JudikaturJustiz2Ob607/84

2Ob607/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. August 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Pflegschaftssache der mj Sabine W*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch ihre eheliche Mutter Ingeborg W*****, diese vertreten durch Dr. Peter Panovsky, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluss des Kreisgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 6. Juni 1984, GZ R 331/84 39, womit der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 20. April 1984, GZ 2 P 116/79 36, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, für die mj Sabine W***** einen Kollisionskurator zu bestellen und diesem unter Setzung einer entsprechenden Frist aufzutragen, innerhalb dieser Frist zu erklären, ob er das bisherige Verfahren über die Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses als Vertreter der Minderjährigen genehmigt.

Der Akt ist nach Vorliegen der Erklärung oder fruchtlosem Verstreichen der dafür gesetzten Frist wieder vorzulegen.

Text

Begründung:

Aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom 22. 9. 1980, ON 5, wurden der Minderjährigen ab 1. 9. 1980 Unterhaltsvorschüsse gewährt. Diese wurden mit Beschluss vom 29. 8. 1983, ON 27, für die Zeit vom 1. 8. 1982 bis 31. 3. 1983 auf 1.000 S herabgesetzt und ab 1. 4. 1983 eingestellt. Mit Beschluss vom 21. 10. 1983, ON 30, wurde die Jugendhilfe des Magistrats der Stadt St. Pölten ihrer Stelle als Unterhaltssachwalter der Minderjährigen enthoben. Mit Beschluss vom 20. 4. 1984, ON 36, verpflichtete das Erstgericht die Minderjährige, den Betrag von 18.000 S an zu Unrecht gewährten Unterhaltsvorschüssen in 45 Monatsraten zu je 400 S beginnend mit Mai 1984 zurückzubezahlen.

Gegen diesen Beschluss erhob die Minderjährige, vertreten durch ihre eheliche Mutter, diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Panovsky Rekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben.

Dem gegen den Beschluss des Erstgerichts von der Minderjährigen, vertreten durch ihre eheliche Mutter, diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Panovsky erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen, die auch diesmal von ihrer ehelichen Mutter bzw Rechtsanwalt Dr. Peter Panovsky vertreten wird.

Vor der sachlichen Behandlung des Rechtsmittels ist zu prüfen, ob die Minderjährige im bisherigen Verfahren überhaupt rechtswirksam vertreten war.

Rechtliche Beurteilung

Dies ist zu verneinen.

Die eheliche Mutter ist von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen weil sie gemäß § 22 Abs 1 UVG unter Umständen für die zu Unrecht gewährten Unterhaltsvorschüsse haftet, soweit diese vom Kind nicht hereingebracht werden könnten und sie die Gewährung der Vorschüsse vorsätzlich oder grob fahrlässig durch Verletzung der Mitteilungspflicht veranlasst hätte. Damit besteht aber zwischen den Interessen der ehelichen Mutter und jenen des Kindes eine Kollision, welche eine Vertretung des Kindes durch erstere im Verfahren über die Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen ausschließt. Gleiches würde auch für die Jugendhilfe des Magistrats der Stadt St. Pölten gelten, weil sie (bzw das Bundesland Niederösterreich) gemäß § 22 Abs 1 UVG unter Umständen ebenfalls für die zu Unrecht gewährten Unterhaltsvorschüsse haften könnte. Da sich die Minderjährige in diesem Verfahren auch nicht selbst vertreten kann, hätte das Erstgericht für sie einen Kollisionskurator gemäß § 271 ABGB bestellen müssen. Da es dies nicht getan hat, leidet das bisherige Verfahren am Nichtigkeitsgrund des § 477 Z 5 ZPO.

So wie die Nichtigkeitsgründe des § 477 ZPO gelten auch die Bestimmungen der §§ 6 und 7 ZPO sinngemäß im Verfahren außer Streitsachen. Aus Anlass des vorliegenden Rekurses ist daher zunächst zu versuchen, durch Bestellung eines Kollisionskurators eine Sanierung des Mangels der gesetzlichen Vertretung zu erreichen (vgl die Entscheidung EFSlg 40.953, in welcher zur Frage der Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators wegen Kollision der Interessen des Kindes einerseits und der Bezirksverwaltungsbehörde bzw der Mutter andererseits sowie dazu, dass sich ein Minderjähriger in einem derartigen Verfahren nicht selbst vertreten kann, ausführlich Stellung genommen wurde).