JudikaturJustiz3Ob138/95

3Ob138/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Sparkasse N*****, vertreten durch Dr.Ernst Fasan ua Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die verpflichtete Partei Dr.Stefan U*****, wegen S 1,000.000 sA infolge außerordentlichen Revisionsrekurses (Rekursstreitwert: S 285.122,75) der Pfandgläubigerin A*****sparkasse reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Tassilo Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgerichtes vom 21.März 1995, GZ 5 R 562/94-46, womit der Meistbotsverteilungsbeschluß des Bezirksgerichtes Wolkersdorf vom 21. November 1994, GZ E 1594/93b-43, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die dem Verpflichteten gehörigen Hälfte der Liegenschaft EZ ***** KG U***** wurde der Eigentümerin der anderen Liegenschaftshälfte, Mag.Ursula U*****, um das Meistbot von S 951.000 zugeschlagen. In der Tagsatzung zur Meistbotsverteilung beantragte die ob der Gesamtliegenschaft im besten Rang (CLNr 1) mit S 960.000 pfandrechtlich gesicherte Gläubigerin A*****sparkasse reg.Gen.m.b.H. (folgend: AB-Sparkasse) unverhältnismäßige Befriedigung ihrer mit S 870.245,49 aushaftenden Forderung aus dem Meistbot und meldete unter Hinweis auf eine Schuldübernahmevereinbarung mit der Ersteherin den Betrag von S 810.000 durch "Anrechnung der Schuldübernahme" und den Betrag von S 60.245,49 durch Barzahlung zur Verteilung an. Die im zweiten Rang (CLNr 4) - allerdings nur auf dem Hälfteanteil des Verpflichteten - pfandrechtlich mit dem Höchstbetrag von S 1,400.000 gesicherte R*****Wien reg.Gen.m.b.H. (folgend: RB-Wien) beantragte in der Verteilungstagsatzung die Barzuweisung des verbleibenden Restbetrages sowie die Einräumung einer Ersatzhypothek auf dem ursprünglichen Liegenschaftsanteil der Ersteherin im Range der getilgten Forderung der AB-Sparkasse.

Das Erstgericht wies in seinem Meistbotsverteilungsbeschluß der Pfandgläubigerin AB-Sparkasse S 810.000 durch Anrechnung der Übernahme durch die Ersteherin und S 60.245,49 durch Barzahlung sowie den verbleibenden Betrag von S 80.754,51 der Pfandgläubigerin RB-Wien zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderung von S 1,421.148 durch Barzahlung zu. Weiters stellte es auf Antrag der RB-Wien gemäß § 222 Abs 3 und 4 EO den Ersatzanspruch dieser Pfandgläubigerin mit S 435.122,75 fest und sprach aus, daß nach Rechtskraft seines Beschlusses auf Antrag dieser Ersatzanspruch auf dem der Ersteherin schon vorher gehörigen Hälfteanteil der EZ ***** KG U*****, in der Rangordnung der gleichzeitig zu löschenden Forderung der AB-Sparkasse von S 960.000 sA einverleibt werde. Dazu vertrat es die Rechtsansicht, die Bestimmung des § 222 EO sei bei der Behandlung unterschiedlich belasteter Miteigentumsanteile analog anzuwenden. Werde ein Liegenschaftsanteil von einem Miteigentümer erstanden, so könnten die nachstehenden Buchberechtigten, die durch die unverhältnismäßige Befriedigung des "Simultangläubigers" einen Schaden erlitten, die Einverleibung einer Ersatzhypothek auf dem ursprünglichen Liegenschaftsanteil des Erstehers begehren. Die Ersatzerforderungen könnten aber nicht auf der Gesamtliegenschaft einverleibt werden.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte infolge Rekurses der Pfandgläubigerin AB-Sparkasse, welche lediglich eine Ersatzhypothek von S 150.000 für berechtigt erachtete, die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig sei, und führte aus: Bei unverhältnismäßiger Inanspruchnahme des für einen Liegenschaftsanteil erzielten Meistbots für eine auf der gesamten Liegenschaft einverleibte Forderung (Simultanpfandrecht) sei gemäß § 238 EO die Vorschrift des § 222 EO sinngemäß anzuwenden. Entsprechend dem Grundsatz, daß durch die Zwangsversteigerung alle verbücherten Forderungen fällig werden, bestimme zwar § 222 Abs 1 EO, daß Forderungen, für die eine Simultanhypothek bestellt sei, durch Barzahlung zu berichtigen seien. Allerdings könnten der Simultanpfandgläubiger und der Ersteher statt der Barzahlung der Forderung deren Übernahme in Anrechnung auf das Meistbot vereinbaren, weil dadurch Rechte Dritter (Nachhypothekare) nicht verletzt würden. Dem früheren Schuldner (Verpflichteten) und den anderen Hypothekargläubigern gegenüber habe die Übernahme einer solchen Forderung in Anrechnung auf das Meistbot dieselbe Wirkung wie die Barzahlung, in beiden Fällen trete die Befreiung des früheren Schuldners (Verpflichteten) ein (GlUNF 837). Durch die Liquidierung seiner Forderung aus dem Meistbot des versteigerten Simultanpfandobjektes habe der Simultanpfandgläubiger sein Wahlrecht ausgeübt und implizit auf die Befriedigung aus den übrigen, ihm simultan verpfändeten Liegenschaft(santeil)en verzichtet. Die Zwecke der Meistbotsverteilung und die Anwendung des § 222 EO wären geradezu vereitelt, wäre es einem Simultanpfandgläubiger gestattet, trotz bereits getroffener Wahl (Übernahme durch den Ersteher) seine Forderungen vor völliger Befriedigung nach Belieben auch bei den erst später zur Veräußerung gelangenden Simultanhypotheken zu beanspruchen (GlUNF 916).

