JudikaturJustiz3Ob24/97v

3Ob24/97v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei G*****bank AG, ***** vertreten durch Dr.Helmut Klement und Dr.Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wider die verpflichtete Partei Josef P*****, vertreten durch seine Sachwalterin Mag.Renate T*****, Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, ***** diese vertreten durch Dr.Thomas Stampfer und Dr.Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 93.449,54 sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 15.November 1996, GZ 2 R 561/96s-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 20.September 1996, GZ 8 E 4667/91-23, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Gemäß § 292 k Abs 1 Z 2 EO wird festgestellt, daß der gesamte Pensionsbezug des Verpflichteten (und nicht nur der vom Forderungsübergang nach § 324 Abs 3 ASVG nicht erfaßte Teil) der Berechnung des Existenzminimums (des unpfändbaren Freibetrages) zugrundezulegen ist."

Die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.114,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Exekutionskosten.

Text

Begründung:

Nach mehreren vergeblichen Anfragen teilte der Hauptverband der Sozialversicherungsträger mit, daß der Verpflichtete von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine Pension beziehe. Der Beschluß über die Pfändung und Überweisung des Pensionseinkommens wurde dem Drittschuldner am 11.7.1991 zugestellt. Der Verpflichtete befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit Mai 1991 auf Kosten des zuständigen Sozialhilfeträgers in einem Betreuungsheim. Der zuständige Sozialhilfeträger wies den Drittschuldner schon im Mai 1991 auf die eingetretene Legalzession nach § 324 Abs 3 ASVG hin.

Der durch seinen Sachwalter vertretene Verpflichtete stellte am 18.7.1996 den Antrag "auf Feststellung nach dem nunmehr geltenden Freibetrag im Rahmen einer Pensionspfändung auf Grundlage vorhandener Exekutionstitel." Ersucht wurde, mittels Beschlußfassung den 20 %igen Pensionsanteil für den Betroffenen sicherzustellen. Dazu brachte der Verpflichtete vor, als Restkostenträger für die Unterbringung des Betroffenen in der Anstalt komme die Rechtsabteilung 9 der Steiermärkischen Landesregierung auf. Zur teilweisen Abdeckung der angelaufenen Kosten werden aufgrund einer Legalzession 80 % der Pension des Betroffenen, das seien S 7.223,60 zugunsten der Rechtsabteilung 9 durch die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter zum Abzug gebracht. Von den verbleibenden 20 %, das seien monatlich S 1.806,--, werden aufgrund gültiger Exekutionstitel weitere monatlich S 806,-- an die Gläubiger abgeführt.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.

Das Rekursgericht änderte über Beschluß des Verpflichteten diesen Beschluß dahin ab, daß der verpflichteten Partei der nach § 324 Abs 3 ASVG nicht vom Forderungsübergang erfaßte Teil ihres Pensionseinkommens pfändungsfrei zustehe, solange dieser Teil den unpfändbaren Freibetrag nach § 291 a EO nicht übersteige. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Der vom Verpflichteten gestellte Antrag sei im Sinn des § 292 k EO zu verstehen. Die Berechnung der pfändbaren bzw unpfändbaren Teile der in Zwangsvollstreckung gezogenen Forderung werde als strittig angesehen und diese Frage an das Gericht herangetragen. Das auf Erhöhung der unpfändbaren Beträge (§ 292 a EO) gerichtete Eventualbegehren sei jedenfalls ungerechtfertigt. Der von der betreibenden Partei im Juli 1991 erworbene Pfandrang liege zeitig nach der Wirkung der Legalzession gemäß § 324 Abs 3 ASVG. Gehe aber kraft Legalzession nach § 324 Abs 3 ASVG ein Teil des Pensionsanspruches bis zur Höhe der Verpflegskosten höchstens aber 80 % auf den Sozialhilfeträger über, dann stehe dem Pensionsberechtigten überhaupt nur mehr der nicht vom Forderungsübergang erfaßte Teil seines Anspruchs zu. Komme es nach dieser Legalzession an den Sozialhilfeträger zu einer Pfändung, könne der Gläubiger nur mehr auf den vom Forderungsübergang nicht erfaßten Teil der Pension greifen und diesen Teil nur insoweit pfänden, als er über dem unpfändbaren Freibetrag (§ 291 a EO) liege. Damit zeige der Verpflichtete im Ergebnis zutreffend einen Fehler bei der Berechnung des pfändbaren bzw unpfändbaren Teils der gepfändeten Forderung auf, worüber das Gericht nach § 292 k EO zu entscheiden hatte.

