JudikaturJustiz3Ob215/11f

3Ob215/11f – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wien 5, Wiedner Hauptstraße 84 86, vertreten durch Bachmann Bachmann Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei M*****, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 11.483,36 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 7. Oktober 2011, GZ 7 R 96/11i-19, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 13. Juli 2011, GZ 3 E 2874/11g 11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 26. November 2008, AZ *****, wurde über das Vermögen des Verpflichteten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 17. März 2010 bestätigte das Erstgericht den Zahlungsplan, der zur Erfüllung einer Quote von 16 % in 14 halbjährlich zu leistenden Raten bis 15. März 2017 zu erfüllen ist. Das Schuldenregulierungsverfahren wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 13. April 2010 aufgehoben.

Aufgrund des dem Exekutionsantrag angeschlossenen Rückstandsausweises vom 27. Mai 2011 über einen Betrag von 11.483,36 EUR sA („Rückstand im 1. Quartal 2011“) bewilligte das Erstgericht der betreibenden Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (im Folgenden: SVA) am 3. Juni 2011 zur Hereinbringung des Betrags von 11.483,36 EUR sA die Forderungsexekution gegen den Verpflichteten.

Am 21. Juni 2011 beantragte der Verpflichtete die Einstellung der Exekution und erhob hilfsweise gegen die Exekutionsbewilligung Rekurs (ON 3). Der der Exekution zugrunde liegende Exekutionstitel (Rückstandsausweis vom 27. Mai 2011) beziehe sich auf eine Forderung der SVA, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei. Die SVA habe ihre Forderung nicht im Konkurs angemeldet, weshalb im Zahlungsplan keine Leistungen auf die nun betriebene Forderung vorgesehen seien. Sie habe es verabsäumt, einen Antrag gemäß § 197 Abs 2 IO zu stellen und erfülle daher nicht die Voraussetzungen des § 197 Abs 3 IO. Die Einkommenslage des Verpflichteten habe sich seit Bestätigung des Zahlungsplans nicht verändert, weshalb die Erbringung zusätzlicher Zahlungen weder zumutbar noch möglich sei.

In ihrer Äußerung (ON 6) sprach sich die SVA gegen die Einstellung der Exekution aus: Die betriebene Forderung sei erst mit 13. Jänner 2010, also während des laufenden Schuldenregulierungsverfahrens entstanden, nämlich durch Erlassung der für das Entstehen der Beitragspflicht nach dem GSVG maßgeblichen Einkommensteuerbescheide des zuständigen Finanzamts. Dies habe zur Konsequenz, dass keine Insolvenzforderung nach § 51 Abs 1 IO vorliege, hinsichtlich der die Exekutionsführung eine Beschlussfassung nach § 197 Abs 2 IO voraussetze. Vielmehr sei die betriebene Forderung eine Masseforderung iSd § 46 Z 2 IO, deren exekutiver Betreibung kein Hindernis entgegenstehe.

Am 8. Juli 2011 legte die SVA dem Gericht einen Bescheid vom 6. Juli 2011 vor, in dem festgestellt wurde, dass der Verpflichtete für den Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2006 folgende rückständige Sozialversicherungsbeiträge nach dem GSVG samt Nebengebühren und Verzugszinsen schuldet:

Krankenversicherung 2.599,42 EUR

Pensionsversicherung 8.883,94 EUR

Zwischensumme 11.483,36 EUR

Beitragszuschlag vom 1. 1. 2004 bis

28. 2. 2006 887,82 EUR

Mahngebühren 1,00 EUR

Nebengebühren 63,25 EUR

Verzugszinsen bis 20. 6. 2011 450,82 EUR

Summe 12.886,25 EUR.

