auf privatrechtlicher Grundlage aufgenommen habe. Dies sei hier der Fall. Angesichts der durch die Schaffung einer ausreichenden Verbindung mit dem öffentlichen Wegnetz einhergehenden Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks könne vom Geschenkgeber erwartet werden, den in Betracht kommenden Nachbarn ein entsprechend lukratives Angebot zu machen, dem sich diese nur schwer entziehen könnten. Mangels einer solchen Kontaktaufnahme habe sich auch der Antragsteller durch seine Vorgangsweise offensichtlich damit abgefunden, dass das ihm geschenkte Grundstück keine Verbindung mit dem öffentliche Wegenetz habe. Es könne auch nicht als feststehend angenommen werden, dass es dem Antragsteller auch bei Anbot der Bezahlung eines angemessenen Entgelts für die Einräumung einer privaten Wegeservitut nicht möglich gewesen wäre, den Wegmangel zu verhindern.

Den Bewertungsausspruch begründete das Gericht zweite Instanz mit der durch den Notweg zu erwarteten Wertsteigerung der Liegenschaft des Antragstellers. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil es von der stRp des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen sei und es von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhänge, ob das Verhalten eines Antragstellers die Annahme eines Sich-Abfindens mit dem Wegmangel rechtfertige.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und auch iSd hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Auffassung der Antragsgegner liegt kein Fall des § 59 Abs 3 AußStrG iVm § 60 Abs 2 JN vor, weil nicht eine Liegenschaft selbst streitverfangen ist, sondern der Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts (vgl zu einem Wegerecht 5 Ob 107/92), 6 Ob 63/05s; RIS-Justiz RS0053191). Der Antragsteller zeigt zu Recht auf, dass das Gericht zweiter Instanz von der Entscheidung des erkennenden Senats 3 Ob 183/03p (= SZ 2003/113 = JBl 2004, 320 mit gerade in diesem Punkt zust Anm von Egglmeier-Schmolke) abwich, wonach Erkundigungen über allfällige Wegeverbindungen vor dem Liegenschaftserwerb keinen Selbstzweck bilden. Wie der Oberste Gerichtshof zum konkreten Sachverhalt ausführte, hätten Erkundigungen der Antragsteller bloß ergeben, dass die Zweitantragsgegnerin den vorhandenen Fußweg als ausreichend angesehen hätte; weiters sei nicht hervorgekommen, dass die Antragsteller eine anstelle der Wirkung eines Notwegs realistische Alternative unter angemessenen Bedingungen gehabt hätten, die ordentliche Benützung ihrer Liegenschaften durch deren Anbindung an das öffentliche Straßennetz zu ermöglichen. Obwohl das Rekursgericht im vorliegenden Fall zutreffend das Vorbringen des Antragstellers wiedergab, es wäre unmöglich, mit den Antragsgegnern eine einvernehmliche Lösung zur Dienstbarkeit zu finden, wozu das Erstgericht keine Feststellung getroffen hatte, gelangte es ohne Ergänzung des Beweisverfahrens zur Schlussfolgerung, es könne keineswegs als feststehend angenommen werden, dass es dem Antragsteller auch bei Anbot der Bezahlung eines angemessenen Entgelts für die Einräumung einer privaten Wegeservitut nicht möglich gewesen wäre, den Wegmangel zu verhindern. Damit blieb aber ein für die Beurteilung des Verhaltens des Antragstellers als auffallend sorglos iSd § 2 Abs 1 NWG notwendiges Element in Wahrheit ungeprüft. Unzweifelhaft ist im vorliegenden Fall, dass die Liegenschaft des Antragstellers - mag es sich auch um eine ungewöhnlich kleine Grundparzelle handeln - jedweder Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz iSd § 1 Abs 1 NWG entbehrt. Schon der Wortlaut der Bestimmung verhinderte es, das Angrenzen mit einer Schmalseite an das öffentliche Wassergut als eine solche Verbindung anzusehen. Dabei handelt es sich eben nicht um einen Teil des öffentlichen Wegenetzes. Der Notweg muss zur ordentlichen Bewirtschaftung oder Benützung der Liegenschaft notwendig sein, wobei es um jenen Nutzen geht, den die Liegenschaft nach ihrer Natur und Beschaffenheit gewähren kann (3 Ob 183/03p; Hofmann in Rummel3 § 480 ABGB Rz 6 mwN). Das Bedürfnis der notleidenden Liegenschaft ist auch für die Art, den Umfang und die Richtung des Notwegs und die näheren Modalitäten seiner Benützung maßgebend (§ 4 Abs 1 erster Satz NWG). Aus § 4 NWG ist insgesamt abzuleiten, dass der durch den Notweg betroffene Liegenschaftseigentümer möglichst wenig belastet werden soll (Egglmeier-Schmolke in Schwimann3 § 4 NWG Rz 1). Dem gemäß sind die Regelungen des NWG einschränkend auszulegen (stRsp 7 Ob 552/94 = SZ 67/119 = JBl 1995, 325 = NZ 1995, 110; 6 Ob 96/06w = immolex 2007, 25 u. a.; RIS-Justiz RS0070966). Dieser Grundsatz vermag allerdings nichts daran zu ändern, dass nach § 2 Abs 1 NWG neben dem Überwiegen der Nachteile für die belastete Liegenschaft gegenüber den Vorteilen des Notwegs nur ein durch auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers verursachter Mangel der Wegeverbindung die Bewilligung eines solchen Wegs hindert. Es reicht also nicht einfach leichtes Verschulden aus. Zutreffend legte schon das Gericht zweite Instanz dar, dass sich nach Rsp und Lehre der Eigentümer des notleidend gewordenen Grundstücks sowohl beim Erwerb des Grundstücks um eine Verbindung zum Wegenetz bemühen als auch später dem Verlust einer bestehenden Verbindung vorbeugen muss (6 Ob 96/06w; Egglmeier-Schmolke aaO § 2 NWG Rz 4).

