JudikaturJustiz3Ob267/00m

3Ob267/00m – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Klaus Gürtler, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen die beklagte Partei Johann T*****, vertreten durch Dr. Lukas Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 350.000 sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 11. Juli 2000, GZ 1 R 302/00v-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 26. Jänner 2000, GZ 2 C 187/99y-19, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

29.367 (darin enthalten S 4.894,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrt Zahlung von S 350.000 sA aus der Zusatzvereinbarung zu einem Pachtvertrag vom 27. 9. 1996 für Ackerland in Ungarn; es handle sich um zu Unrecht zurückbehaltenen Bestandzins.

Das Erstgericht wies die Klage a limine mit Beschluss vom 5. 7. 1999 wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück.

Das Rekursgericht hob mit Beschluss vom 12. 8. 1999 diesen Beschluss auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensfortsetzung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund; es bejahte die Eigenzuständigkeit des Erstgerichtes nach § 49 Abs 2 Z 5 JN; dieses sei örtlich zwar nicht als Gericht der Lage des - im Ausland gelegenen - Bestandgegenstandes, wohl aber als inländischer allgemeiner Gerichtsstand des Beklagten zur Entscheidung berufen (EvBl 1985/140).

Das Erstgericht verwarf in der Folge Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der mangelnden Zuständigkeit, die der Beklagte, der seinen Wohnsitz im Sprengel des Erstgerichtes hat, erhoben hatte, und führte hiezu aus, es sei hinsichtlich der Zuständigkeit an die Entscheidung des Rekursgerichtes vom 12. 8. 1999 gebunden, wonach seine sachliche und örtliche Zuständigkeit gegeben sei. Die inländische Gerichtsbarkeit bestehe für alle Zivilrechtssachen, die etwa durch einen Gerichtsstand vor die inländischen Gerichte verwiesen sind.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss infolge Rekurses des Beklagten dahin ab, dass das Erstgericht zur Verhandlung und Entscheidung mangels internationaler und örtlicher Zuständigkeit für unzuständig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde; es sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es sich aufgrund der Änderungen durch die WGN 1997 von der bisherigen Rechtsprechung zu § 83 Abs 1 JN gelöst habe und sich dafür keine neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes finde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, es handle sich hier um eine Bestandstreitigkeit im Sinn des § 49 Abs 2 Z 5 JN. Jede Klage auf Bezahlung des Bestandzinses gegen den Bestandnehmer löse die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes nach § 49 Abs 2 Z 5 JN aus. Der ausschließliche besondere Gerichtsstand des § 83 JN bestimme nun, dass die in § 49 Abs 2 Z 5 JN bezeichneten Streitigkeiten aus Bestandverträgen über unbewegliche Sachen - wie die vorliegende Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen über das Pachtverhältnis betreffend die ungarische Liegenschaft - vor das Gericht gehören, in dessen Sprengel die Sache liegt.

Nach § 104 Abs 4 JN idF WGNov 1997 könne die inländische Gerichtsbarkeit durch ausdrückliche Vereinbarung oder rügelose Einlassung ua in Rechtssachen nach § 83 JN nicht begründet werden. Diese Regelung könne nur so verstanden werden, dass - im Zusammenhang mit der Anpassung der inländischen Zuständigkeitsordnung an Art 16 EuGVÜ/LGVÜ - der Gesetzgeber ua § 83 JN einen über die Grenzen seiner Gebietshoheit hinausgehenden Sinn beilege: In jenen Fällen, in denen der Gerichtsstand des § 83 JN ein im (nicht EWR/EU )Ausland gelegenes Gericht berufe, solle die internationale Zuständigkeit in Österreich weder durch Parteienvereinbarung noch durch rügelose Einlassung begründbar sein. Der Gesetzgeber wolle § 83 JN nun nicht nur auf Bestandgegenstände auf österreichischem Territorium beschränken, sondern auch ausländische Gerichte, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich ein ausländischer Bestandgegenstand liegt, berufen. Anders wären die Ausschlüsse des § 104 Abs 4 JN nicht mit dem bisherigen Normbestand der JN, insbesondere den §§ 81 und 83 JN, zu harmonisieren.