In der Begründung des Bescheids wird ausgeführt, dass der Beitragsschuldner der SVA mit Schreiben vom 1. Jänner 2001 bekannt gegeben habe, als „Gelegenheits Versicherungsvermittler für diverse Produkt- und Auftraggeber“ tätig zu sein, mangels entsprechender Einkünfte aber die maßgebliche Versicherungsgrenze nach § 4 Abs 1 Z 6 GSVG („kleine Versicherungsgrenze“ bei gleichzeitig ausgeübter unselbständiger Erwerbstätigkeit) nicht zu überschreiten. Aufgrund dieser Erklärung sei keine Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG erfolgt. Mit 8. März 2006 habe der Verpflichtete die Gewerbeberechtigung „Versicherungsvermittlung in Form Versicherungsagent“ erworben, die er mit 9. Oktober 2006 ruhend gemeldet habe. Auch ab 8. März 2006 sei der Verpflichtete aus der Pflichtversicherung vorläufig ausgenommen geblieben, weil er über einen Antrag nach § 4 Abs 1 Z 7 GSVG bloß geringfügige Einkünfte und Umsätze glaubhaft gemacht habe. In dem am 26. November 2008 eröffneten Schuldenregulierungsverfahren habe die SVA mangels aufrechter Beitragsforderung keine Forderung anmelden können. Am 12. März 2010 seien der SVA für den Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2010 nachstehende versicherungspflichtige Einkünfte im Wege des automationsunterstützten Datenaustausches mit der Finanzverwaltung übermittelt worden:

Einkommensteuerbescheid 2004 vom 13. Jänner 2010: Einkünfte aus Gewerbebetrieb 36.499,75 EUR

Einkommensteuerbescheid 2005 vom 13. Jänner 2010: Einkünfte aus Gewerbebetrieb 11.345,86 EUR

Einkommensteuerbescheid 2006 vom 13. Jänner 2010: Einkünfte aus Gewerbebetrieb 11.194,14 EUR.

Daraufhin sei der Verpflichtete mit Schreiben vom 28. April 2010 in die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung im Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2006 einbezogen worden. Die Pflichtversicherungsbeiträge samt Nebengebühren und Verzugszinsen seien vorgeschrieben und eingemahnt worden. Die Beitragsforderung aus dem Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2006, die mit 13. Jänner 2010 entstanden sei, hafte zur Gänze unberichtigt aus.

Laut dem Vorbringen der SVA im Revisionsrekurs ist das die vorgeschriebenen Beiträge betreffende Verwaltungsverfahren beim Landeshauptmann von Burgenland anhängig; offenbar in diesem Zusammenhang und nicht wegen einer Zahlungsvereinbarung wurde das Exekutionsverfahren mit Beschluss vom 26. August 2011, ON 17, gemäß § 45a EO aufgeschoben.

Mit Beschluss vom 13. Juli 2011 wies das Erstgericht den Einstellungsantrag ab. Der Exekutionstitel (Rückstandsausweis vom 27. Mai 2011) sei erst nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens geschaffen worden, weshalb § 197 Abs 2 und 3 IO nicht anzuwenden sei.

