JudikaturJustiz3Ob191/19p

3Ob191/19p – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. November 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv. Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei R ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die verpflichtete Partei R ***** GmbH, *****, vertreten durch König Kliemstein Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Unterlassung, über die Revisionsrekurse der betreibenden Partei gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 7. August 2019, GZ 53 R 159/19t 62, 53 R 160/19i 63 und 53 R 161/19m 64, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Salzburg vom 17. Juni 2019, GZ 6 E 2252/19t 2, vom 19. Juni 2019, GZ 6 E 2252/19t 4 und vom 24. Juni 2019, GZ 6 E 2252/19t 7, abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Verpflichtete hat es aufgrund einer einstweiligen Verfügung zu unterlassen, der Betreibenden bzw deren Mitarbeitern den Zugang zu der auf dem Server der Verpflichteten liegenden (im Titel näher angeführten) Software und Zugriff auf näher beschriebene – die Betreibende betreffende – Daten zu verweigern. In dieser Entscheidung wurde das Mehrbegehren, die nunmehr Verpflichtete auch zu verpflichten, „ die Forti-Client-Verbindung (über Internetkabel) und den Terminalserver für das Einwählen von außen in Betrieb zu halten und alle angelegten und gespeicherten Nutzer der [nunmehr] betreibenden Partei frei zu halten “ abgewiesen. Letzteres wurde damit begründet, dass dazu keine Verpflichtung vorliege.

Die Betreibende beantragte am 14. Juni 2019 ua die Bewilligung der Exekution gemäß § 355 EO und die Verhängung einer Geldstrafe mit der Behauptung, die Verpflichtete verweigere trotz Erlasses der einstweiligen Verfügung beharrlich den Zugang zum Server weiterhin „ bis heute “ (ON 1). Diesem Exekutionsantrag war auch die Kopie eines Fotos von einem Computerbildschirm angeschlossen, auf dem (neben dem Schriftzug des Serverbetriebssystems „ WindowsServer2000R2 Standard “ nur) zu lesen ist: „ Das Konto wurde deaktiviert. Wenden Sie sich an den Systemadministrator “.

Mit seinem Beschluss vom 17. Juni 2019 bewilligte das Erstgericht aufgrund des behaupteten Verstoßes am 14. Juni 2019 der Betreibenden gegen die Verpflichtete die Exekution nach § 355 EO und verhängte über die Verpflichtete eine Geldstrafe von 7.500 EUR (ON 2). Die Betreibende habe einen Titelverstoß am 14. Juni 2019 konkret und schlüssig behauptet. Das Erstgericht ging davon aus, dass der Titel teilweise nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 7 EO entspreche, weil er sich auch auf nicht näher konkretisierte Serverdaten beziehe. Insoweit der Exekutionsantrag auch auf diesen Teil des Titels gestützt wurde, wies es das diesbezügliche Mehrbegehren erkennbar ab, was ebenso unbekämpft blieb wie die Abweisung des weiteren Antrags der Betreibenden, der Verpflichteten eine Beugehaft von drei Monaten anzudrohen.

In der Folge stellte die Betreibende am 18. Juni 2019 (ON 3), am 21. Juni 2019 (ON 5) und am 24. Juni 2019 (ON 6) Anträge auf neuerliche Verhängung einer Geldstrafe. Sie brachte darin jeweils vor, dass die Verpflichtete nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels neuerlich „ nämlich durchgehend bis heute 18. 6. 2019 “ (ON 3), „ nämlich durchgehend bis heute 21. 6. 2019 “ (ON 5) bzw „ nämlich durchgehend bis heute 24. 6. 2019 “ (ON 6) gegen die einstweilige Verfügung verstoßen habe, indem ihr nach wie vor der Zugang zum Server verweigert werde. Den Strafanträgen waren jeweils Screenshots angeschlossen, auf denen wiederum „ Das Konto wurde deaktiviert. Wenden Sie sich an den Systemadministrator “ (allerdings kein Hinweis auf das Serverbetriebssystem) zu lesen war. Weiters ist auf den Screenshots jeweils in der linken oberen Ecke aber auch Folgendes zu lesen „ Terminal Server – 192.168.100.240 – Remotedesktopverbindung “.