Der vorliegende Fall unterscheidet sich nun insofern von der Vielzahl der bereits vom Obersten Gerichtshof zu entscheidenden dadurch, dass der Antragsteller die Liegenschaft durch Schenkung erwarb. Bei unentgeltlichem, selbst gutgläubigem Erwerb unter Lebenden verneint Egglmeier-Schmolke grundsätzlich den Anspruch auf Einräumung eines Notwegs, außer es handle sich beim Geschenknehmer um den gesetzlichen Erben des Schenkers (aaO § 2 Rz 12). Im Gegensatz dazu vertritt sie bei Erwerb im Erbweg die Auffassung, es komme darauf an, ob der Anspruch auf Einräumung des Notwegs auch bereits dem Erblasser zugestanden wäre (aaO Rz 11). Während die Autorin im zitierten Kommentar keine nähere Begründung für ihre Ansicht gibt, begründet sie den mangelnden Schutz von Geschenknehmern in einem Aufsatz (Notweg und Rechtsprechung, bbl 1998, 62 bei FN 74) damit, dass das NWG nur den Schutz der Privatinteressen des Eigentümers beabsichtige. Eine Begründung, warum die Eigentümerinteressen eines Geschenknehmers nicht darunter fallen sollen, findet sich indes nicht. Nach Auffassung des erkennenden Senats enthält das NWG keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Recht auf die Einräumung eines Notwegs Geschenknehmern (mit Ausnahme solcher, die die Liegenschaft in Vorwegnahme eines erbrechtlichen Übergangs erhalten) generell verwehrt sein solle. Der Oberste Gerichtshof teilt daher die jedenfalls im Ergebnis ablehnende Ansicht des Gerichts zweiter Instanz zu dieser Rechtsmeinung. Es kann keinen wesentlichen Unterschied machen, ob jemand ein Grundstück um geringes Entgelt erwirbt oder unentgeltlich. Vielmehr lassen sich auch für den unentgeltlichen Erwerb die Erwägungen fruchtbar machen, die der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 540/87 = SZ 60/43 = RZ 1987/61 anstellte. In dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatten die Antragsteller ihre Liegenschaft um einen stark verminderten Kaufpreis in dem Wissen erworben, dass diese nicht durch ein uneingeschränktes Fahrrecht mit dem öffentlichen Wegenetz verbunden war. Der damalige Zweitantragsgegner hatte ihnen auch zur Kenntnis gebracht, dass er über sein Grundstück niemals ein unbeschränktes Geh- und Fahrrecht einräumen werde. Voreigentümer der fraglichen Liegenschaft waren längere Zeit vor dem Erwerbsvorgang mit ihrem Begehren auf Einräumung eines Notwegs wegen auffallender Sorglosigkeit gescheitert.

Der Oberste Gerichtshof sprach in der Entscheidung aus, dass es geradezu ein Rechtsmissbrauch wäre, wenn jemand in Kenntnis der Nichtberechtigung eines Anspruchs auf Einräumung eines Notwegs wegen auffallender Sorglosigkeit seines Rechtsvorgängers die entsprechende Liegenschaft in Ausnützung dieser Kenntnis um einen besonders billigen Preis erwerben würde, um dann seinerseits die Einräumung eines Notwegs und damit eine wesentliche Aufwertung der Liegenschaft anzustreben. Jene Judikatur und Lehre, die die Nichthaftung des Liegenschaftserwerbers für die auffallende Sorglosigkeit des Rechtsvorgängers aussprach, habe den schuldlosen und damit schutzwürdigen Erwerber einer Liegenschaft im Auge gehabt, nicht aber jenen Erwerber, der die gegen seinen Rechtsvorgänger sprechenden Umstände kenne und diese Umstände zu seinem Vorteil ausnützen wolle. Anders als in jenem Fall liegt im vorliegenden keine Entscheidung in einem früheren Notwegeverfahren vor, aus der sich eine auffallende Sorglosigkeit des/der Voreigentümer des Antragstellers ergeben würde. Die Bindungswirkung einer solchen Entscheidung ist daher hier ohne Bedeutung. Dagegen ist nach einer allgemeineren Erwägung die vom Obersten Gerichtshof in jener Entscheidung bereits festgehalten wurde, auch hier von Bedeutung, ob der Antragsteller die Liegenschaft im guten Glauben erwarb, dass die Einräumung eines Notwegs auch von seinem Rechtsvorgänger durchgesetzt werden hätten können. Hätte er einen diesen treffenden Ausschlussgrund nach § 2 Abs 1 NWG gekannt oder kennen müssen, würde es einen Rechtsmissbrauch darstellen, wenn er diesen Umstand für den billigen Erwerb einer Liegenschaft ausgenützt hätte, um dann unter Berufung auf das Fehlen eigener auffallender Sorglosigkeit die Einräumung eines Notwegs und damit eine wesentliche Werterhöhung der Liegenschaft zu erreichen. Auch wenn im vorliegenden Fall der Antragsteller wegen des Vorkaufsrechts anderer die Liegenschaft wohl nicht billig hätte erwerben können, weil anzunehmen ist, dass bis zu einem angemessene Preis das Vorkaufsrecht ausgeübt worden wäre, ist die Lage eines Geschenknehmers mit der eines billig Kaufenden durchaus vergleichbar. Zusammengefasst steht der unentgeltliche, aber gutgläubige Erwerb einer Liegenschaft dem Anspruch auf Einräumung eines Notwegs nicht entgegen.