Über Rekurs des Verpflichteten änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es die Exekution einstellte (ON 19). Auch wenn die Einkommensteuerbescheide erst während des anhängigen Konkursverfahrens erlassen worden seien, würden sie doch einen Zeitraum (2004 2006) betreffen, der deutlich vor der Konkurseröffnung gelegen sei. Mit dem vor Konkurseröffnung liegenden „Veranlagungsstichtag“ sei der Beitragsforderung die Grundlage dafür entzogen worden, als Masseforderung eingestuft zu werden. Vielmehr sei die betriebene Forderung als Konkursforderung zu qualifizieren, sodass § 197 KO anwendbar sei. Dementsprechend sei das ohne Beschlussfassung nach § 197 Abs 2 KO eingeleitete Exekutionsverfahren nach § 197 Abs 3 KO einzustellen.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (2008/08/0259) in Bezug auf die Qualifikation einer Forderung als Masseforderung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (2 Ob 243/06h) abweiche.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Abweisung des Einstellungsantrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Die betreibende Partei legt ihrem Revisionsrekurs zugrunde, dass die Rechtsauffassung des Rekursgerichts dann zutreffe, wenn es sich bei der betriebenen Forderung tatsächlich um eine „nachträglich hervorgekommene“ und nicht um eine „nachträglich entstandene“ Forderung an Sozialversicherungsbeiträgen handle. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis 2008/08/0259 klargestellt, dass der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt in einem Fall wie dem vorliegenden erst mit der Erlassung der für das Entstehen der Beitragspflicht nach dem GSVG maßgeblichen Einkommensteuerbescheide eintrete. Im Schuldenregulierungsverfahren habe die SVA mangels aufrechter Pflichtversicherung gar keine Beitragsforderung anmelden können. Würden in einem solchen Fall der Ausübung eines Gewerbes bzw einer selbständigen Tätigkeit in einem vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegenen Zeitraum die geschätzten niedrigen Einkünfte auch nach der Veranlagung zur Einkommensteuer bestätigt, entstehe keine Pflichtversicherung bzw Beitragspflicht mehr. Der Vorgang oder Zustand, der für die öffentliche Abgabe ursächlich sei, sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht in der Ausübung eines Gewerbes bzw einer selbständigen Tätigkeit per se zu erblicken; vielmehr werde die Ausübung erst mit der Erzielung entsprechend hoher Einkünfte versicherungspflichtig, was aber erst mit deren Veranlagung durch die Finanzbehörde bzw deren Übermittlung an die SVA eintreten könne. Daraus folge, dass die Pflichtversicherung und die Beitragspflicht für den Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2006 erst mit der Meldung der versicherungspflichtigen Einkünfte im Wege des automationsunterstützten Datenaustausches entstanden seien (und nicht erst feststellbar geworden seien).

Die Verpflichtung zur Zahlung der Pflichtversicherungsbeiträge sei im Übrigen im Verwaltungsweg und nicht in einem zivilrechtlichen Verfahren zu klären.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf das vor dem 1. Juli 2010 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren die Bestimmungen der Konkursordnung in der Fassung vor dem IRÄG 2010 (BGBl I 2010/29) anzuwenden sind (§ 273 Abs 1 IO).

2. Im Einstellungsantrag ist der Grund, aus dem die Einstellung begehrt wird, zu benennen ( Jakusch in Angst , EO 2 § 39 Rz 74b). Im gegenständlichen Fall hat der Verpflichtete seinen Einstellungsantrag darauf gegründet, dass zwar der Titel der Rückstandsausweis vom 27. Mai 2011 erst nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens (13. April 2010) geschaffen worden sei; die betriebene Forderung der SVA sei allerdings bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, aber nicht angemeldet worden, weshalb im Zahlungsplan keine Leistungen auf die betriebene Forderung vorgesehen seien. Für den Verpflichteten seien über die „abgeschlossene Quote“ hinausgehende zusätzliche Zahlungen „nicht zumutbar und möglich“. Mangels Antragstellung nach § 197 Abs 2 IO erfülle die betreibende Partei nicht die Voraussetzungen des § 197 Abs 3 IO.

Das Rekursgericht ist im angefochtenen Beschluss diesem Standpunkt gefolgt.

3.1. § 197 KO idF der KO-Nov 1993 (BGBl 1993/974) nunmehr § 197 Abs 1 IO legt fest, dass Konkursgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote nur insoweit haben, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht (näher dazu etwa 3 Ob 232/00i = SZ 74/127; 8 Ob 117/06y; Fink , Der Privatkonkurs nach der Insolvenzrechts-Novelle 2002, ÖJZ 2003, 201 [209]; Kodek , Verfahrensrechtliche Fragen der Berücksichtigung nicht angemeldeter Forderungen im Zahlungsplan, ZIK 2001, 8). Anderes gilt aufgrund des Verweises auf § 156 KO (nun § 156 Abs 4 IO) nur für Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners unberücksichtigt geblieben sind.

