JudikaturJustiz2Ob200/19d

2Ob200/19d – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. November 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2015 verstorbenen E***** V*****, zuletzt *****, über den Revisionsrekurs der Verlassenschaft vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. Roman Sas-Zaloziecki, öffentlicher Notar, Wien 10, Keplerplatz 14, dieser vertreten durch Scheer Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. Juli 2019, GZ 42 R 168/19w 94, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 14. März 2019, GZ 35 A 28/15s 85, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin R***** reg.Gen.m.b.H. hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die am ***** 2015 verstorbene Erblasserin hinterließ weder eine letztwillige Verfügung noch gesetzliche Erben. Im Verlassenschaftsverfahren wurde keine Erbantrittserklärung abgegeben und in der Folge ein Verlassenschaftskurator bestellt.

[2] Neben weiteren Gläubigern meldete die Gläubigerin R***** reg.Gen.m.b.H. eine Forderung von 687.063,99 EUR an und brachte vor, mit Abstattungskreditvertrag vom 6. 10. 1987 sei der Erblasserin ein Kredit von 350.000 ATS gewährt worden, der laut Meistbotsverteilungsbeschluss des Bezirksgerichts Horn vom 22. 4. 1999, AZ *****, zum damaligen Zeitpunkt mit 1.110.513,09 ATS (80.704,13 EUR) ausgehaftet habe. D er dortige Meistbotsanteil von 254.200 ATS sA (18.458,90 EUR) habe die Restschuld nur auf 74.410,21 EUR reduziert. Diese sei trotz laufender monatlicher Drittschuldnerleistungen durch die vierteljährliche Kapitalisierung der vereinbarten kontokorrentmäßigen jährlichen 18,5%igen Zinslast auf insgesamt 687.063,99 EUR am Todestag angewachsen. D ie Gläubigerin legte dazu als Bescheinigungsmittel eine Kopie des rechtskräftigen und vollstreckbaren Versäumungsurteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. 10. 1990, AZ *****, vor, mit welchem die Erblasserin zur Zahlung von 100.000 ATS, allerdings ohne Zinsenzuspruch, verpflichtet worden war . Weiters legte sie eine Kopie des genannten Meistbotsverteilungsbeschlusses und eine von der Gläubigerin angefertigte Aufstellung „Zinsstaffel IST“ zur Saldenentwicklung des Kreditkontos seit der „außerbücherlichen Kontoführung“ ab 1. 7. 2001 vor.

[3] Der Verlassenschaftsku rator erklärte, diese Forderung nicht anzuerkennen, weil sie anhand der vorgelegten Unterlagen zumindest der Höhe nach nicht nachvollziehbar sei. Die Zinsenforderung sei überhöht. Die Gläubigerin habe die Forderung nur unzureichend bescheinigt.

[4] Mit Beschluss vom 14. 3. 2019 nahm das Erstgericht das Inventar mit Aktiven von 13.454,46 EUR, Passiven von 711.472,01 EUR somit einer Nachlassüberschuldung von 698.017,55 EUR zur Kenntnis. Es bestimmte die Gebühren des Gerichtskommissärs, des Sachverständigen und die Entschädigung des Verlassenschaftskurators und nahm zur Kenntnis, dass die Forderung der Gläubigerin R***** reg.Gen.m.b.H. vom Verlassenschaftskurator nicht anerkannt werde. Weiters überließ es den Gläubigern die Aktiven der überschuldeten Verlassenschaft, bestehend aus Bankguthaben und Bargeld, an Zahlungs statt. Die von der Gläubigerin R***** reg.Gen.m.b.H. geltend gemachte Forderung fand dabei keine Berücksichtigung. Zuletzt sprach es aus, dass der Verlassenschaftskurator mit Rechtskraft des Beschlusses seines Amtes enthoben werde.

[5] Gegen diesen Beschluss, mit Ausnahme der Bestimmung der Sachverständigengebühren, erhob die Gläubigerin R***** reg.Gen.m.b.H. Rekurs mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens durch Bestimmung einer Frist, in der die Gläubigerin ihren Anspruch mittels Klage geltend zu machen habe, in eventu die Veranlassung eines Verlassenschaftskonkurses, aufzutragen.