Diese Überlegung führe nun dazu, dass das Rekursgericht von seiner früheren Auffassung abgehen müsse. Da eine Bestandstreitigkeit im Sinn des § 49 Abs 2 Z 5 JN vorliege und § 83 JN auch dann anwendbar sei, wenn der Bestandgegenstand im Ausland liege, komme die Ausschlusswirkung des ausschließlichen Gerichtsstandes des § 83 JN wieder zum Tragen. Der allgemeine Gerichtsstand werde nach dem immer noch anwendbaren (hier ein Gericht in Ungarn berufenden) § 83 JN ausgeschlossen. Das Erstgericht sei daher international und örtlich unzuständig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist berechtigt.

Bei der vorliegenden Klage, mit der die klagende Partei als Verpächter vom Beklagten als Pächter Bestandzins begehrt, den dieser zu Unrecht zurückbehalten habe, handelt es sich um eine im § 49 Abs 2 Z 5 JN bezeichnete Streitigkeit. Derartige Streitigkeiten gehören gemäß § 83 Abs 1 JN vor das Gericht, in dessen Sprengel die Sache liegt. Es handelt sich hiebei um einen ausschließlichen Gerichtsstand, nicht aber um einen Zwangsgerichtsstand (EvBl 1970/230; Mayr in Rechberger, ZPO**2 Rz 2 zu § 83 JN; Simotta in Fasching, ZPO**2 Rz 5 zu § 83 JN).

Für den hier zu beurteilenden Fall, dass die Bestandsache im Ausland liegt, aber der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten (§ 66 JN) in Österreich begründet ist, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung EvBl 1985/140 ausgesprochen, § 83 Abs 1 JN liege die als selbstverständlich angesehene und daher unerwähnt gebliebene Voraussetzung zugrunde, dass die Bestandsache im Inland liegt, weil der inländische Gesetzgeber eine Zuständigkeitsregelung nur in den Grenzen seiner Gebietshoheit treffen und deshalb nicht ein im Ausland gelegenes Gericht als zuständig berufen könne. Der die örtliche Zuständigkeit bestimmende Gerichtsstand für Bestandstreitigkeiten schließe also den allgemeinen Gerichtsstand nur dann aus, wenn die Bestandsache im Inland liegt. Sei dies nicht der Fall, dann komme § 83 Abs 1 JN gar nicht zur Anwendung und könne dann den allgemeinen Gerichsstand (§ 66 JN) auch nicht ausschließen. Die Mietzinsklage könne vielmehr bei dem Gericht angebracht werden, das durch den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten bestimmt wird.

Art 16 Z 1 lit a EuGVÜ/LGVÜ sieht nunmehr vor, dass für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich zuständig sind. Befindet sich dieser relevante Anknüpfungspunkt in einem Drittstaat (hier in Ungarn), kann Art 16 EuGVÜ/LGVÜ nicht unmittelbar angewendet werden, weil dieser nur die Gerichte der Vertragsstaaten bindet (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Rz 6 zu Art 16). In der Lehre wird darüber hinaus aber eine Reflexwirkung des Art 16 EuGVÜ/LGVÜ zugunsten der Gerichte in Drittstaaten angenommen (Czernich/Tiefenthaler aaO mwN), deren Auswirkung auf die vorliegende Bestandzinsklage zu beurteilen ist.

Andererseits erfordert auch die Änderung des Art 104 JN durch die WGN 1997 eine Prüfung der Frage, ob nach der nunmehrigen Rechtslage die in der Entscheidung EvBl 1985/140 vertretene Rechtsansicht aufrecht erhalten werden kann.