3.2. Mit der Insolvenzrechts-Novelle 2002 (BGBl I 2002/75) wurden dem sonst unverändert gebliebenen § 197 KO die Absätze 2 und 3 angefügt, womit die Nachteile für Gläubiger, die ihre Konkursforderungen nicht anmelden, verschärft werden sollten ( Mohr , Neuerungen im Privatkonkurs, ecolex 2002, 802). In § 197 Abs 3 Satz 1 KO wurde festgelegt, dass ein Gläubiger, der seine Forderung nicht angemeldet hat, Exekution nur nach Maßgabe einer Provisorialentscheidung des Konkursgerichts gemäß § 197 Abs 2 KO führen kann. Der Gläubiger hat dem Exekutionsantrag auch eine Ausfertigung dieses Beschlusses samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit anzuschließen oder darzulegen, dass er die Forderung angemeldet hat. Eine entgegen dem Satz 1 bewilligte Exekution ist von Amts wegen oder auf Antrag ohne Vernehmung der Parteien einzustellen (§ 197 Abs 3 Satz 3 KO).

3.3. Nach ihrem klaren Wortlaut bezieht sich § 197 KO auf Konkursforderungen nach § 51 KO, also auf Forderungen, die zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung hier: 26. November 2008 bereits entstanden waren, selbst wenn die Titulierung hier in einem Rückstandsausweis erst nach diesem Zeitpunkt erfolgte. Nicht von § 197 KO erfasst werden Forderungen, die überhaupt erst nach Konkursaufhebung entstanden sind (vgl ErlRV 988 BlgNR 21. GP 38; dazu näher Fink , ÖJZ 2003, 210).

3.4. Die Exekution wurde auf der Grundlage der Angaben der betreibenden Partei im Rückstandsausweis („Rückstand im 1. Quartal 2011“) bewilligt; aufgrund dieser Angaben gab es keinen Anlass, einen Beschluss nach § 197 Abs 2 KO zu fordern. Der Verpflichtete hat in seinem Einstellungsantrag Umstände dargelegt, die gegen eine Qualifikation als nach dem Konkursverfahren entstandene „neue“ Forderung sprechen.

4. Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Beschluss nach § 197 Abs 2 KO vorzulegen war, ist daher, ob der geltend gemachte Beitragsrückstand als Konkursforderung oder als „neu entstandene“ Forderung zu qualifizieren ist.

4.1. Zum Entstehen einer Abgaben- oder Beitragsforderung hat sich der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen Konkurs- und Masseforderungen geäußert. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich in § 46 Abs 1 Z 2 KO.

Bis 31. Dezember 1983 wurde bei den die Masse treffenden Steuern, Gebühren, Zöllen, Beiträgen zur Sozialversicherung und anderen öffentlichen Abgaben darauf abgestellt, ob diese während des Konkurses fällig wurden. Seit 1. Jänner 1984 ist gemäß dem IRÄG 1982 maßgeblich, ob der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht wird ( Engelhart in Konecny/Schubert, KO [2004] § 46 Rz 65); auf die Fälligkeit kommt es nicht mehr an (RIS-Justiz RS0064620; zuletzt 3 Ob 103/11k). In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise bei Zuschlägen zur Sozialversicherung iSd § 113 Abs 1 ASVG infolge Nichtanmeldung zur Pflichtversicherung, verspäteter Anmeldung oder Meldung eines zu niedrigen Entgelts den den Abgabentatbestand verwirklichenden Sachverhalt in diesen Verstößen und nicht erst in der Vorschreibung der Beiträge oder des Beitragszuschlags gesehen hat, sodass es darauf ankommt, ob das Fehlverhalten vor oder nach Konkurseröffnung gesetzt wurde (VwGH 85/08/0088 und VwGH 86/08/0092, ARD 3932/1/87; zustimmend Engelhart in Konecny/Schubert, KO [2004] § 46 Rz 66).

