JudikaturJustiz3Ob23/22m

3Ob23/22m – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. März 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. *, vertreten durch Prutsch Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Priv. Doz. Dr. *, vertreten durch Fassl Haase, Rechtsanwälte in Graz, wegen (richtig) 58.714,34 EUR, infolge der „außerordentlichen Revision“ der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 4. Jänner 2022, GZ 3 R 198/21g 35, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt mit dem – im Prozess substantiierten – Vorbringen, seine Ehegattin sei wegen dem Beklagten, einem Arzt, zur Last gefallenen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern an Krebs gestorben und er sei ihr Erbe, ein Schmerzengeld in der Höhe von 30.000 EUR, ein Trauerschmerzengeld in der Höhe von 20.000 EUR, für Todfallskosten 8.614,34 EUR (Bestattung, Kronen-Zeitung, Traueranzug, Grabgebühr, Trauerschmaus) und für pauschale Unkosten 100 EUR, insgesamt somit 58.714,34 EUR.

[2] Die Vorinstanzen wiesen die Klage übereinstimmend ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

[3] Das Erstgericht legte das gegen das Berufungsurteil erhobene, als „außerordentliche Revision“ bezeichnete Rechtsmittel des Klägers samt den Prozessakten dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vor.

Rechtliche Beurteilung

[4] Diese Vorlage steht mit der Rechtslage nicht im Einklang.

[5] Eine – dem Obersten Gerichtshof nach § 507b Abs 3 ZPO unmittelbar vorzulegende – außerordentliche Revision kann nach § 505 Abs 4 ZPO nur erhoben werden, wenn das Berufungsgericht im Berufungsurteil ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist, und entweder eine Streitigkeit nach § 502 Abs 5 ZPO vorliegt oder eine Streitigkeit, in welcher der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt.

[6] Hier liegt weder eine Streitigkeit iSd § 502 Abs 5 ZPO vor noch übersteigt aus folgenden Gründen der Entscheidungsgegenstand iSd § 505 Abs 4 ZPO insgesamt 30.000 EUR:

[7] Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RS0053096).

[8] Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die im Erbweg auf sie übergegangenen Ansprüche der Erben mit jenen, die gemäß § 1327 ABGB auf den Ersatz von Todfallskosten gerichtet sind, mangels rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs nicht nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen. Während die im Erbweg übergegangenen Ansprüche als solche des Verstorbenen bereits zu dessen Lebzeiten entstanden sind, entsteht der Anspruch auf Ersatz der Todfallskosten aus Anlass des Todes originär denjenigen, die sie zu tragen verpflichtet sind oder sie tatsächlich getragen haben (8 Ob 268/81 = RS0046458 [T2] = RS0035615 [T13]; 2 Ob 32/21a [Rz 17] mwN; Gitschthaler in Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze 3 I § 55 JN Rz 21/2).

[9] Dasselbe gilt auch für den Anspruch auf Trauerschmerzengeld bei Tötung eines Angehörigen; auch dieser entsteht aus Anlass des Todes dem Angehörigen originär.

[10] Zu den von ihm begehrten Ersatz in Höhe von 100 EUR brachte der Kläger vor, er habe den begehrten Betrag für Telefonate und Wege „im Zusammenhang mit der gegenständlichen Fehlbehandlung“ zu tragen gehabt. Dies lässt offen, ob es sich um Heilungs (besuchs )kosten iSd § 1325 ABGB handelt (vgl Danzl in KBB 6 § 1325 Rz 6 mwN), oder um (sonstige, pauschale) Todfallskosten iSd § 1327 ABGB (vgl Danzl in KBB 6 § 1325 Rz 6 mwN). § 55 Abs 1 JN über die Zusammenrechnung von Ansprüchen unter bestimmten Voraussetzungen ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen. Daher scheidet eine Zusammenrechnung im Zweifel aus (RS0122950; Gitschthaler in Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze 3 I § 55 JN Rz 2). Ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang der begehrten pauschalen Unkosten mit dem vom Kläger als Erben seiner Ehegattin geltend gemachten Schmerzengeld ist im Zweifel nicht anzunehmen.

[11] Mangels Zusammenrechenbarkeit des begehrten Schmerzengeldes von 30.000 EUR mit den übrigen geltend gemachten Ansprüchen ist im vorliegenden Streitwertbereich von über 5.000 EUR, nicht aber über 30.000 EUR eine außerordentliche Revision nicht zulässig (§ 505 Abs 4 ZPO). Vielmehr ist hier im Weg des Abänderungsantrags nach § 508 ZPO sowie einer damit verbundenen ordentlichen Revision beim Berufungsgericht Abhilfe zu suchen. Das Rechtsmittel des Klägers ist ungeachtet seiner Bezeichnung als „außerordentliche Revision“ grundsätzlich dem Berufungsgericht zur Entscheidung vorzulegen (vgl RS0109620; RS0109623) und der Akt hiefür dem Erstgericht zurückzustellen. Ob der Rechtsmittelschriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (vgl RS0209623 [T2, T4, T5, T8, T14]; RS0109620 [T2, T4, T5, T10]).