Mit seinen Beschlüssen vom 19. Juni 2019 (ON 4) und vom 24. Juni 2019 (ON 7) verhängte das Erstgericht aufgrund der weiteren Strafanträge für die behaupteten Verstöße weitere Geldstrafen pro Antrag von jeweils 7.500 EUR.

Das Rekursgericht gab mit den angefochtenen Beschlüssen den Rekursen der Verpflichteten gegen erstgerichtlichen Beschlüsse ON 2, ON 4 und ON 7 jeweils im antragsabweisenden Sinn statt (ON 62 bis 64). Es ging dabei jeweils davon aus, dass die Betreibende keine konkrete Weigerungshandlung der Verpflichteten behauptet habe. Der Exekutionstitel gebe nicht eindeutig und bestimmt an, was die verpflichtete Partei zu unterlassen habe. Damit sei eine Bewilligung der Exekution auf Basis der Angaben im Exekutionsantrag nicht möglich. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs jeweils zur Bestimmtheit der Formulierung des Unterlassungsgebots für jene Fallkonstellation zu, die davon geprägt ist, dass jener Teil der beantragten einstweiligen Verfügung abgewiesen wird, den der Antragsteller zur Gewährleistung der Unterlassungsverpflichtung im Sinne eines Leistungsbegehrens formuliert hat.

Gegen die referierten Entscheidungen des Rekursgerichts richten sich die Revisionsrekurse der betreibenden Partei jeweils mit dem Antrag auf Abänderung im stattgebenden Sinn.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Die im Exekutionstitel als Verbot bestehende Dauerpflichten sind grundsätzlich auch dann im Wege des § 355 EO durchzusetzen, wenn sie im Titel als unvertretbares Handeln formuliert sind ( Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner § 355 EO Rz 2 mwN).

2. Eine Exekution nach § 355 EO darf allerdings nur dann bewilligt werden, wenn das behauptete konkrete Verhalten des Verpflichteten titelwidrig ist (RS0004808; Klicka in Angst/Oberhammer 3 § 355 EO Rz 9).

2.1 Ein Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung wird am Inhalt des Exekutionstitels gemessen. Im Rahmen der Bewilligung zur Erwirkung von Unterlassungen ist daher nur zu prüfen, ob das im Exekutionsantrag behauptete Verhalten titelwidrig ist, nicht hingegen, ob das Vorbringen auch den Tatsachen entspricht (RS0113988 [T7]). Nur ein Verhalten des Verpflichteten, welches eindeutig gegen das im Exekutionstitel ausgesprochene Unterlassungsgebot verstößt, rechtfertigt Exekutionsschritte gemäß § 355 EO (RS0000595).

2.2 Dabei darf die Exekution nur aufgrund eines Exekutionstitels bewilligt werden, dem nebst der Person des Berechtigten und des Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Unterlassung eindeutig und bestimmt zu entnehmen sind (RS0000771 [T5]). Eine generelle Verpflichtung zur Unterlassung bildet keinen ausreichend bestimmten Exekutionstitel (RS0000771).

2.3.1 Der Begriff der Bestimmtheit eines Unterlassungsbegehrens darf allerdings nicht allzu eng ausgelegt werden, weil es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben (RS0000845). Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebots ist – allerdings im Verein mit konkreten Einzelverboten – meist schon deshalb notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (RS0000845 [T14]; RS0002023 [T6]; RS0037607).

2.3.2 Bei einer Unterlassungsklage muss die Unterlassungspflicht so deutlich gekennzeichnet sein, dass ihre Verletzung gemäß § 355 EO exekutiv getroffen werden kann; eine Anführung aller Möglichkeiten des Zuwiderhandelns ist aber nicht nur unmöglich, sondern auch überflüssig, weil es allenfalls dem Exekutions-bewilligungsrichter obliegen wird zu beurteilen, ob bei einer Exekutionsführung die von der betreibenden Partei behauptete Zuwiderhandlung als Verstoß gegen den Exekutionstitel gewertet werden kann (RS0000878). Das Unterlassungsbegehren ist jedoch zu konkretisieren; allgemeine Umschreibungen genügen nicht; die Abgrenzungskriterien müssen derart bestimmt angegeben sein, dass es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren kommt (RS0000878 [T7]).