4.2. In der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 2 Ob 243/06h (RdW 2007/753, 732 = ZIK 2007/330, 205; RIS-Justiz RS0122017) hatte sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage zu befassen, ob die Umsatzsteuer aus der Lieferung ausgesonderter Sachen an den Vorbehaltseigentümer nach Konkurseröffnung eine Masseforderung ist. Die spätere Gemeinschuldnerin hatte Maschinen angeschafft und den Kaufpreis drittfinanziert, wobei von den Verkäufern das vorbehaltene Eigentum an die finanzierende Bank abgetreten worden war. Bei Konkurseröffnung waren die Kredite noch nicht zur Gänze zurückgeführt, worauf die Bank ihr vorbehaltenes Eigentum im Konkurs geltend machte. Nachdem der Masseverwalter den Aussonderungsanspruch anerkannt hatte, verkauften die Banken die Maschinen an Dritte weiter. Die anfallende Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 42.000 EUR wurde vom Finanzamt der Gemeinschuldnerin vorgeschrieben.

Der Oberste Gerichtshof wiederholte den Rechtssatz, dass für die Abgrenzung zwischen Masseforderung und Konkursforderung (lediglich) maßgebend ist, ob der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt vor oder nach Konkurseröffnung verwirklicht wurde (RIS-Justiz RS0057941; vgl auch RIS-Justiz RS0064925). In dem zu entscheidenden Fall wurde der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt mit der auf der Aussonderung beruhenden Lieferung an die Vorbehaltseigentümer nach Konkurseröffnung verwirklicht, weshalb die Umsatzsteuerforderung als Masseforderung qualifiziert wurde.

Nähere Aufschlüsse für den vorliegenden Fall sind aus dieser Entscheidung nicht zu gewinnen, weil unzweifelhaft ist, dass der die Umsatzsteuerpflicht auslösende Sachverhalt durch die Lieferung an die Vorbehaltseigentümerin nach Konkurseröffnung verwirklicht wurde.

4.3. Im Zusammenhang mit der Einkommensbesteuerung hat sich der Oberste Gerichtshof zuletzt in der Entscheidung 3 Ob 103/11k ausführlich mit dem Zeitpunkt der Verwirklichung des eine Abgabepflicht auslösenden Sachverhalts gemäß § 46 Abs 1 Z 2 KO auseinandergesetzt.

4.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof setzt diesen Zeitpunkt unter Berufung auf § 4 BAO und darauf, dass sich die einzelnen Geschäftsvorfälle, die letztlich in ihrer Gesamtheit der Einkommensteuerbemessung zugrunde zu legen sind, weder theoretisch noch praktisch als Einzelgeschehnisse erfassen ließen, die sich zur Gänze entweder vor oder nach Konkurseröffnung ereignen, mit dem Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs iSd § 4 Abs 2 BAO gleich (VwGH 85/13/0058, 91/13/0259).

4.3.2. Im Gegensatz dazu vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0064620; 8 Ob 2244/96z = SZ 70/252; 3 Ob 173/08z) die Auffassung, dass für die insolvenzrechtliche Qualifikation von Abgabenforderungen nicht das Entstehen der Steuerschuld auf der Grundlage eines abgabenrechtlich relevanten Sachverhalts, sondern die Verwirklichung dieses Sachverhalts selbst maßgeblich ist.

4.3.3. In der Entscheidung 3 Ob 103/11k hielt der Oberste Gerichtshof für die dort zu beurteilende Frage der insolvenzrechtlichen Qualifikation der Einkommensteuer für das Jahr der Verfahrenseröffnung mit näherer Begründung an der Auffassung fest, dass für die insolvenzrechtliche Qualifikation nicht das Entstehen der Steuerschuld, sondern die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhalts maßgeblich ist. Das bloße Abstellen auf den Zeitpunkt der Jahresgewinnermittlung würde zu wenig sachgerechten und mit den Prinzipien des Insolvenzrechts nicht in Einklang zu bringenden Ergebnissen führen ( Kofler/Kristen , Insolvenz und Steuern 2 [2000] 19 f). Eingeräumt wird, dass es auch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei der Einordnung einer Abgabenforderung als Masseforderung zu bleiben hat, wenn der Gesetzgeber die Forderung des Abgabengläubigers so fasst, dass diese eine Vorverlagerung des die Abgabenpflicht auslösenden relevanten Sachverhalts auf einen Zeitpunkt vor Konkurseröffnung nicht zulässt (8 Ob 92/02s = SZ 2002/162; 8 Ob 10/98y = SZ 71/134). Gemeint sind abgabenrechtliche Regelungen, die für das Entstehen der Steuerschuld die Verwirklichung eines (weiteren) Sachverhaltsmerkmals fordern, ohne dass der Steuertatbestand an sich nicht erfüllt ist (zB 8 Ob 92/02s: Ausscheiden des Schuldners als Mitunternehmer als gemäß § 24 Abs 2 letzter Satz EStG maßgeblicher abgabenrechtlicher Sachverhalt; 8 Ob 10/98y: erst Nutzungsänderung löste steuerbaren NoVA-Vorgang aus).

