JudikaturJustiz3Ob2196/96d

3Ob2196/96d – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei O***** GenmbH, ***** vertreten durch Dr.Philipp Gruber und Dr.Bruno Pedevilla, Rechtsanwälte in Lienz, wider die verpflichtete Partei Eleonore S*****, vertreten durch Dr.Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 833.599,27 sA, infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 12.März 1996, GZ 1 R 28/96s, 29/96k, 30/96p-113, womit die Rekurse der verpflichteten Partei gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Lienz vom 15.Dezember 1995, GZ E 2954/93t-99, und vom 22.Dezember 1995, GZ E 2954/93t-103, zurückgewiesen wurden, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Die Liegenschaft EZ 71 Grundbuch ***** wurde dem Bestbieter Klaus K***** um das Meistbot von S 5,800.000,-- mit Beschluß vom 17.8.1994 unter dem Vorbehalt des § 19 Abs 1 TirGVG zugeschlagen.

Die Bezirkshauptmannschaft Lienz als Grundverkehrsbehörde versagte mit Bescheid vom 18.11.1994 diesem Rechtserwerb die Zustimmung. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung wies mit Bescheid vom 12.6.1995 die vom Ersteher dagegen erhobene Berufung als unbegründet zurück.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27.7.1995, B 2094/95-6, wurde dem Antrag des Erstehers, seiner Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 85 Abs 2 VfGG Folge gegeben, weil dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 15.12.1995 (ON 99) die Anträge der Verpflichteten, den Ersteher Klaus K***** als - mit Beschluß vom 19.10.1995 (ON 83) rechtskräftig ernannten - einstweiligen Verwalter zu entheben und an dessen Stelle jemand als Verwalter zu bestimmen, der vor Ort ansässig ist, ihr das (versteigerte) Objekt D*****, G***** Nr. 24, zur Wohnungsnahme zu überlassen und auf Ausfolgung eines Zentralschlüssels für das (versteigerte) Objekt durch den einstweiligen Verwalter ab. Zur Zulässigkeit dieser Anträge im Sinn des iSd § 108 EO führte das Erstgericht aus, die verpflichtete Partei habe zwar durch die Zuschlagserteilung ihr Eigentum an der versteigerten Liegenschaft verloren. Sie gehöre auch nicht zu dem iSd § 158 EO antragslegitimierten Personenkreis. Gemäß § 159 EO seien aber mit den dort angeführten Abweichungen die Vorschriften über die Zwangsverwaltung anzuwenden, wobei § 108 EO in den angeführten Abweichungen nicht enthalten sei. Grundsätzlich sei der einstweilige Verwalter vom Exekutionsgericht zu bestellen, das dabei auf die Bestimmungen der §§ 106 bis 108, 159 Z 1 EO Bedacht zu nehmen habe. Die Bestellung des Erstehers Klaus K***** zum einstweiligen Verwalter sei jedoch nicht durch das Exekutionsgericht, sondern durch das Landesgericht Innsbruck als Rekursgericht ohne vorherige Einvernehmung der in § 108 Abs 2 EO angeführten Personen, zu denen auch die verpflichtete Partei zähle, erfolgt. Dieser könne unabhängig vom Umstand, daß sie durch die Zuschlagserteilung das Eigentumsrecht (wenngleich auflösend bedingt) verloren habe, ein rechtliches Interesse daran, daß ein geeigneter Verwalter bestellt werde, nicht abgesprochen werden. Theoretisch sei nämlich immer noch jener Fall denkbar, daß dem Ersteher die grundverkehrsbehördliche Genehmigung letztendlich auch nach Anrufung des Verfassungsgerichtshofes versagt bleibe und es sodann zur Einstellung des Versteigerungsverfahrens kommen könnte.

Mit Beschluß vom 22.12.1995 (ON 103) wies das Erstgericht weiters den Antrag der verpflichteten Partei ab, dem einstweiligen Verwalter das Übernachten in den Räumlichkeiten des versteigerten Objektes zu untersagen.

