JudikaturJustiz2Ob46/95

2Ob46/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. August 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Gebietskrankenkasse, ***** vertreten durch Dr.Klaus Grubhofer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Dr.Lothar P*****, vertreten durch Dr.Reinhard Pitschmann und Dr.Rainer Santner, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 309.724 sA und Feststellung (Streitwert S 60.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. März 1995, GZ 3 R 12/95-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 21.Oktober 1994, GZ 6 Cg 191/94i-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte bewohnt mit seiner Familie ein Haus in D*****. Nach Absprache mit dem Beklagten begab sich die bei der Klägerin sozialversicherte Margit F***** am 29.7.1992 gegen 11.40 Uhr zum Wohnhaus des Beklagten, um dort etwas abzuholen. Sie wurde von dem damals allein im Haus befindlichen zehnjährigen Sohn des Beklagten eingelassen und nahm sogleich Rauchgeruch wahr. Sie öffnete daraufhin die Küchentüre und sah, daß die gesamte Küche voll Rauch war. Dieser Rauch stammte von einem mit Öl gefüllten und auf einer eingeschalteten heißen Herdplatte stehenden Topf. Margit F***** begab sich zum Herd, schob den Topf auf eine andere Platte und schaltete den Herd ab. Dabei gelangte offensichtlich heißes Öl auf die Herdplatte, welches sich in einer Stichflamme entzündete. Um der dadurch gegebenen Gefahr entgegenzuwirken, ergriff Margit F***** den Topf an beiden Henkeln und wollte ihn durch eine Außentür der ebenerdig gelegenen Küche ins Freie befördern, um einen Brand in der Küche zu verhindern. Dabei wurde etwas Öl auf den Fliesenboden verschüttet, worauf Margit F***** ausrutschte und zu Sturz kam. Das heiße Öl ergoß sich über ihre Arme und Beine. Zudem rutschte sie mit dem Gesäß und dem Rücken über das am Boden befindliche heiße Öl, sodaß es auch am Gesäß und am Rücken zu Verbrennungen kam. Weitgradige Verbrennungen erlitt sie überdies im Gesicht. Ob allenfalls der durch den Topf mit heißem Öl auf der eingeschalteten Herdplatte gegebenen Gefahr ausreichend durch Abschalten des Herdes allein begegnet hätte werden können, steht nicht fest. Margit F***** hat jedenfalls nach Wahrnehmung des Rauches in der Küche spontan gehandelt und nicht lange überlegt, welche Reaktion nun die richtige sei. Die Klägerin hat aufgrund der Verletzungen ihrer Versicherten an und für diese bisher Leistungen in nicht strittiger Höhe von S

309.724 erbracht. Weitere Leistungen der Klägerin an ihre Versicherte aufgrund des genannten Vorfalles sind nicht auszuschließen.

Zur Begründung ihrer auf Ersatz der bisherigen Leistungen sowie auf Feststellung der Haftung des Beklagten für alle wegen dieses Vorfalles auch künftig zu erbringenden Leistungen gerichteten Klage brachte die Klägerin vor, beim Einschreiten ihrer Versicherten habe es sich um eine Geschäftsführung im Notfall im Sinne des § 1036 ABGB gehandelt; ihre Hilfe sei im Interesse des Beklagten gelegen, sodaß dieser als Geschäftsherr anzusehen sei; er habe daher nach § 1014 ABGB sowie nach den schadenersatzrechtlichen Bestimmungen allen durch sein Verschulden entstandenen oder mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schaden zu vergüten; nach den Bestimmungen des ASVG sei die Ersatzforderung der Geschädigten auf die Klägerin übergegangen, welche daher im Umfang ihrer Leistungen regreßberechtigt sei.

Der Beklagte wendete ein, ihn treffe kein Verschulden; die Tätigkeit der Margit F***** sei unnötig und auch ohne Nutzen für ihn gewesen, jedenfalls treffe sie überwiegendes Eigenverschulden; überdies gewähre § 1036 ABGB nur Ersatz eines Aufwandes, nicht aber auch Ersatz eines bei einer Geschäftsführung im Notfall erlittenen Schadens; die Regreßforderung der Klägerin sei aber auch deswegen verfehlt, weil es sich beim genannten Vorfall um einen Arbeitsunfällen gleichgestellten Unfall im Sinne des § 176 Abs 1 Z 2 ASVG gehandelt habe und dem Beklagten Vorsatz nicht unterstellt werden könne.