Der betreibende Gläubiger stellte im Revisionsrekursverfahren folgende Anträge: "Der Oberste Gerichtshof wolle in Stattgebung dieses ordentlichen Revisionsrekurses den angefochtenen Beschluß dahin abändern, daß der von der verpflichteten Partei bzw ihrer Sachwalterin gestellte Antrag auf ungekürzte Auszahlung des vom Forderungsübergang nicht umfaßten Teiles der Pension (20 % derselben) abgewiesen werde; in eventu, daß der angefochtene Beschluß dahingehend abgeändert wird, daß jener Teil des Pensionseinkommens der verpflichteten Partei, welcher nach § 324 Abs 3 ASVG nicht auf den Sozialhilfeträger übergegangen ist, der betreibenden Partei zur Befriedigung zusteht."

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des gestellten Eventualantrages teilweise berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die verpflichtete Partei die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die in den Anträgen ganz allgemein gehaltenen Formulierungen seien ungeeignet, ein Begehren auf Erhöhung des unpfändbaren Freibetrages nach § 292 a EO zu rechtfertigen, nicht bekämpfte. Es ist daher über Revisionsrekurs des betreibenden Gläubigers nur mehr zu prüfen, ob die vom Rekursgericht nach § 292 k Abs 1 Z 2 EO getroffene Entscheidung zutreffend ist.

Nach dem vorliegenden Sachverhalt ist der Verpflichtete seit Mai 1991 auf Grundlage des § 13 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz LGBl 1977/1 in einem Heim untergebracht; darauf wurde der Drittschuldner (die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter) vom zuständigen Sozialhilfeträger schon im selben Monat unter Bezugnahme auf § 324 Abs 3 ASVG hingewiesen. Der Pfandrang der betreibenden Partei liegt zeitlich später nämlich am 11.7.1971.

Wird ein Pensionsberechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe in einem (hier:) Pflegeheim verpflegt, so geht für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Pension bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 % auf den Träger der Sozialhilfe über. Unstrittig ist, daß im konkreten Fall die Pflegekosten höher als 80 % der Pension des Verpflichteten sind. Die zeitlich kongruenten Ansprüche unterliegen nach allgemeiner Ansicht der Legalzession (SSV-NF 4/89; EvBl 1983/139; ZAS 1984/8 und Slg 31.793 [beide OLG Wien]; Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht 538; Selb in Tomandl, System des Österreichischen Sozialversicherungsrecht 5.2.1.1.2.; Teschner/Widlar MGA 39 a Anm 9a und 11 zu § 324 ASVG).

Gemäß § 1 Abs 2 lit a des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes umfaßt die Sozialhilfe die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes; zum Lebensbedarf gehört unter anderem der Lebensunterhalt (§ 7 Abs 1 lit a des Gesetzes). Der Lebensunterhalt umfaßt den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens insbesondere für Nahrung, Unterkunft, Hausrat, Beheizung, Bekleidung und andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch angemessene Pflege der Beziehungen zur Umwelt und eine angemessene Teilnahme am kulturellen Leben gehören (§ 8 Abs 1 des Gesetzes). Es gehört zum Lebensbedarf weiters jene Pflege, die erforderlich wird, wenn aufgrund des körperlichen oder geistigen-seelischen Zustandes die Fähigkeit fehlt, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen (§ 9 Abs 1 des Gesetzes). Nach § 13 des Gesetzes kann der ausreichende Lebensbedarf mit Zustimmung des Hilfeempfängers (seines gesetzlichen Vertreters) durch Unterbringung in geeigneten Anstalten oder Heimen gesichert werden. Soweit der Lebensbedarf durch die Unterbringung in einer Anstalt oder einem Heim gewährt wird, gebührt dem Hilfeempfänger insbesondere zur Sicherung des Aufwandes für persönliche Bedürfnisse ein Taschengeld. Das Taschengeld darf 20 vH des Richtsatzes für den Alleinunterstützten nicht überschreiten. Das Taschengeld gebührt in den Monaten Juni und November in zweifacher Höhe.