Nach dem durch die WGN 1997 angefügten Abs 4 des § 104 JN kann ua in Rechtssachen nach § 83 JN die "inländische Gerichtsbarkeit" nach § 104 Abs 1 oder 3 JN nicht begründet werden.

Mayr in Rechberger, ZPO**2 Rz 2 zu § 83 JN vertritt nun die Ansicht, seit dieser - durch das Europäische Recht (Art 16 Z 1 lit a EuGVÜ/LGVÜ) veranlassten - Neuerung könne (auch gegenüber Drittstaaten) diese bisherige Rechtsprechung nicht aufrecht erhalten werden.

Auch Simotta (in Fasching, ZPO**2 Rz 5 zu § 83 JN) lehrt, dass § 83 JN nicht zur Anwendung kommt, wenn die Bestandsache nicht im Inland liegt, weil es dann (mangels einer örtlichen Zuständigkeit) an der internationalen Zuständigkeit mangle. Sie nimmt dabei allerdings nicht ausdrücklich auf Art 16 EuGVÜ/LGVÜ Bezug.

Einer derartigen generellen und unterschiedslosen Verneinung der internationalen Zuständigkeit der österreichischen Gerichte in allen Bestandstreitigkeiten kann nicht gefolgt werden. Aus § 104 Abs 4 JN ergibt sich nur, dass die internationale Zuständigkeit in diesen Fällen nicht durch eine Parteienvereinbarung oder durch eine rügelose Einlassung begründet werden kann. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass nunmehr generell - auch für den hier vorliegenden und allein zu beurteilenden Fall der Bestandzinsklage - dann, wenn das Bestandobjekt im Ausland liegt, der allgemeine Gerichtsstand des § 66 JN unanwendbar wäre.

Vor den dargestellten Rechtsänderungen hat Fasching, ZPR**2 (1990) Rz 76 das Vorliegen der "inländischen Gerichtsbarkeit" für eine Mietzinsklage jedenfalls auch dann als gegeben angenommen, wenn die (unbewegliche) Bestandsache zwar im Ausland gelegen ist und § 83 JN soweit nicht angewendet werden kann, aber der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Er hat anderes nur für die Geltendmachung dinglicher Rechte an einer im Ausland gelegenen Liegenschaft in Erwägung gezogen.

Die dargestellten Rechtsänderungen bedingen keine Änderung der Beurteilung des Umfanges der internationalen Zuständigkeit für Bestandzinsklagen. Eine Verneinung der österreichischen internationalen Zuständigkeit würde eine durch nichts gerechtfertigte Beeinträchtigung der Rechte des ausländischen Bestandgebers bedeuten, der eine Geldforderung gegen einen Österreicher in Österreich durchsetzen will und daher die Vollstreckung idR in Österreich durchzuführen hat. Dass eine derartige massive Beeinträchtigung der Rechte des Klägers dem Willen des Gesetzgebers entsprechen würde, kann entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichtes keineswegs gesagt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier ein Urteil, das in dem Land ergeht, in dem die Liegenschaft liegt, in Österreich nicht vollstreckt werden könnte (in diesem Sinn auch Geimer, NJW 1976, 443 und Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht [1997] Rz 13 f zu Art 16 EuGVÜ/LGVÜ; aM anscheinend Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht6 Rz 8 zu Art 16 und Hausmann in Wieczorek/Schütze3 Rz 7 zu Art 16 EuGVÜ, wobei die dort angeführten Beispiele allerdings die - hier nicht gegebene - Geltendmachung dinglicher Rechte zum Gegenstand haben). Es besteht somit keine Veranlassung zu einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung (EvBl 1985/140), dass in einem solchen Fall die internationale Zuständigkeit gegeben ist und der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten (§ 66 JN) die örtliche Zuständigkeit begründet.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Einheitssatz für den Revisionsrekurs beträgt 50 % (§ 23 Abs 4 RATG), Pauschalgebühren sind nicht zu entrichten.