Das Erstgericht wies die Klage ab; ein Fall des § 176 Abs 1 Z 2 ASVG liege nicht vor; § 1036 ABGB gewähre nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung dem Geschäftsführer nur Ersatz des getätigten Aufwandes, abweichend von der Regel des § 1014 ABGB nicht aber auch Ersatz erlittenen Schadens; eine analoge Anwendung des § 1014 ABGB auch auf Fälle einer Geschäftsführung im Notfall müsse an der offensichtlich unterschiedlichenn Regelung des Gesetzgebers hinsichtlich des Institutes des Bevollmächtigungsvertrages einerseits und der Geschäftsführung ohne Auftrag andererseits scheitern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Es billigte die Entscheidungsgründe des Erstgerichtes und führte ergänzend folgendes aus:

Nach der Auslegungsregel des § 6 ABGB dürfe einem Gesetz in seiner Anwendung "kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet". Grundsätzliche Voraussetzung für eine Analogie (§ 7 ABGB) sei eine planwidrige, vom Gesetzgeber nicht gewollte Gesetzeslücke, welche vom Gericht im Wege der Analogie geschlossen werden könne. Im Falle einer derartigenn Gesetzeslücke sei das Gesetz im Sinne seiner eigenen Absicht ergänzungsbedürftig, wobei aber seine Ergänzung einer von ihm gewollten Beschränkung nicht widersprechen dürfe. Der Wortlaut des § 1036 ABGB sehe einen Ersatz des Schadens, den ein ohne Auftrag im Notfall handelnder Geschäftsführer im Zusammenhang mit der Nothilfe erleide, nicht vor. Auch das Berufungsgericht erblicke darin eine vom Gesetzgeber gewollte Beschränkung, sodaß eine analoge Anwendung des § 1014 ABGB nach den vorerwähnten Grundsätzen scheitern müsse. Die Bestimmung des § 1036 ABGB gehöre zum 22. Hauptstück des ABGB, welches Kapitel - nach seiner Überschrift - "Von der Bevollmächtigung und anderen Arten der Geschäftsführung" handle. Während Belange des Bevollmächtigungsvertrages in den §§ 1002 bis 1033 ABGB geregelt würden, enthielten die im Gesetz nachfolgenden Bestimmungen Regeln über "andere Arten der Geschäftsführung", wie über gerichtliche und gesetzliche Bevollmächtigung (§ 1034 ABGB), über Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 1035 ABGB), über Geschäftsführung im Notfall (§ 1036 ABGB) oder zum Nutzen eines anderen (§ 1037 ABGB) oder gegen den Willen eines anderen (§ 1040 ABGB); nach der nachfolgenden Regelung bestimmter Verwendungsansprüche (§§ 1041 und 1042 ABGB) enthalte das genannte Hauptstück schließlich auch eine Entschädigungsregelung zugunsten desjenigen, der in einer Gefahrengemeinschaft sein Eigentum aufgeopfert habe, um einen größeren Schaden von sich und anderen abzuwenden (§ 1043 ABGB). In auffallendem Unterschied zu § 1014 ABGB, welche Bestimmung dem vom Geschäftsherrn Beauftragten neben Aufwandersatz auch Vergütung des mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schadens gewähre, erwähne der Wortlaut des § 1036 ABGB lediglich den Ersatz des notwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwandes, nicht aber auch einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, welchen ein nach § 1036 ABGB handelnder Geschäftsführer im Zusammenhang seines Einschreitens erleide. Die Bergung einer fremden beweglichen Sache vor dem sonst unvermeidlichen Verlust oder Untergang derselben im Sinne des § 403 ABGB, auf welche Bestimmung § 1036 ABGB verweise, sei eine Erscheinungsform der Geschäftsführung im Notfall. Aber auch nach dem Wortlaut des § 403 ABGB werde lediglich Aufwandersatz und Bergelohn - in zugleich bestimmt geregelter Höhe - gewährt. Wie § 1014 ABGB unterscheide beispielsweise auch § 967 ABGB zwischen Schadenersatz und - neben dem Ersatz der Kosten der Verwahrung - Ersatz desjenigen Aufwandes eines Verwahrers, welcher - im Notfall - seine eigenen Sachen aufgeopfert habe, um das hinterlegte Gut zu retten. Auch § 1043 ABGB enthalte eine bestimmte Entschädigungsregel. Unter Berücksichtigung der insbesondere auch im

