JudikaturJustiz3Ob254/06h

3Ob254/06h – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. November 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zechner, Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Heinz P*****, vertreten durch Mag. Heinz Wolfbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei B*****gmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen 129.272,62 EUR sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. September 2006, GZ 46 R 661/06f-23, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 9. August 2006, GZ 13 E 792/04w-18, ersatzlos aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Dem Betreibenden wurde am 24. Februar 2004 aufgrund eines vollstreckbaren gerichtlichen Vergleichs vom 27. Mai 2003 zur Hereinbringung von 129.272,62 EUR sA die Fahrnisexekution bewilligt. Am 1. März 2006 langte beim Erstgericht ein an den Rechtspfleger gerichtetes Schreiben des Rechtsvertreters der verpflichteten Partei ein. Dem Schreiben war ein an das Bezirksgericht Leopoldstadt gerichteter Aufschiebungsantrag des Verpflichteten angeschlossen, aus dem hervorgeht, dass das bei diesem Gericht anhängige Exekutionsverfahren (Parallelverfahren) aufgrund desselben Exekutionstitels wegen einer beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien von der verpflichteten Partei eingebrachten Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs aufgeschoben werden möge. Dazu teilte der Rechtsvertreter der verpflichteten Partei dem Rechtspfleger nun folgendes mit:

„Im Falle, die Exekution, die Herr ... [Betreibender] offenbar auch in Hernals beantragt hat, bewilligt werden würde, müsste man auch dieses Gesuch direkt beim BG Hernals einbringen".

Der Rechtspfleger des Erstgerichts, der schon die Fahrnisexekution bewilligt hatte (ON 2), schob am 9. August 2006 die Exekution gegen eine Sicherheitsleistung von 4.000 EUR auf.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betreibenden Folge, hob den Aufschiebungsbeschluss ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Exekutionsverfahrens auf. Die eingebrachte Klage bilde den Aufschiebungsgrund gemäß § 42 Abs 1 Z 1 EO. Eine Aufschiebung des Exekutionsverfahrens setze aber einen Antrag voraus. Die amtswegige Verfügung der Aufschiebung sei - mit Ausnahme des hier nicht vorliegenden Falls des § 42 Abs 2 EO - unzulässig. Hier habe der Verpflichtete keinen Aufschiebungsantrag gestellt. Aus dem Begleitschreiben zum übermittelten Aufschiebungsantrag, der an das andere Gericht gerichtet gewesen sei, ergebe sich lediglich, dass die Stellung eines Aufschiebungsantrags in Aussicht genommen werde. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die verpflichtete Partei die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels Beschwer der Rechtsmittelwerberin unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurswerberin steht auf dem Standpunkt, das Rekursgericht hätte den Aufschiebungsbeschluss nicht beseitigen dürfen, weil der Betreibende in seinem Rekurs das Fehlen eines Aufschiebungsantrags nicht releviert habe.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ansicht im Hinblick auf die in stRsp zu § 405 ZPO (gerichtliche Entscheidung ohne Antrag) vertretene Rügepflicht (RIS-Justiz RS0041240, zuletzt 3 Ob 292/05w) zutrifft oder ob das Rekursgericht wegen der vom Betreibenden erhobenen Rechtsrüge den Sachverhalt nach allen Richtungen zu prüfen hatte (RIS-Justiz RS0043870, RS0043902, RS0043352). Durch die ersatzlose Aufhebung des Aufschiebungsbeschlusses kann sich aber die Revisionsrekurswerberin jedenfalls nicht für beschwert erachten, weil der vom Rechtspfleger gefasste erstinstanzliche Beschluss vom Rekursgericht von Amts wegen für nichtig zu erklären gewesen wäre. Zur Entscheidung über einen mit der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Exekutionstitels (des Vergleichs) begründeten Aufschiebungsantrag aus dem Grund des § 42 Abs 1 Z 1 EO (dazu Jakusch in Angst, EO § 42 Rz 36 mwN) war der Rechtspfleger zufolge § 17 Abs 2 Z 4 RpflG nicht zuständig. Die Überschreitung der gesetzlichen Entscheidungsgewalt begründete die Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (RIS-Justiz RS0007476; RS0007465). Dies hätte das Rekursgericht von Amts wegen wahrzunehmen und den erstinstanzlichen Beschluss als nichtig iSd § 477 Abs 1 Z 2 ZPO iVm § 78 EO aufzuheben gehabt. Dadurch, dass der erstinstanzliche Beschluss (nur) wegen eines Verfahrensfehlers ersatzlos behoben wurde, kann sich die Rekurswerberin nicht für beschwert erachten. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses setzt auch im Exekutionsverfahren eine zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch bestehende Beschwer voraus.

Den im Rechtsmittel relevierten Rechtsfragen kommt nur hypothetische Bedeutung zu.

Rechtssätze
1
  • RS0007465OGH Rechtssatz

    28. Februar 2023·3 Entscheidungen

    Nach ständiger Rechtsprechung des OGH leidet ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger durchgeführt wurde, an einer Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO. Ein solcher Beschluss ist daher im Falle seiner Anfechtung aufzuheben. Die Nichtigkeit ist, auch wenn sie im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens wahrzunehmen. Entscheidungen des Rechtspfleger sind aber auch dann, wenn sie wegen Überschreitung der Entscheidungsbefugnis des Rechtspflegers nichtig sind, keineswegs wie "Nichturteile" ("Nichtbeschlüsse") rechtsunwirksam. Auch ein vom Rechtspfleger in Überschreitung seiner Kompetenz erlassener Beschluss ist daher der formellen Rechtskraft fähig und erwächst, wenn er nicht oder bloß mit einem unzulässigen Rechtsmittel angefochten wird, in Rechtskraft. In einem solchen Fall liegt nach Ablauf seiner Anfechtungsfrist ein rechtskräftiger Beschluss des Gerichtes vor, als dessen Organ der Rechtspfleger tätig geworden war. Wenn mit dieser Beschlussfassung das Verfahren abgeschlossen ist, ist auch die amtswegige Wahrnehmung der dem Beschluss anhaftenden Nichtigkeit - abgesehen vom Fall des § 42 Abs 2 JN - ausgeschlossen. Es kann sich daher auch von diesen Zeitpunkt an niemand auf die Nichtigkeit dieses Beschlusses berufen.