[6] Das Rekursgericht wies den Rekurs, soweit er sich gegen die bloße Zurkenntnisnahme des Inventars richtete, zurück, weil darin keine der Anfechtung zugängliche gerichtliche Entscheidung liege. Im Übrigen gab es dem Rekurs Folge, hob den Beschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

[7] Das Rekursgericht führte aus, die Gläubigerin habe ihre bestrittene Forderung nicht durch unbedenkliche Urkunden bescheinigt, weil daraus die begehrte Zinsenforderung nicht hervorgehe. Gehe man lediglich von dem nach der Zuweisung des Meistbotsanteils offenen Restbetrag aus und ziehe hievon die Summe der in der „Zinsstaffel IST“ anerkannten Zahlungen der Erblasserin ab, verbleibe keine unbedenklich bescheinigte offene Forderung der Gläubigerin. Schon nach der Rechtsprechung zur Vorgängerbestimmung § 73 AußStrG 1854 habe die Bestreitung angemeldeter Nachlassforderungen die Verweisung dieser Gläubiger auf den ordentlichen Rechtsweg zur Folge gehabt, sodass die kridamäßige Aufteilung erst nach diesbezüglicher Klärung des Bestands dieser Forderungen erfolgen habe können. Dass es nach der Bestimmung des § 154 AußStrG idF BGBl I 2003/111 – abweichend von der bisherigen Rechtslage – nunmehr zulässig sein solle, die Nachlassaktiva kridamäßig zu verteilen, obwohl der Bestand einer Forderung gegen den Nachlass noch ungeklärt sei , ergebe sich weder zwingend aus dem Gesetzeswortlaut noch g ehe dies aus den Gesetzesmaterialien hervor. In Stattgebung des Rekurses sei dem Erstgericht daher aufzutragen, das Verfahren in sinngemäßer Anwendung der §§ 110, 131 Abs 3 IO durch die Bestimmung einer Frist zur klageweisen Geltendmachung fortzusetzen.

[8] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Frage, ob eine Überlassung an Zahlungs statt nach den §§ 154 f AußStrG auch dann zulässig sei , wenn neben den unstrittigen oder durch unbedenkliche Urkunden bescheinigten Forderungen auch noch weitere – plausible, jedoch nicht durch unbedenkliche Urkunden bescheinigte – Forderungen geltend gemacht werden, keine höchst gerichtliche Rechtsprechung bekannt sei .

[9] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Verlassenschaft mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

[10] Die Gläubigerin R***** reg.Gen.m.b.H. beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Revisionsrekurs ist unzulässig .

[12] 1. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels bedarf es der materiellen Beschwer, die dann vorliegt, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RS0006497, RS0006641, RS0041868, RS0118925). Dabei müssen subjektive Rechte betroffen sein, nicht nur wirtschaftliche, ideelle oder sonstige Interessen (RS0006497 [T2, T7]; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG² § 45 Rz 50 mwN). Dies ist nicht abstrakt, sondern bezogen auf die konkrete Stellung einer Verfahrenspartei in dem einzeln zu entscheidenden Fall zu beurteilen (2 Ob 124/18a; 6 Ob 289/07d).

[13] 2. Eine Beeinträchtigung solcher rechtlich geschützter Interessen der Verlassenschaft ist jedoch im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

[14] 2.1 § 154 Abs 1 AußStrG 2003 (in der hier anzuwendenden Fassung vor dem ErbRÄG 2015; vgl § 207k Abs 3 AußStrG) sieht vor, dass das Gericht die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen hat, wenn nicht schon eine unbedingte Erbantrittserklärung oder ein Antrag auf Überlassung als erblos vorliegt und kein Verlassenschaftskonkurs eröffnet wurde. Für die Überlassung an Zahlungs statt ist somit ein (ausdrücklicher oder schlüssiger) Antrag des Gläubigers oder der Gläubiger, dem oder denen die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft überlassen werden sollen, erforderlich. Eine ohne (aufrechten) Antrag erfolgte Überlassung an Zahlungs statt ist ersatzlos aufzuheben (2 Ob 66/17w mwN).

[15] Auch nach § 155 AußStrG (idF vor dem ErbRÄG 2015; vgl § 207k Abs 2 AußStrG ) sind lediglich die Gläubiger und jene aktenkundigen Personen, die als Erben oder Noterben (nunmehr Pflichtteilsberechtigte) in Frage kommen, vor der Überlassung an Zahlungs statt zu verständigen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

[16] 2.2 Ein subjektives Recht der Verlassenschaft, die Aktiven im Fall ihrer Überschuldung gemäß § 154 Abs 1 AußStrG bestimmten Gläubigern zu überlassen, besteht nicht.

[17] Im vorliegenden Fall werden durch die Entscheidung des Rekursgerichts daher keine rechtlich geschützten Interessen der Rechtsmittelwerberin beeinträchtigt. Ihr kommt mangels Beschwer keine Rechtsmittellegitimation zu. Ob die Rechtsansicht des Rekursgerichts zutrifft ist daher hier nicht zu prüfen.

[18] 3. Der unzulässige Revisionsrekurs der Verlassenschaft ist somit zurückzuweisen.

[19] 4. Gemäß § 185 AußStrG findet im Verlassenschaftsverfahren, außer im Verfahren über das Erbrecht, kein Ersatz von Vertretungskosten statt.