22. Hauptstück des ABGB getroffenen Unterscheidung zwischen Schadenersatz, Aufwandersatz und Entlohnung liege unter Bedachtnahme auf den Wortlaut des § 1036 ABGB der Schluß nahe, daß der Gesetzgeber einem ohne Auftrag im Notfall handelnden Geschäftsführer - im Unterschied zu einem Beauftragten (§ 1014 ABGB) - einen Ersatz des anläßlich der Nothilfe erlittenen Schadens nicht gewähren habe wollen, sodaß die von der Klägerin gewünschte Analogie nicht Platz greifen könne. Diese Lösung möge im Einzelfall unbefriedigend erscheinen, doch sei es nicht Aufgabe der Gerichte, unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern und im Wege der Rechtsfortbildung Gedanken in ein Gesetz zu tragen, die darin nicht enthaltenn sind.

Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO sei zugelassen worden, weil zur hier entscheidenden Streitfrage, ob einem ohne Auftrag im Notfall handelnden Geschäftsführer neben dem Ersatz seines Aufwandes auch ein Ersatz des Schadens, den er anläßlich der Nothilfe erlitten hat, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle und die Lehre diese Frage unterschiedlich beantworte.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im stattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, die Besorgungshandlung ihrer verletzten Versicherungsnehmerin sei zwar vordergründig als Geschäftsführung im Notfall im Sinne des § 1036 ABGB zu werten, trage jedoch wesentlich mehr Elemente des klassischen Bevollmächtigungsvertrages in sich. Die verletzte Versicherungsnehmerin habe nicht unberufen ein fremdes Geschäft besorgt, sondern sei dem gesetzlichen Auftrag des § 95 StGB gefolgt. Der Beklagte habe daher gemäß § 1014 ABGB die mit der Erfüllung des Auftrages typischerweise verbundenen Schäden zu vergüten.

Hiezu wurde erwogen:

Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin kann die Strafbestimmung des § 95 StGB nicht zur Heranziehung von Vertragsrecht und zur unmittelbaren Anwendung des § 1014 ABGB führen, weil ein Vertragsverhältnis zwischen der Verletzten und dem Beklagten nicht vorliegt (vgl Rummel in Rummel, ABGB2 § 1035 Rz 6 aE, § 1036 Rz 2, der bei gesetzlicher Verpflichtung zur Hilfeleistung Ansprüche in Analogie zu den §§ 1035 ff ABGB für möglich hält). Zutreffend sind die Vorinstanzen vielmehr von § 1036 ABGB ausgegangen: Die darin geregelte Geschäftsführung im Notfall setzt ua die Absicht voraus, einen bevorstehenden Schaden abzuwenden; ob ein Schaden so unmittelbar bevorsteht, daß eigenmächtiges Eingreifen erforderlich ist, muß aus der Sicht eines redlichen, objektiven Beobachters geprüft werden, sodaß auch ein vermeintlicher Notfall ausreichen kann (JBl 1984, 256; Stanzl in Klang2 IV/1, 897; Rummel aaO § 1036 Rz 1).

Aus dieser Sicht waren im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer Geschäftsführung im Notfall gegeben: Der Verletzten ist nach den getroffenen Feststellungen die Annahme einer akuten Brandgefahr zuzubilligen. Bei ihrer nachfolgenden Rettungshandlung hat sie sich verletzt und somit einen Schaden erlitten.

Richtig haben die Vorinstanzen erkannt, daß § 1036 ABGB im Gegensatz zu § 1014 ABGB für den Geschäftsführer im Notfall nur Aufwandersatz, nicht aber Schadenersatz vorsieht. Die Frage, ob dem Nothelfer dennoch auch ein Recht auf Ersatz des (Zufalls)Schadens zuzubilligen ist, wird in der Lehre nicht einheitlich beantwortet.