Rechtliche Beurteilung

Der vorliegende außerordentliche Revisionsrekurs der Pfandgläubigerin ist zwar zulässig, weil zu den relevanten Rechtsfragen der (teilweisen) Übernahme der auf der gesamten Liegenschaft sichergestellten, aus dem Meistbot der allein versteigerten Liegenschaftshälfte unverhältnismäßig beanspruchten Gesamtforderung durch den Ersteher, der zugleich Eigentümer der anderen (pfandrechtlich mitverhaftenden) Liegenschaftshälfte ist, und deren Auswirkung auf die Ersatzansprüche der nur auf der versteigerten Liegenschaftshälfte sichergestellten Nachhypothekare nach § 222 Abs 4 EO aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Den Vorinstanzen ist beizupflichten, daß die für Simultanhypotheken maßgeblichen Verteilungsvorschrift des § 222 EO auch im (vorliegenden) Fall anzuwenden ist, in welchem der Gesamtpfandgläubiger aus dem Erlös eines Liegenschaftsanteiles die Befriedigung seiner ganzen Forderungen oder doch eines dem veräußerten (versteigerten) Liegenschaftsanteil nicht entsprechenden Teiles seiner Forderung beansprucht, weil einerseits im Falle der (nach Rang, Beträgen, Miteigentümern) unterschiedlichen Belastungen zwischen den einzelnen ideellen Miteigentumsanteilen ein der Simultanhypothek ähnliches Rechtsverhältnis entsteht und andererseits die Anwendung der Bestimmungen des § 222 EO auf Liegenschaftsanteile nicht ausgeschlossen, sondern gerade durch § 238 EO angezeigt ist (NZ 1995, 35; RZ 1990/10; SZ 53/105: 49/32; uva; Heller/Berger/Stix 1617 f). Macht der Simultanpfandgläubiger, der gemäß § 15 Abs 1 GBG ein Pfandrecht für dieselbe Forderung ungeteilt auf zwei oder mehreren Liegenschaften (Liegenschaftsanteilen) hat, von seinem in § 15 Abs 2 GBG normierten Recht, die Bezahlung der ganzen Schuld aus jeder einzelnen Pfandsache zu verlangen, durch einen Antrag auf unverhältnismäßige Befriedigung seiner Forderung gemäß § 222 Abs 3 EO Gebrauch, so kommt eine analoge Anwendung des § 222 (Abs 3 und) Abs 4 EO bei der Verteilung des nur für einen Liegenschaftsanteil erzielten Meistbots in Betracht. Wurde nun dieser Liegenschaftsanteil von dem einzigen Miteigentümer erstanden, so kann eine Ersatzhypothek nur auf dem ursprünglichen Liegenschaftsanteil des Erstehers begehrt werden, weil der versteigerte Liegenschaftsanteil durch Aufzehrung des Meistbots durch Barzahlung oder Übernahme von Lasten frei wird (vgl OLG Wien ZBl 1931/181; Heller/Berger/Stix 1618).

