JudikaturJustiz3Ob141/17g

3Ob141/17g – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der 1. mj L*****, geboren *****, 2. mj L*****, geboren *****, beide wohnhaft bei der Mutter Mag. P*****, vertreten durch Mag. Elisabeth Gerhards, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Mag. E*****, vertreten durch BHF Briefer Hülle Frohner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Juni 2017, GZ 43 R 263/17w, 43 R 264/17t 379, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Obsorge über die in den Jahren 2012 und 2014 außerehelich geborenen Buben steht der Mutter allein zu. In dem äußerst konfliktbeladenen Verfahren sind insbesondere der Umfang eines dem Vater einzuräumenden Kontaktrechts sowie die Besuchsrechtsmodalitäten strittig.

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich der Antrag des Vaters vom 11. April 2017 (ON 352), dem Vater der Mutter „die Kontaktausübung zu den Minderjährigen gemäß § 107 Abs 2 AußStrG vorläufig zu untersagen“. Diesen Antrag wiesen die Vorinstanzen ab.

Der Vater bekämpft die Bestätigung und damit zusammenhängend den Beschluss des Rekursgerichts, womit der Rekurs gegen Punkt 4. des erstgerichtlichen Beschlusses über die Innehaltung des Verfahrens vom 8. März 2017 (ON 343) zurückgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Das Rekursgericht hat eine Beschwer des Vaters gegen den erstgerichtlichen Beschluss auf „Innehaltung“ des Verfahrens mit der Begründung verneint, dass die Anordnung der „Innehaltung“ ua des Verfahrens über den Antrag, dem mütterlichen Großvater eine Kontaktausübung zu untersagen, durch die nachfolgende Fortsetzung des Verfahrens durch das Erstgericht aufgehoben wurde.

Diese Begründung des Rekursgerichts steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, wonach Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer ist (RIS Justiz RS0041868; RS0006497; Zechner in Fasching/Konecny IV/1 2 Vor §§ 514 ff ZPO Rz 66 mwN). Ob das Erstgericht die Innehaltung des Verfahrens ursprünglich zu Recht anordnete, könnte wegen der ohnedies bereits erfolgten Verfahrensfortsetzung auch über den im Revisionsrekursverfahren maßgeblichen Antrag des Vaters nur noch von theoretischem Interesse sein. Die Beschwer ist daher weggefallen (jüngst 3 Ob 48/17f mwN).

2. Seine bestätigende Entscheidung begründete das Rekursgericht damit, dass nach dem Akteninhalt eine Gefährdung der Kinder durch ein Verhalten des Großvaters (Vaters der Mutter) nicht ersichtlich sei, weil eine blutende Wunde des älteren Sohnes weder der Vater noch die Besuchsbegleiterin gesehen habe, und Erzählungen von Kindern nach den Erfahrungen des Rekursgerichts nicht notwendigerweise tatsächlichen Erfahrungen entsprechen müssen.

Dem Vater ist grundsätzlich darin beizupflichten, dass der von ihm erhobene Vorwurf, der Großvater gefährde die körperliche Sicherheit der Kinder, er habe den älteren Sohn geschlagen, das habe dieser ihm und der Besuchsbegleiterin erzählt, inhaltlich geprüft werden muss. Eine derartige Prüfung ist nicht erfolgt. Das Erstgericht hat auch keinerlei Feststellungen zu diesem Thema getroffen. Mutmaßungen des Rekursgerichts über die Glaubwürdigkeit des Vorwurfs ersetzen ein Beweisverfahren und Feststellungen zu diesem Thema nicht.

Allerdings fehlt diesem Vorbringen im Revisionsrekurs die Relevanz für den konkreten Verfahrensgegenstand: Dem Vater der Mutter wurde kein Kontaktrecht zu den Kindern eingeräumt. Er ist auch nicht Partei des Kontaktrechtsverfahrens. Vielmehr betrifft der vom Vater erhobene Vorwurf inhaltlich die Obsorgeausübung durch die allein obsorgeberechtigte Mutter, die ihrem Vater Kontakte zu den Kindern gestattet. Der vorliegende Antrag, gegenüber diesem ein „Kontaktausübungsverbot“ auszusprechen, ist daher von vornherein verfehlt, weshalb die Antragsabweisung durch die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht erfolgte.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Das Erstgericht hat jedoch im fortgesetzten Verfahren – neben den vom Vater gestellten, seine zukünftige Kontaktrechtsausübung betreffenden und noch offenen Anträgen – die erhobenen Vorwürfe trotz verfehlter Antragstellung unverzüglich inhaltlich zu überprüfen und allenfalls erforderliche Maßnahmen von amtswegen anzuordnen. Eine Verfügung nach § 181 Abs 1 ABGB – etwa eine „Auflage“ an die Mutter mit inhaltlichen Vorgaben für die Ausübung des Obsorgerechts – setzt allerdings eine Gefährdung des Kindeswohls und eine dadurch bedingte Notwendigkeit der Änderung eines bestehenden Zustandes voraus (3 Ob 166/15f = RIS Justiz RS0127207 [T2]; so bereits RS0127207 zur gleichlautenden Bestimmung des § 176 Abs 1 ABGB idF vor dem KindNamRÄG 2013; Hopf in KBB 5 §§ 181–182 ABGB Rz 2).