2.3.3 Allgemein gilt, dass ein Unterlassungsgebot das verbotene Verhalten so deutlich umschreiben muss, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein künftiges Verhalten dienen kann; diesem Erfordernis genügen näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (RS0119807). Daher ist es etwa auch nicht möglich, pauschal „Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs, die gegen die guten Sitten verstoßen,“ zu verbieten (RS0119807 [T2]). Auch ein Begehren, der Beklagte habe alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Beeinträchtigung näher bezeichneter Wasserbenützungsrechte der klagenden Partei herbeiführen, ist nach der Rechtsprechung zu unbestimmt (1 Ob 27/91), weil sich daraus nicht ableiten lässt, welche Maßnahmen dem Beklagten verboten werden sollen. Das Begehren, der Beklagte habe „alle Handlungen zu unterlassen, mit welchen Geschäftspartner der gefährdeten Partei zur Kündigung von Lieferverträgen mit dieser bewogen werden sollen“ (4 Ob 303/64 = RS0037653) oder das Gebot, ungehindert die Ausübung der Gesellschaftsrechte nach einem mündlichen Vertrag zu gestatten (3 Ob 58/54 = RS0000543), wurden von der Judikatur ebenfalls als ungenügend konkretisiert beurteilt. Zuletzt hat der Senat eine Verpflichtung als unbestimmt und damit nicht als exekutionstauglich qualifiziert, bei dem der Verpflichteten untersagt wurde, die Ausübung des Stimmrechts der Betreibenden in Generalversammlungen einer GmbH bei der Beschlussfassung über Budget, Investitionsplan und/oder Budget inclusive Investitionsplan zu beeinträchtigen (3 Ob 135/19b).

2.4 Im Titel, der dem gegenständlichen Antrag zugrundeliegt, bleiben die zu unterlassenden Handlungen offen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Verpflichteten nach dem Titel nur ganz allgemein verboten wurde, der Betreibenden den Zugang zu bestimmten (auf dem Server der Verpflichteten liegenden) Programmen bzw Daten zu verweigern. Daraus lässt sich schwer ableiten, wie die Verpflichtete der Betreibenden den Zugang konkret gewähren soll, zumal dies auf mannigfaltige Weise geschehen könnte. Die Programme und Daten könnten beispielsweise auf externen Datenträgern gespeichert werden, die von der Betreibenden abgeholt oder aber auch ihr übermittelt werden. Ebenso ist es möglich, dass die Betreibende direkt beim Server( raum) der Verpflichteten auf die Programme und Daten zugreift oder lokal im Netzwerk der Verpflichteten einsteigt. Technisch denkbar (aber aufgrund des Titels rechtlich ausgeschlossen, dazu unten) ist auch ein Zugriff über das Internet.

Die Argumentation der Betreibenden, dass mit dem Wort „Serverzugang“ stets ein Zugang von „außen“ über das Internet gemeint sei, verfängt im Anlassfall nicht. Abgesehen davon, dass der Verpflichtete nur verboten wurde, den Zugang zu näher beschriebenen auf dem Server liegenden Daten und Programmen (nicht aber den „ Serverzugang “ per se) zu verweigern, ist die Verpflichtete nach dem Titel aufgrund der Abweisung des Mehrbegehrens nicht verpflichtet, den Zugriff von außen über das Internet zu dulden. Der (hier zwei unterschiedliche Teile umfassende) Spruch des Exekutionstitels ist bei der Erledigung des Exekutionsantrags für die Auslegung des Titels maßgeblich (RS0000296). Wegen der im Spruch erfolgten Teilabweisung stellt der stattgebende Teil des Spruchs gegenüber dem Rechtsschutzbegehren nur ein Minus dar. Damit ist für die Auslegung des stattgebenden Teils des Titels klar, dass dieser das abgewiesene Begehren nicht umfassen kann. Der Zuspruch erfolgte nur im durch die Teilabweisung reduzierten Ausmaß. Entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel folgt aus dieser (im Verfügungsverfahren auf eine fehlende Verpflichtung gestützten) Teilabweisung, dass der Zugang zu den auf dem Server liegenden Daten und Programmen gerade nicht über das Internet gewährt werden muss.