Nach § 290 a Abs 1 Z 4 EO dürfen Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung nur nach Maßgabe der §§ 291 a oder 292 b EO gepfändet werden. Die dort enthaltenen Vorschriften über das "Existenzminimum" sollen sicherstellen, daß dem Verpflichteten ein sogenannter Sockelbetrag (allgemeiner Grundbetrag) auf jeden Fall zu verbleiben hat, und vom darüber hinausgehenden Betrag zwecks Schaffung eines Leistungsanreizes nur gewisse Anteile, die den Grundbetrag übersteigen, pfändbar sein sollen (RV 181 BlgNR 17. GP NR). Diese Regelung will die nötigen Subsistenzmittel des Schuldners erhalten und untragbare soziale Härten vermeiden.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, zeigt sich, daß die Gewährung von Hilfe zur Sicherstellung des Lebensbedarfes durch Unterbringung in einem Heim und die darauf beruhende Legalzession gerade jene existenznotwendigen Bedürfnisse decken will, für die dem Verpflichteten das sogenannte Existenzminimum verbleiben soll. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes würde daher dazu führen, neben der durch die 80 %ige Legalzession bewirkten Deckung existenzwichtiger Bedürfnisse dem Verpflichteten, würden die verbleibenden 20 % als alleiniges Einkommen gewertet werden, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, obwohl durch die Sozialhilfe bereits der Lebensbedarf zur Gänze gedeckt ist. Wirtschaftlich würde dies bedeuten, daß dem Verpflichteten das Existenzminimum zweimal gewährt würde. Eine ähnliche Ansicht vertrat soweit ersichtlich bisher nur Selb in ZAS 1984, 36 f allerdings in einem Fall, in dem die Pensionspfändung zeitlich vor der Legalzession nach § 324 Abs 3 ASVG lag. Selb führte aus, daß der Freibetrag nach § 324 Abs 3 ASVG dem Pensionisten ermöglichen solle, auch andere als die ohnehin durch die Unterbringung in einer Einrichtung des Sozialhilfeträgers abgedeckten Bedürfnisse zu befriedigen. Gerade das würde aber unmöglich gemacht, hielte man diesen Freibetrag von 20 % für in dem vorrangig gepfändeten Teil der Pensionsforderung untergebracht. Die weitere Bezugsstelle des Rekursgerichtes (EvBl 1983/139, in diese Richtung offenbar OLG Wien SVSlg 31.793) betraf ein obiter dictum, auf dessen Überlegung es, wie der Oberste Gerichtshof selbst ausführte, nicht mehr ankäme.

Der Oberste Gerichtshof übersieht nicht, daß neben dem Naturalunterhalt, der durch den Sozialhilfeträger dem Unterstützten gewährt wird, noch kleinere persönliche Bedürfnisse des Unterstützten verbleiben, die er nach seiner Wahl mit barem Geld decken sollte. Gerade § 13 Abs 2 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes sieht aber vor, daß der in einer Anstalt Untergebrachte für diese Zwecke einen Anspruch auf Taschengeld hat (siehe etwa auch § 6 der Wiener Richtsatzverordnung S 60-020 und § 8 der oö Sozialhilfeverordnung LGBl 1992/100). Es sind daher auch diese gewiß zur Wahrung der Menschenwürde erforderlichen notwendigen kleinen Barbeträge durch den Sozialhilfeträger gedeckt, sodaß auch aus diesem Grund eine teleologische Reduktion der Vorschriften über die Pfändungsfreigrenzen bei Unterbringung in einer Anstalt auf Kosten des Sozialhilfeträgers nicht erforderlich erscheint.

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist daher teilweise Folge zu geben. Weder ist auszusprechen, daß der vom Forderungsübergang nicht umfaßte Teil zur Gänze dem Verpflichteten noch der betreibenden Partei (Grund ihres Pfandranges) zusteht, sondern nur, daß den Vorschriften über das Existenzminimum die gesamte Pension und nicht nur der 20 %ige von der Legalzession nicht betroffene Teil zugrundezulegen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revsionsrekursverfahrens gründet sich, da es sich um ein einseitiges Rechtsmittel handelte, auf §§ 41, 50 ZPO, § 78 EO. Im Exekutionsverfahren ist eine Pauschalgebühr nur bei der Antragstellung zu entrichten.