JudikaturJustiz3Ob211/13w

3Ob211/13w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. November 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des ***** J***** B*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen, vertreten durch seinen Verfahrenssachwalter Mag. Rudolf Nokaj, Rechtsanwalt in Ybbs, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 24. Juli 2013, GZ 23 R 312/13z 42, womit über Rekurs des Betroffenen der Beschluss des Bezirksgerichts Amstetten vom 17. Juni 2013, GZ 2 P 84/12x 38, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen bestellten den bereits als Verfahrenssachwalter bestellten Rechtsanwalt auch als Sachwalter, der den Betroffenen vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern vertreten, Einkünfte, Vermögen und Verbindlichkeiten verwalten und bei Rechtsgeschäften vertreten soll, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen.

Der Betroffene vermag in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.

Die Beurteilung der Frage, ob genügend und welche Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters vorliegen, ist immer eine solche des Einzelfalls, aus den dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Grundlagen zu lösen und nach den konkreten Tatumständen jeweils individuell zu beurteilen (RIS Justiz RS0106166). Sie bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage nach § 62 Abs 1 AußStrG (3 Ob 167/06i ua).

Es bildet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Rekursgericht den Betroffenen durch die mangels Geschäftsfähigkeit ungültige Bestellung eines eigenen Vertreters nicht ausreichend versorgt und geschützt ansieht.

Die nach den Grundsätzen für die Auswahl des Sachwalters (RIS Justiz RS0123297, RS0049104) bloß ausnahmsweise Bestellung eines Rechtsanwalts oder Notars ist hier im Hinblick auf die innerfamiliären Spannungen und Interessengegensätze sowie das bereits anhängige Unterhaltsverfahren mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten (Pensionierung, Abfertigung, Sachwalter des Verfahrensgegners) vertretbar.

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
3
  • RS0123297OGH Rechtssatz

    30. November 2023·3 Entscheidungen

    Nach den Gesetzesmaterialien verfolgt der neue § 279 ABGB unter anderem das Ziel, jene Personenkreise abschließend zu regeln, die für die Bestellung als Sachwalter potenziell in Frage kommen. Dabei ist ein Stufenbau vorgesehen. Primär ist als Sachwalter eine von der betroffenen Person selbst gewählte oder von einer nahe stehenden Person empfohlene Person (§ 279 Abs 1 Satz 2 ABGB) heranzuziehen. Sekundär (mangels Wahl beziehungsweise Anregung oder bei fehlender Eignung der vorgeschlagenen Person) ist ein der betroffenen Person nahe stehender Mensch zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 2 ABGB). Ist eine solche geeignete Person nicht verfügbar, ist (mit dessen Zustimmung) der örtlich zuständige Sachwalterverein nach § 1 VSPAG zu bestellen (§ 279 Abs 3 Satz 1 ABGB). Ist ein Vereinssachwalter nicht verfügbar (etwa mangels freier Kapazitäten), so ist ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder - mit ihrer Zustimmung - eine andere geeignete Person zu bestellen (§ 279 Abs 3 Satz 2 ABGB). Rechtsanwälte und Notare (nicht aber Berufskandidaten) trifft nach Maßgabe des § 274 Abs 2 ABGB die Verpflichtung, Sachwalterschaften zu übernehmen. Nur wenn die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person besondere Fachkenntnisse erfordert, ist von Vornherein - je nach der notwendigen Expertise - ein Rechtsanwalt oder Notar beziehungsweise der Sachwalterverein zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 4 ABGB). Unter Berücksichtigung dieser Prioritätenreihung muss aber im Mittelpunkt der Entscheidung über die Auswahl eines Sachwalters immer das Wohl der betroffenen Person stehen.