JudikaturJustiz2Ob70/19m

2Ob70/19m – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei E*****, vertreten durch Mag. Barbara Brandl, Rechtsanwältin in Graz, wider die beklagte Partei Ing. W***** M*****, vertreten durch Mag. Jörg Zarbl, M.B.L.-HSG, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1. (AZ 5 C 359/14x) 55.342,40 EUR sA, 2. (AZ 5 C 365/14d) 83.746,69 EUR sA und 3. (AZ 5 C 11/15x) 15.001,77 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2019, GZ 39 R 172/18k 86, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird in den Verfahren 5 C 359/14x und 5 C 365/14d jeweils des Bezirksgerichts Döbling gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei als Erwerberin einer Liegenschaft begehrt vom Beklagten als deren Veräußerer in den drei verbundenen Verfahren für jeweils unterschiedliche Zeiträume die Zahlung von Benützungsentgelt, weil er die Liegenschaft entgegen den getroffenen Vereinbarungen nicht fristgerecht geräumt übergeben habe.

Der Beklagte wandte eine die Summe sämtlicher Klageforderungen übersteigende Gegenforderung (Rückzahlungsanspruch aus einem der klagenden Partei zugezählten Darlehen) ein.

Die Vorinstanzen erkannten sowohl die Klageforderungen als auch die Gegenforderung (diese bis zur Höhe der Klageforderungen) als zu Recht bestehend und wiesen demgemäß sämtliche Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ zu den im Spruch genannten Verfahren die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf:

1. Es muss hier nicht weiter untersucht werden, o b in der der getroffenen Vereinbarung widersprechenden und daher nicht fristgerechten Räumung der Liegenschaft ein § 1440 Satz 2 ABGB zu unterstellendes, die Aufrechnung ausschließendes Verhalten des Beklagten liegt (vgl RS0033967; RS0033982; 6 Ob 616/90):

Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich das Aufrechnungsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB nur über Einrede zu berücksichtigen (1 Ob 615/93; 7 Ob 87/12p; RS0033798; auch Griss/P. Bydlinski in KBB 5 § 1440 Rz 4).

Die klagende Partei hat sich in erster Instanz nicht einmal andeutungsweise auf das Aufrechnungsverbot nach § 1440 Satz 2 ABGB berufen. Aus welchen Gründen sie dennoch befugt sein sollte, die Einrede erst im Rechtsmittelverfahren zu erheben, zeigt sie in ihrer Revision nicht auf. Ihr erstmals in der Berufung und nunmehr auch in der Revision erstattetes Vorbringen verstößt somit gegen das Neuerungsverbot. Den in der Berufung diesbezüglich gerügten Verfahrensmangel wegen unterlassener Erörterung des Aufrechnungsverbots durch das Erstgericht hat schon das Berufungsgericht verneint, was im Revisionsverfahren jedenfalls nicht mehr aufgegriffen werden kann (RS0042963).

2. Die klagende Partei hat in ihrer Aufrechnungserklärung vom 7. 3. 2016 eine Schadenersatzforderung behauptet, deren Bestehen sie schon in zwei Vorprozessen nicht nachweisen konnte und deren nachvollziehbare Begründung sie – wovon das Berufungsgericht ohne erkennbaren Rechtsirrtum ausging – gleichermaßen in der Aufrechnungserklärung schuldig blieb. Damit hat sie es aber auch verabsäumt, die Richtigkeit (§ 1439 ABGB) der damals behaupteten Gegenforderung darzutun. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Aufrechnungserklärung vom 7. 3. 2016 in Bezug auf die Darlehensforderung des Beklagten keine schuldtilgende Wirkung erzeugen und durch späteres Vorbringen, in dem sie sich auf einen Regressanspruch aus einem abgeschlossenen Vergleich bezog, auch nicht rückwirkend („ex tunc“) saniert werden konnte, wirft unter diesen Umständen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Es entspricht ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung, dass die Aufrechnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegen müssen (RS0120622).

3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist d ie Gleichartigkeit der aufzurechnenden Forderungen ausschließlich nach dem Gegenstand der Ansprüche, nicht aber nach ihren Rechtsgründen zu beurteilen (RS0033754). Die gegenteiligen Ausführungen entbehren einer gesetzlichen Grundlage.

4. Die klagende Partei bezieht sich auf die Feststellung, der Beklagte habe mit seiner Zahlung von 233.000 EUR (weitgehend) Zahlungen weiterer Bekannter weitergeleitet. Es gebe keine Feststellung, welchen Betrag der Beklagte selbst bezahlt habe.

Zum Einen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der erstgerichtlichen Ausführungen, dass das Erstgericht damit nicht ausdrücken wollte, der Beklagte sei gleichsam nur Bote anderer Geldgeber gewesen. Vielmehr wollte das Erstgericht damit nur die Herkunft des vom Beklagten bezahlten Geldes darlegen und ging im Übrigen davon aus, dass der Beklagte diese Zahlungen selbst in eigenem Namen leistete. Zum Anderen hat schon das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass die klagende Partei mit ihrer Erklärung vom 7. 3. 2016 die Forderung des Beklagten in Höhe von 233.000 EUR samt Zinsen anerkannt hat (vgl RS0033970).

5. Soweit die Revisionswerberin vorbringt, aus bestimmten Vorprozessen könne für hier gegenständliche Fragen der Aufrechnung keine bindende Wirkung abgeleitet werden, ist festzuhalten, dass die Vorinstanzen sich auf eine solche bindende Wirkung ohnehin nicht gestützt haben.

Rechtssätze
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