4.3.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst in der Entscheidung 2008/08/0259 in einem eine Beitragsnachverrechnung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG betreffenden Fall (wiederum) ausgesprochen, dass die Verwirklichung des Tatbestands, an den die Beitragspflicht geknüpft ist, erst ab Vorliegen des Einkommensteuerbescheids eintreten könne, weil erst mit diesem Zeitpunkt die Einhaltung der Einkunftsgrenzen beurteilt werden könne. Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich diesbezüglich auf seine schon dargelegte Auslegung des § 46 Abs 1 Z 2 KO sowie auf die Fälligkeitsbestimmung des § 35 Abs 2 Satz 2 GSVG). Unter diesen Prämissen lag der Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld jedenfalls nach Beendigung des Konkursverfahrens, sodass die Abgabenverbindlichkeit als eine nach Abschluss des Insolvenzverfahrens neu entstandene Verbindlichkeit qualifiziert wurde.

5. Nun ist nicht zu verkennen, dass es der betreibenden Partei aufgrund ihres Informationsstands nicht möglich war, die Beitragsforderung im Konkurs anzumelden, zumal sich die Beitragspflicht des Verpflichteten nach dem GSVG für den Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2006 überhaupt erst im Jahr 2011 herausstellte.

Die faktische Unmöglichkeit einer Forderungsanmeldung verleiht einer Konkursforderung aber noch nicht den Charakter einer Masseforderung oder einer „neu entstandenen“ Forderung, wie auch die Regelung des § 156 Abs 6 KO (nun § 156 Abs 4 IO) zeigt: Demnach können Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners unberücksichtigt geblieben sind, nach Konkursaufhebung Zahlung in voller Höhe verlangen.

Der Rechtsstandpunkt der betreibenden Partei würde dazu führen, dass die auf den Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2006 zurückgehende Beitragsforderung ein unterschiedliches insolvenzrechtliches Schicksal hat, je nachdem ob der Verpflichtete den Umstand, der die Beitragspflicht auslöst, umgehend nach rechtzeitiger Abgabe der Einkommensteuererklärung und Vorliegen des Einkommensteuerbescheids (noch vor Konkurseröffnung) bekannt gibt oder ob sich die Beitragspflicht erst zu einem späteren Zeitpunkt (nach Konkursaufhebung) herausstellt. Für den letztgenannten Fall ist § 156 Abs 6 KO (nun § 156 Abs 4 IO) einschlägig. Auf diesen Verschuldenstatbestand hat sich die betreibende Partei in ihrer Äußerung zum Einstellungsantrag nicht berufen.

Der Oberste Gerichtshof bleibt daher auch betreffend Sozialversicherungsbeitragsrückstände bei dem ausführlich in der Entscheidung 3 Ob 103/11k dargelegten Grundsatz, dass für die insolvenzrechtliche Qualifikation nicht das Entstehen der Beitragsschuld (wofür mangels Erklärung des selbständig Erwerbstätigen über eine die Versicherungspflicht auslösende Einkunftshöhe gemäß § 2 Abs 1 Z 4 Satz 3 GSVG das Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheids Voraussetzung ist), sondern die Verwirklichung des die Beitragspflicht auslösenden Sachverhalts, nämlich die Erzielung von Einkünften in einer die Grenzen nach § 4 Abs 1 Z 5 und 6 GSVG übersteigenden Höhe, relevant ist. Es wäre ein Wertungswiderspruch, bei der insolvenzrechtlichen Beurteilung von Einkommensteuern darauf abzustellen, wann das Einkommen erzielt wurde, bei den von der Überschreitung der Versicherungsgrenzen des § 4 Abs 1 Z 5 und 6 GSVG abhängigen Pflichtversicherungsbeiträgen aber auf den späteren Zeitpunkt der Bescheiderlassung.