Zutreffend hat die Vorinstanz bereits darauf hingewiesen, daß nach herrschender Auffassung die gesetzliche Regel des § 222 Abs 1 EO, wonach Forderungen, für die eine Simultanhypothek bestellt ist, durch Barzahlung aus der Verteilungsmasse zu berichtigen sind, dispositiver Natur ist; der Simultanhypothekar kann durch Zustimmung zu Versteigerungsbedingungen, die die Hypothekarübernahme anordnen, oder durch Vereinbarung mit dem Ersteher die Übernahme auch seiner Hypothek erreichen (SZ 10/45; GlUNF 837; Heller/Berger/Stix 1510 f, Hoyer, Simultanhypothek2 55). Denn durch die (teilweise) Übernahme der im Meistbot gedeckten Forderung ändert sich an der Rechtsstellung der nachberechtigten Personen schon deshalb nichts, weil die Übernahme der Barzahlung gleichgesetzt wird und daher unter Anrechnung auf das Meistbot zu erfolgen hat. Durch die Übernahme tritt an die Stelle des Verpflichteten der Ersteher auch als Schuldner. Demzufolge verbleiben den Nachhypothekaren auch die in § 222 Abs 4 EO für den Fall der unverhältnismäßigen Befriedigung des Simultanpfandgläubigers verbrieften Rechte, aus allen simultanhaftenden Liegenschaften (Anteilen) Ersatzzuweisungen und Ersatzhypotheken auf der nicht versteigerten Liegenschaft (dem Anteil) geltend zu machen. Denn in dem Maße, in dem seine Forderung vom Ersteher übernommen wird, verliert der Simultanpfandgläubiger sein Recht, aus der mitverhafteten Liegenschaft (Liegenschaftsanteil) Befriedigung zu erlangen (Heller/Berger/Stix 1510).

Nach den dargelegten Grundsätzen hat daher die im besten Rang stehende Pfandgläubigerin AB-Sparkasse mit der Anmeldung ihrer gesamten aushaftenden Forderung zur Verteilung des Meistbots der Liegenschaftshälfte des Verpflichteten durch Übernahme und Barzahlung und deren Zuweisung das Recht auf Befriedigung aus der mithaftenden Liegenschaftshälfte (hier der Ersteherin) verloren, sodaß dieser Liegenschaftsanteil im Umfang des Ausfalles gemäß § 222 Abs 4 EO für die Nachhypothekare auf dem versteigerten Liegenschaftsanteil der Verpflichteten für Ersatzansprüche zur Verfügung steht. Eine Beibehaltung der Pfandhaftung des ursprünglichen Liegenschaftsanteils der Ersteherin für den übernommenen Haftungsbetrag von S 810.000 und demzufolge bloß eine Ersatzhypothek für S 150.000, wie dies die Revisionsrekurswerberin vertritt, kommt nach den Ergebnissen des vorliegenden Exekutionsverfahrens nicht in Betracht, weil der "Übernahmevertrag" zwischen der AB-Sparkasse und der Ersteherin insoweit nicht zum Schaden der in § 222 EO gedeckten Rechte der Nachhypothekare wirken kann. Der Fall liegt nicht anders, als hätte der Simultanpfandgläubiger unverhältnismäßige Barzahlung aus dem Meistbot begehrt, und den so erhaltenen Betrag sofort der Ersteherin kreditiert.

Auf Grund dieser Erwägungen bleibt der Revisionsrekurs ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78 EO, 50, 40 ZPO.

Rechtssätze
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