Ehrenzweig II/1, 718, vertritt die Auffassung, der mit der Geschäftsführung verbundene Schaden werde dem Geschäftsführer in keinem Fall ersetzt; denn das Gesetz (§ 1014 ABGB) unterscheide diesen Schaden vom Aufwand. Die Analogie des Auftrages treffe nicht zu, der Geschäftsherr habe ja den Geschäftsführer nicht aufgefordert, sich in Gefahr zu begeben.

Hingegen lehrt Stanzl, aaO 900, daß der Geschäftsherr dem Geschäftsführer für die Betriebsgefahr, die typischen Gefahren des Geschäfts hafte. Dem Geschäftsführer nur gemäß dem Wortlaut des § 1036 ABGB wie in § 1014 erster Halbsatz ABGB zwar Anspruch auf Auslagenersatz, nicht aber im Sinne des Schlusses des § 1014 ABGB Anspruch auf Ersatz des mit der Ausführung des Geschäfts verbundenen Schadens zu gewähren, wäre eine halbe Maßnahme. Die letztere Stelle müsse auf den Geschäftsführer analog angewendet werden. Das Schweigen des § 1036 ABGB wiege nicht allzu schwer, weil die Geschäftsführung im allgemeinen nur knapp geregelt worden sei und weil die in § 1014 ABGB anschließend an die in § 1036 sinngemäß wiederkehrende Regelung bedachten Fälle für die Geschäftsführung nicht in Betracht kämen (Vorschuß) oder selbstverständlich seien (Haftung für verschuldeten Schaden). Weiters sei § 1015 ABGB analog anzuwenden und daher dem Geschäftsführer, der bei der Geschäftsführung im Notfall zufälligerweise Schaden gelitten habe, eine über seinen Aufwand und über den Verdienstentgang hinausgehende Belohnung zuzusprechen. Daß ein vereinbarter Lohn bei der Geschäftsführung nicht in Betracht komme, sei damit abzutun, daß das Gesetz ohne weiteres einen angemessenen Lohn als Maßstab bestimmen könne.

Rummel, aaO § 1036 Rz 4, befürwortet Analogie zu den §§ 1014 aE, 1015 ABGB. Koziol/Welser I10 505 bezeichnen es als herrschende Ansicht, daß der Geschäftsführer wie der Beauftragte (§ 1014 ABGB) ein Recht auf Ersatz des Schadens habe, der mit der Ausführung des Geschäfts verbunden war. Auch Apathy in Schwimann §§ 1036 bis 1040 ABGB Rz 4 beschränkt sich auf die Angabe, daß der Geschäftsführer für Schäden nach herrschender Lehre bei notwendiger Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz begehren könne.

Eingehender haben sich in jüngerer Zeit mit der zu lösenden Rechtsfrage - auch mit der sozialversicherungsrechtlichen Komponente - Fitz, Risikozurechnung bei Tätigkeit im fremden Interesse 96 ff, und Meissel, Geschäftsführung ohne Auftrag 185 ff, befaßt. Fitz betont die Zurechnungsmerkmale Interesse und Gefahr, fordert aber eine differenziertere Abwägung als beim Modell des Auftrages, so die Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit von Einsatz (Risiko) und möglichem Erfolg der Geschäftsführung und der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der beiden Parteien. Er weist auf den Sozialversicherungsschutz bei Nothilfe gemäß § 176 Abs 2 Z 2 ASVG hin, lehnt ein Haftungsprivileg des Geschäftsherrn analog § 333 Abs 1 ASVG ab und spricht sich gegen eine Regreßmöglichkeit des Versicherungsträgers gemäß § 332 Abs 1 ASVG aus.

Meissel will § 967 Satz 2 ABGB analog heranziehen und gelangt zu einem Anspruch auf angemessene Entschädigung. Dabei sei auf den Wert der aufgeopferten Güter, die Zweckmäßigkeit des Aufopferns, den Wert der geretteten Güter und die Vermögenssituation von Geschäftsführer und Geschäftsherrn Bedacht zu nehmen. Bei einem Anspruch, der von vornherein stärker unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit stehe, lasse sich auch die Verweigerung eines Forderungsüberganges auf die Sozialversicherung leichter begründen.

Das Schweizer Obligationenrecht verpflichtet den Geschäftsherrn in Art 422 ausdrücklich, dem Geschäftsführer ohne Auftrag Schadenersatz nach Ermessen des Richters zu leisten; es erfolgt eine Billigkeitsentscheidung (vgl Honsell/Vogt/Wiegand, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Art 422 Rz 11; Gautschi im Berner Kommentar, Art 422 OR, Rz 10 a ff mit Bezugnahme auf Digestenstellen).