6.1. § 197 Abs 3 KO normiert eine Prüfungspflicht des Exekutionsgerichts jedenfalls in formeller Hinsicht. Wenn sich der Umstand, dass der betreibende Gläubiger Konkursgläubiger ist, schon aus dem Exekutionstitel oder dem Exekutionsantrag ergibt und kein Beschluss nach § 197 Abs 2 KO vorgelegt wird, ist der Exekutionsantrag abzuweisen. Wenn der Exekutionstitel wie hier aus der Zeit lange nach der Konkurseröffnung und auch nach der Konkursaufhebung stammt, ist die Exekution zwar zu bewilligen, weil offenbar keine Konkursforderung betrieben wird; der Verpflichtete kann aber gemäß Abs 3 die Einstellung des Exekutionsverfahrens beantragen und zwar erfolgreich mit einem Einstellungsgesuch (vgl § 40 EO), wenn er die Konkursgläubigereigenschaft des betreibenden Gläubigers behauptet und urkundlich nachweisen kann oder der betreibende Gläubiger diese nicht bestreitet (siehe § 7 Abs 2 Satz 2 EO). Dann ist das Exekutionsverfahren aus dem formellen Grund des Fehlens einer vorläufigen Entscheidung des Konkursgerichts nach § 197 Abs 2 KO einzustellen. Hängt die Entscheidung von strittigen Tatumständen ab, ist über die Frage der Vollstreckbarkeit (§ 36 EO) im Rechtsweg zu entscheiden.

6.2. Der Zuständigkeit des Exekutionsgerichts steht auch nicht entgegen, dass der Exekutionstitel hier von einer Verwaltungsbehörde stammt. Die Befreiung von Verbindlichkeiten aufgrund eines rechtskräftig bestätigten Ausgleichs (§ 156 KO) oder eines Zahlungsplans wird im verwaltungsbehördlichen Titelverfahren bei der Bescheiderlassung nicht geprüft. Darüber ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erst im Abgabeneinhebungsverfahren, also im Exekutionsverfahren, zu entscheiden (VwGH 89/13/0085, AnwBl 1990/3572, 720 [ Arnold ]; Mohr , KO 10 [2006] § 156 E 79). Bei der gestellten Frage, ob eine Konkursforderung, eine Masseforderung oder eine erst nach Konkursaufhebung entstandene Forderung betrieben wird, geht es nicht um eine Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Titels, sondern um die insolvenzrechtliche Beurteilung eines Exekutionshindernisses. Darüber ist auch bei einem verwaltungsbehördlichen Exekutionstitel von den Gerichten zu entscheiden (RIS-Justiz RS0000193; Jakusch in Angst 2 § 36 Rz 4 mwN).

6.3. Der maßgebliche Sachverhalt für die Beurteilung, ob es der Vorlage eines Beschlusses nach § 197 Abs 2 KO bedarf oder nicht, ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem Vorbringen der Parteien im Einstellungsantrag und der Äußerung dazu; strittig ist allein die rechtliche Qualifikation der betriebenen Forderung. Strittige Umstände auf Tatsachenebene sind nicht zu klären, weshalb die relevante Frage im Einstellungsverfahren behandelt werden kann. Angesichts der dargelegten Qualifikation der betriebenen Forderung als Konkursforderung hat das Rekursgericht die Exekution wegen der Nichtvorlage eines Beschlusses nach § 197 Abs 2 KO und der daraus resultierenden fehlenden Vollstreckbarkeit der betriebenen Forderung zu Recht eingestellt, weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen ist.

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