2.5 Der Titel ist daher zu unbestimmt und kann keine Grundlage für eine Exekutionsbewilligung nach § 355 EO bilden.

3. Auch der Hinweis der Betreibenden auf die Judikatur von Erfolgsverboten kann nicht zum Erfolg ihres Rechtsmittels führen. Die Betreibende argumentiert hier damit, dass es sich bei der titelmäßigen Verpflichtung um ein Erfolgsverbot handle, bei dem die Verpflichtete zu einer Handlung gezwungen werde, die der Art nach ihr zu überlassen sei.

3.1 Verbreitete Anwendungsbereiche des nach § 355 EO zu vollstreckenden Erfolgsverbots, das ein der Art nach dem Verpflichteten überlassenes Verhalten zur Abwehr des verbotenen Erfolgs erfordert, sind vor allem der Eigentums- und Besitzschutz (RS0010566), aber auch Dauerverpflichtungen im IT Bereich (4 Ob 71/14s: Unterlassung des Vermittelns des Zugangs zu einer Website mit rechtswidrigen Inhalten).

3.2 Die Vollstreckung derartiger Erfolgsverbote steht schon deshalb nicht mit dem Bestimmtheitsgebot im Spannungsfeld, weil für den Verpflichteten klar ist, dass er den Eintritt eines bestimmten Erfolgs zu verhindern hat, etwa bestimmte Emission, ein verbotenes Eindringen, eine bestimmte Besitzstörung, einen Zugang zu einer Website mit rechtswidrigen Inhalten, etc (RS0010566). Als „Erfolg“ ist daher der Eintritt eines bestimmten Ereignisses zu verstehen (vgl auch die im Rechtsmittel zutreffend angeführten Beispiele: Hundegebell, Eindringen von Tennisbällen). In solchen Fällen bleibt es dem Titelschuldner überlassen, auf welche Art er den Erfolg verhindert.

3.3 Im hier zu beurteilenden Fall geht aus dem Titel gerade nicht hervor, welchen verbotenen Erfolg die Verpflichtete zu verhindern hat. Die Betreibende qualifiziert die Zugriffsverweigerung als „Erfolgsunterlassung“. Darin liegt aber kein Erfolgsereignis im Sinne der oben referierten Judikatur. Schließt man sich dem Standpunkt der Betreibenden an, bliebe es der Verpflichteten gerade nicht überlassen, auf welche Art sie diesen „Erfolg“ abwendet. Eine Zugriffsverweigerung setzt nämlich einen Zugriffsversuch der Betreibenden voraus. Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein Zugriff( sversuch) auf Programme und Daten auf verschiedene Arten erfolgen kann. Dadurch könnte der Titelschuldner aber nicht mehr wählen, auf welche Art er den „Erfolg“ verhindert. Nach der Argumentation der Betreibenden müsste die Verpflichtete aber jegliche von der Gegenseite gewählte Variante eines Zugriffs auf die auf ihren Server liegenden Daten und Programme dulden. Damit steht es ihr aber gerade nicht frei, wie sie den Zugang zu den Daten und Programmen auf ihren Server bewirkt (vgl 3 Ob 44/02w). Auch das zeigt, dass sich die Betreibende hier nicht auf die Judikatur zu Erfolgsverboten berufen kann.

4. Die weiteren Strafanträge ON 3, ON 5 und ON 6 wurden vom Rekursgericht auch deshalb zutreffend abgewiesen, weil dazu Bescheinigungsmittel vorliegen, die die behaupteten Verstöße widerlegen (RS0113988; RS0004808 [T1]). Nach dem abweisenden Teil des Titels besteht – wie ausgeführt – gerade keine Verpflichtung der Verpflichteten, den Zugriff auf die am Server liegenden Programme und Daten von außen via Internet zu dulden. Aufgrund der in den weiteren Strafanträgen vorliegenden Urkunden ist (im Gegensatz zum Antrag ON 1) klar, dass die Betreibende den gescheiterten Zugriff von außen über das Internet versucht hat (vgl den Screenshot, auf dem „Remotedesktopverbindung“ und „Terminal Server“ ersichtlich ist).

5. Damit erweist sich die Abweisung des Exekutionsantrags und der weiteren Strafanträge als zutreffend. Der Revisionsrekurs muss deshalb erfolglos bleiben.

Rechtssätze
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