Das Rekursgericht wies die gegen diese Beschlüsse erhobenen Rekurse der verpflichteten Partei zurück und sprach aus, daß der "Revisionsrekurs" zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Stellung des Verpflichteten im Zwangsversteigerungsverfahren im Stadium der einstweiligen Verwaltung der Liegenschaft nach Zuschlagserteilung fehle. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsansicht, durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 85 Abs 3 VfGG durch den Verfassungsgerichtshof könne der bekämpfte Bescheid der Grundverkehrsbehörde vorläufig keine Rechtswirkungen hervorrufen. Es hätten daher alle Maßnahmen zu unterbleiben, die der Verwirklichung des Bescheides im weiteren Sinn dienen und die der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerde vorgreifen würden. Nicht nur die belangte Behörde, sondern alle Behörden, somit auch die Gerichte, hätten den vorläufigen Nichteintritt der jeweils mit dem Bescheid verbundenen Rechtwirkungen zu beachten. Die Behörden hätten die Rechtslage so zu beurteilen, als wäre der angefochtene Bescheid nicht ergangen. Die Bestimmung des § 85 VfGG gelte auch für den gerichtlichen Exekutionsvollzug. Mit der Erteilung des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren an den Meistbietenden habe aber dieser die Rechtsstellung eines Erstehers erlangt. Er erwerbe damit - dreifach auflösend bedingt - das Eigentum an der Liegenschaft; mit der Zuschlagserteilung gingen die mit der Liegenschaft verbundenen Gefahren und Lasten auf den Ersteher über, dem ab diesem Zeitpunkt auch alle Früchte der Liegenschaft gebührten (§ 156 Abs 1 EO). Der Zuschlag stelle somit einen konstitutiven Hoheitsakt dar, der das Eigentum an der versteigerten Liegenschaft dem bisherigen Eigentümer - hier der Verpflichteten - nehme und dem Ersteher gebe. Davon sei auch hier auszugehen, weil derzeit auch nicht eine der drei auflösenden Bedingungen für den Eigentumserwerb des Erstehers aufgrund der vom Verfassungsgerichtshof nach § 85 VfGG zuerkannten aufschiebenden Wirkung als eingetreten anzusehen sei. In diesem Stadium nach Erteilung des Zuschlags scheide die Verpflichtete nun aber grundsätzlich aus dem die einstweilige Verwaltung der Liegenschaft betreffenden Verfahren aus. Die Bestimmungen über die Zwangsverwaltung, die von Rechten der Verpflichteten handeln, entfielen im Verfahren über die einstweilige Verwaltung und könnten sinngemäß nur auf den Ersteher Anwendung finden (Heller/Berger/Stix 1264).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Verpflichteten gegen diesen Beschluß ist berechtigt.

Auf die einstweilige Verwaltung der zur Versteigerung gelangten, dem Ersteher noch nicht übergebenen Liegenschaft (§ 158 EO) sind die Vorschriften über die Zwangsverwaltung (§§ 97 bis 132 EO) mit den in § 159 EO normierten Abweichungen anzuwenden. Die Antrags- und Rekurslegitimation des Verpflichteten im Rahmen der einstweiligen Verwaltung ist nicht besonders geregelt.

Ob dem Verpflichteten nach Zuschlagserteilung und Anordnung der einstweiligen Verwaltung die Vorschrift des § 105 EO zugute kommt, ist umstritten (bejahend: GlUNF 2163; Heller/Berger/Stix 1268;

verneinend: GlUNF 1398; Walker, Exekutionsrecht4 219;

Neumann/Lichtblau3 563; eher offen lassend Pollak, Zivilprozeßrecht2 990, der aber in FN 160 die Entscheidung GlUNF 1398 als hart für den Verpflichteten bezeichnet). Im vorliegenden Fall ist jedoch § 19 Abs 1 TirGVG, LGBl 1993/82, wesentlich, wonach das Exekutionsgericht den Zuschlag unter dem Vorbehalt zu erteilen hat, daß er erst mit der Feststellung, daß eine grundverkehrsrechtliche Genehmigung nicht erforderlich ist, oder mit der Erteilung der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung oder mit dem Vorliegen der von der Grundverkehrsbehörde bestätigten Erklärung nach § 10 Abs 2 leg.cit. rechtswirksam wird. Da der Zuschlag hier noch nicht rechtswirksam wurde, ist der auflösend bedingte Eigentumserwerb des Erstehers (vgl Steiner in JBl 1996, 413 ff) noch gar nicht eingetreten. Die Verpfichtete ist somit infolge des noch nicht rechtswirksamen Zuschlags noch auflösend bedingt Eigentümerin; ihr kommt somit im Rahmen der (rechtskräftig angeordneten) einstweiligen Verwaltung Parteienstellung zu.

Das Rekursgericht hat daher zu Unrecht die Rekurslegitimation der Verpflichteten verneint; es wird über deren Rekurs zu entscheiden haben.