JudikaturJustiz2Ob316/01m

2Ob316/01m – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter S*****, vertreten durch Tinzl Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Zitta und Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 424,93, infolge Rekurses der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2001, GZ 3 R 275/01i-16, womit die Berufung der Nebenintervenientin zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird behoben. Dem Gericht zweiter Instanz wird die Fortsetzung des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung eines wirksamen Beitritts der Nebenintervenientin aufgetragen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Fahrzeug des Klägers wurde am 15.6.2000 bei Benützung der mautpflichtigen A 13 durch Steinschlag beschädigt. Der Kläger nimmt die beklagte Partei als Straßenerhalter in Anspruch, weil Asphaltierungsarbeiten unsachgemäß durchgeführt bzw die erforderlichen Absicherungsmaßnahmen nicht durchgeführt worden seien. Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, die Asphaltierungsarbeiten einer Spezialfirma, der Nebenintervenientin, übertragen zu haben, welche die Baustellenabsicherung bescheidgemäß durchgeführt habe.

Mit Schriftsatz vom 7. 2. 2001 verkündete die beklagte Partei der Nebenintervenientin den Streit.

Mit einem am 14. 3. 2001 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz (ON 8) erklärte die Nebenintervenientin ihren Beitritt auf Seite der beklagten Partei. Dieser Schriftsatz trägt den Vermerk "Zustellung an KV und BV direkt gemäß § 112 ZPO". Die Zustellung dieses Schriftsatzes ist nicht aktenkundig. Das Erstgericht verfügte aber eine Ladung an die Vertreter der Nebenintervenientin (Formular B 1) für die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. 4. 2001. In dieser Tagsatzung wurde der Schriftsatz der Nebenintervenientin vorgetragen. Das Vorbringen der Nebenintervenientin wurde vom Vertreter des Klägers bestritten. In der Folge legte der Vertreter der Nebenintervenientin weitere Urkunden vor (./1-13) und beteiligte sich an der Beweisaufnahme.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens) statt.

Gegen diese Entscheidung erhoben sowohl die beklagte Partei als auch die Nebenintervenientin Berufung.

Das Berufungsgericht wies die Berufung der Nebenintervenientin zurück. Es liege keine wirksamer Beitritt vor, weil die Rechtswirkungen der Nebenintervention erst nach Zustellung des Beitrittschriftsatzes nach § 25 ZPO durch das Gericht einträten. Ein derartiger vom Gericht angeordneter Zustellvorgang liege nicht vor; der Weg einer direkten Zustellung nach § 112 ZPO stehe nur zwischen Parteien offen; eine noch nicht rechtswirksam beigetretene Nebenintervenientin sei aber noch nicht Verfahrenspartei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der Nebenintervenientin ist jedenfalls zulässig (Kodek in Rechberger ZPO 2 § 519 Rz 3) und auch berechtigt. Der 4. Senat des Obersten Gerichtshofes hat bei einem nahezu identen

Sachverhalt folgendes ausgeführt (4 Ob 224/01x = RdW 2002,285 = JBl

2002,395 = ARD 5333/38/02 = Jus-Extra OGH-Z 3264):

"Der Beitritt als Nebenintervenient ist gemäß § 18 Abs 1 ZPO gegenüber dem Gericht zu erklären. Er wird mit Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an beide Parteien wirksam (EvBl 1999/148 mwN). Die Beitrittserklärung kann aber auch durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung erfolgen (SZ 68/218). Das Gericht hat, noch ehe es die Zustellung eines Beitrittsschriftsatzes anordnet, von Amts wegen die formellen Beitrittsvoraussetzungen zu prüfen und die Nebenintervention bei deren Verneinung zurückzuweisen (EvBl 1999/148 mwN aus Lehre und Rsp). Deixler-Hübner (Die Nebenintervention im Zivilprozess, 72 ff) stellt mit beachtlichen Gründen die Richtigkeit der herrschenden Auffassung, der Beitritt eines Nebenintervenienten werde erst mit der vollzogenen Zustellung an beide Parteien wirksam, in Frage. Ihrer Ansicht nach sei eine Unterscheidung zwischen dem Zeitpunkt der Abgabe der Beitrittserklärung, zu dem die Nebenintervention erfolge, und jenem der Zustellung an beide Parteien, zu dem erst die Wirksamkeit der Nebenintervention eintrete, weder aus dem Wortlaut des § 18 Abs 1 ZPO, noch aus der ratio der Nebeninterventionsbestimmungen erschließbar. Die Beitrittserklärung sei vielmehr ein Dispositivakt gegenüber dem Gericht, der den Prozess unmittelbar durch Hinzutreten eines Dritten gestalte, und dessen Zugang an beide Parteien für die Wirksamkeit ohne Bedeutung sei. Der prozesserhebliche Schritt sei bereits mit der Abgabe der Erklärung an das Gericht getan; ab nun könne der Nebenintervenient im Verfahren handeln und jede Partei die Zurückweisung beantragen, selbst wenn sie vom Beitritt zunächst auf andere Weise erfahren habe. Der Zustellung der Beitrittserklärung durch das Gericht komme bloß die Bedeutung einer amtlichen Mitteilung an die Parteien zu. Für diese Auslegung spreche insbesondere auch § 18 Abs 3 ZPO; diese Bestimmung ermögliche es dem Nebenintervenienten, bis zur rechtskräftigen Stattgebung eines Zurückweisungsantrags Prozesshandlungen vorzunehmen. Nur bei dieser Auslegung werde auch dem Prozessprinzip des optimalen Zugangs zum Recht entsprochen. Der erkennende Senat hält diese Auffassung von Deixler-Hübner - ohne dass es einer weitergehenden Auseinandersetzung mit den Gegenstimmen bedarf - jedenfalls insoweit für zutreffend, als ein wirksamer Beitritt des Nebenintervenienten spätestens dann vorliegt, wenn sein Beitrittsschriftsatz in Gegenwart beider Parteien in einer Tagsatzung vorgetragen und anschließend mit den Parteien über einen Zurückweisungsantrag mündlich verhandelt wird, mag auch ein förmlicher Zustellvorgang des Beitrittsschriftsatzes durch das Gericht gem § 25 ZPO unterblieben sein. In diesem Fall ist der durch den gesetzlich vorgeschriebenen Zustellvorgang angestrebte Zweck, die Parteien über die Nebenintervention zu informieren und ihnen die Möglichkeit eines Zurückweisungsantrags zu eröffnen, auch ohne den Zustellvorgang bereits erreicht, sodass es ein nicht zu rechtfertigender Formalismus wäre, wollte man unter diesen Umständen der Nebenintervention ihre Wirksamkeit unter Hinweis auf eine Verletzung des § 25 ZPO absprechen".

Diese Rechtsansicht wurde in der Folge ausdrücklich aufrecht erhalten (4 Ob 290/01b = ARD 5333/37/02).

Auch der erkennende Senat schließt sich der Rechtsmeinung an, ein wirksamer Beitritt eines Nebenintervenienten liege bereits dann vor, wenn der Beitrittschriftsatz verlesen, von den Parteien widerspruchslos zur Kenntnis genommen und das Verfahren unter Zuziehung des Nebenintervenienten geführt wurde, auch wenn die Zustellung des Beitrittschriftsatzes nicht aktenkundig ist. Das Berufungsgericht wird im Berufungsverfahren die Berufung der Nebenintervenientin zu behandeln haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.