Es ist daher erforderlich, in dem vom Untersuchungsgrundsatz (§ 13 Abs 1 AußStrG) geprägten außerstreitigen Verfahren nach dem NWG einerseits zu prüfen, ob es 1.) dem Antragsteller möglich gewesen wäre, bei entsprechender Sorgfalt und Aufwendung vertretbarer Mittel selbst die „Sicherung einer Kommunikation" für seine Liegenschaft herbeizuführen (s 3 Ob 183/03p), was nur in der Form der Einräumung einer Wegeservitut möglich ist, und 2.), falls dies nicht der Fall sein sollte, ob ihm Umstände bekannt waren, aus denen zu schließen war, dass ein Antrag seines Voreigentümers auf Einräumung eines Notwegs an § 2 Abs 1 NWG hätte scheitern müssen. Im letztgenannten Punkt wird auch noch eine Erörterung mit den Parteien erforderlich sein. Außerdem wird für den Fall, dass der Antrag erfolgreich sein sollte, im Spruch der Umfang des Fahrrechts klarzustellen sein. Aus dem Spruch der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt sich nämlich keineswegs, dass - wie aus den Gründen hervorzugehen scheint - dieses Recht nur bei gefrorenem Boden in den Monaten Dezember, Jänner und Februar ausgeübt werden darf.

Schon im derzeitigen Verfahrensstadium können aber folgende Fragen als endgültig erledigt angesehen werden:

Mit dem Überwiegen der Vorteile für den Eigentümer des notleidenden Grundstücks beschäftigte sich schon zutreffend das Gericht zweiter Instanz, ohne dass die Antragsgegner dessen Erwägungen in der Revisionsrekursbeantwortung entgegengetreten wären. Dasselbe gilt für die auf Erkenntnisse des VwGH gestützten Ausführungen dieses Gerichts zum oö BRG 1998 (LGBl 1998/39). Bringungsrechte nach diesem Landesgesetz können nur zu Gunsten von Grundstücken, die land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, eingeräumt werden (§ 1 Abs 1 leg cit). Dass ein nicht einmal 100 m2 erreichendes, isoliertes Grundstück, selbst wenn es von teilweise alten Bäumen bestanden ist, dieser Qualifikation nicht gerecht wird, leuchtet auch unmittelbar ein, wäre doch sonst jedes Gartengrundstück mit Baumbestand ein solches, das forstwirtschaftlichen Zwecken diente.

Da nach der Rsp des Obersten Gerichtshofs lediglich das Bestehen einer (gleichwertigen) Wegedienstbarkeit der Einräumung eines Notwegs ausschließt, nicht aber die Behauptung, der Antragsteller könne sich ein solches Recht verschaffen (7 Ob 552/94, 6 Ob 804/77), bedarf es auch keiner Überprüfung, ob der Antragsteller auf Grund der seinerzeitigen Einräumung eines Gehrechts zu Gunsten seiner Liegenschaft gegenüber dem Rechtsvorgänger des Geschenkgebers die neuerliche Einverleibung dieser Servitut im Grundbuch erreichen könnte.

Da sich gerade durch die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden Vorinstanzen die Beurteilung der ersten Instanz als richtig erweist, dass von einem ungerechtfertigten Einschreiten der Antragsgegner nicht die Rede sein kann, sind dem Antragsteller gemäß § 25 NWG unabhängig vom Ausgang des Verfahrens auch die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegner, die ihnen freizustellen gewesen wäre, wenn sie sie nicht ohnehin von sich aus erstattet hätten, aufzuerlegen. Entgegen deren Meinung erhöht sich aber die Bemessungsgrundlage durch die zweitinstanzliche Bewertung des Entscheidungsgegenstands nicht, weshalb wie in erster Instanz von der Bewertung durch den Antragsteller mit 5.800 EUR auszugehen ist. Damit ergibt sich ein zu ersetzender Betrag von 538,40 EUR inklusive USt.

Rechtssätze
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