Nach deutschem Recht kann der Geschäftsführer ohne Auftrag gemäß § 683 BGB wie ein Beauftragter (§ 670 BGB) Ersatz seiner Aufwendungen fordern. Die Frage des Schadenersatzes ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Es herrscht aber - bei Unterschieden in der Begründung - weitgehende Übereinstimmung, daß die Ablehnung von Ersatzansprüchen in vielen Fällen unbefriedigend wäre; überwiegend wird eine Einschränkung auf angemessene Entschädigung vertreten (vgl Thomas in Palandt54 § 670 Rz 9 ff, § 683 Rz 9 f; Ehmann in Erman9 § 670 Rz 7 ff, § 683 Rz 6; Wittmann in Staudinger12 § 683 Rz 5; Seiler im Münchner Kommentar2 § 683 Rz 18 ff; Steffen im RGRK12 § 670 Rz 12 ff, 20, § 683 Rz 2 jeweils mwN). Die Frage des Forderungsüberganges auf den Sozialversicherungsträger gemäß § 116 SGB X (früher § 1542 RVO) ist in Deutschland umstritten (dafür Wittmann aaO § 683 Rz 6; Steffen aaO § 683 Rz 11; vgl BGHZ 33, 251, und 38, 270; dagegen Ehmann aaO § 670 Rz 13; Seiler aaO § 683 Rz 21; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag 303 ff; einschränkend BGHZ 92, 270).

Der erkennende Senat ist anders als die Vorinstanzen der Ansicht, daß aus dem Umstand, daß § 1036 ABGB im Gegensatz zu den §§ 1014 f ABGB keinen Schadenersatzanspruch vorsieht, nicht der Umkehrschluß zu ziehen ist, der Geschäftsführer ohne Auftrag sei vom Ersatz des Zufallsschadens auszuschließen. Dem Gesetzgeber ist angesichts der zwar nicht gleichen, aber vergleichbaren Interessenslage nicht die Absicht zu unterstellen, er habe den Nothilfe leistenden Geschäftsführer anders als den Beauftragten mit dem vollen Schadensrisiko belasten wollen. Vielmehr ist in wertender Betrachtung eine Gesetzeslücke anzunehmen, die im Wege der Analogie zu füllen ist.

Allerdings ist nicht schlechthin § 1014 ABGB analog anzuwenden, weil bei der Geschäftsführung ohne Auftrag der Geschäftsführer vom Geschäftsherrn nicht willentlich einer geschäftstypischen Gefahr ausgesetzt wird und der Geschäftsherr keinen Einfluß darauf hat, ob und wie der Geschäftsführer zur Schadensabwehr einschreitet. Vielmehr ist den Bestimmungen der §§ 1015, 1043 und 967 ABGB der Grundgedanke der angemessenen Entschädigung zu entnehmen, was zu einer Billigkeitshaftung in Anlehnung an die §§ 1306 a, 1310 ABGB führt.

Ob und in welchem Umfang dem Nothilfe leistenden Geschäftsführer Ersatz gebührt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Hiebei wird etwa auf das Verhältnis zwischen der dem Geschäftsherrn drohenden Gefahr und dem vom Geschäftsführer eingegangenen Risiko (vgl das Beispiel von Fitz aaO 100), die Art und die Höhe der Schäden des Geschäftsführers, eine Mitwirkung an der Entstehung der Gefahrenlage sowie die wirtschaftliche Tragfähigkeit Bedacht zu nehmen sein. Während bei der Prüfung, ob ein eigenmächtiges Eingreifen als Geschäftsführer gerechtfertigt war, eine ex-ante-Betrachtung zu erfolgen hat, sind für die Ersatzbemessung nach Billigkeit Gefahr und Schaden ex post in Relation zu setzen (vgl Reischauer in Rummel2 § 1306 a Rz 12). Bei der Tragbarkeitsprüfung werden nicht nur Einkommen und Vermögen, sondern auch Versicherungsdeckungen zu berücksichtigen sein (vgl Reischauer aaO § 1310 Rz 9 mwN).

Für Nothilfefälle besteht Sozialversicherungsschutz gemäß § 176 Abs 2 Z 2 ASVG. Fitz (aaO 109 ff mwN) hat überzeugend dargestellt, daß dem Geschäftsherrn das Haftungsprivileg des Dienstgebers gemäß § 333 Abs 1 ASVG nicht zugute kommt. Im Vordergrund steht im hier zu beurteilenden Fall aber die Frage, ob ein Regreß des Sozialversicherers des Geschäftsführers beim Geschäftsherrn möglich ist (vgl auch Krejci in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 3.2.3.1.).

Gemäß § 332 Abs 1 ASVG geht der Anspruch auf den Versicherungsträger insoweit über, als dieser Leistungen zu erbringen hat, wenn Personen, denen nach den Bestimmungen des ASVG Leistungen zustehen, den Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Versicherungsfall erwachsen ist, aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften beanspruchen können.

Auch Fitz (aaO 112) muß zugeben, daß Einschränkungen dieses Regreßrechts, wie sie etwa für Arbeitgeber oder Arbeitskameraden gelten, zugunsten des gefährdeten Geschäftsherrn nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht vorgesehen sind. Nach Meinung des erkennenden Senates gebietet aber auch der Zweck des Gesetzes keine solche Einschränkung. Die 1962 eingeführte Bestimmung des § 176 Abs 2 Z 2 ASVG soll dem Nothelfer Versicherungsschutz bieten (und ihm das Risiko der Insolvenz des Geschäftsherrn abnehmen), nicht aber den von der Rettung Begünstigten von seiner Haftung aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag befreien. Den Gesetzesmaterialien zufolge sollten durch die genannte Gesetzesstelle Tätigkeiten, die aus altruistischen Beweggründen im Interesse der Allgemeinheit unternommen werden (Lebensrettung, Hilfeleistung in Unglücksfällen oder allgemeiner Gefahr usw) in den Unfallversicherungsschutz einbezogen werden (vgl SZ 61/139 mwN). Daß damit beabsichtigt war, das Rettungsrisiko endgültig auf die Allgemeinheit zu verlagern und den Gefährdeten auch von jenem Beitrag zu befreien, den er nach bürgerlichem Recht zu leisten hätte, kann den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden. Gerade im vorliegenden Fall ist nicht einzusehen, warum das Risiko einer Nothilfe (allein) der Allgemeinheit und nicht (auch - im angemessenen Umfang - ) dem Beklagten zugerechnet werden soll, wenn dessen Haus (in dem sich überdies sein Kind befand) durch die Rettungsaktion vielleicht vor dem Abbrennen bewahrt wurde. Der Nothelfer handelt in der Regel eben nicht nur im allgemeinen, sondern auch im individuellen Interesse. Eine strikte Sozialisierung von Nothilfeschäden ist daher abzulehnen.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies folgendes: Ein Schadenersatzanspruch der Verletzten als Nothilfe leistende Geschäftsführerin ohne Auftrag gegen den Beklagten als Geschäftsherrn ist nicht ausgeschlossen. Dieser Anspruch konnte gemäß § 332 Abs 1 ASVG auf den klagenden Sozialversicherungsträger übergehen.

Ob und in welcher Höhe der Verletzten aber tatsächlich ein Anspruch gegen den Beklagten nach Billigkeit zustand, der auf die Klägerin übergegangen ist, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden. So fehlen für die vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere Feststellungen über die Größe der dem Beklagten tatsächlich drohenden Gefahr, zumal der Beklagte vorgebracht hat, wegen eines Überhitzungsschutzes der Herdplatte hätte überhaupt keine Gefahr bestanden. Aber auch eine Tragfähigkeitsprüfung kann noch nicht vorgenommen werden: Abgesehen davon, daß keine Feststellungen zu den beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen getroffen wurden, ist insbesondere nicht geklärt worden, ob Deckung durch die in der Klage angeführte Haushaltsversicherung des Beklagten bestünde. Stehen einander nämlich in Wahrheit wirtschaftlich betrachtet zwei Versicherer gegenüber, wäre auch dies bei der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen (vgl SZ 52/168; Reischauer aaO § 1310 Rz 9 mwN).

Da es somit noch einer Verfahrensergänzung bedarf, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und war die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.