JudikaturJustiz2Ob164/55

2Ob164/55 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Juni 1955

Kopf

SZ 28/144

Spruch

Beim Verkauf eines Unternehmens kann ein Wiederkaufsrecht gültig vereinbart werden.

Entscheidung vom 1. Juni 1955, 2 Ob 164/55.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin stützt ihr auf Herausgabe verschiedener zu einer Holzbearbeitungsanlage gehöriger Fahrnisse gerichtetes Klagebegehren darauf, daß durch den Vertrag, mit welchem der Beklagte die Holzbearbeitungsanlage von dem verstorbenen Gatten der Klägerin erworben habe, in Wirklichkeit ein Treuhandverhältnis begrundet worden sei.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen, weil der Erwerbsvertrag nur als Kauf gewertet werden könne und das darin zugunsten des Gatten der Klägerin vereinbarte Wiederkaufsrecht mit dessen Tod erloschen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach in den Gründen aus, es habe sich erübrigt, zur Frage Stellung zu nehmen, ob das Wiederkaufsrecht überhaupt gültig vereinbart werden konnte, da ein solches nach § 1070 ABGB. nur bei unbeweglichen Sachen statthabe.

Die Klägerin führt ihre Rechtsrüge in der Revision dahin aus, daß die Vorinstanzen die Rechtslage verkannt hätten. Denn wenn das Rechtsgeschäft ihres Gatten mit dem Beklagten ein Kauf mit der von den Vertragsteilen als wesentlich anerkannten, jedoch nach § 1070 ABGB. unzulässigen Nebenabrede der Einräumung des Wiederkaufes gewesen sei, sei dieser Kauf nichtig gewesen und der Beklagte hätte die im Klagebegehren angeführten Gegenstände ohne Rechtsgrund in Händen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zutreffend wendet sich die Revisionswerberin gegen die Ansicht der Vorinstanz, daß es unerörtert bleiben könne, ob die Parteien "das Wiederkaufsrecht überhaupt gültig vereinbaren konnten". Die Beantwortung dieser Frage ist nämlich im Gründe der von den Untergerichten getroffenen Feststellungen über die am 2. April 1943 geschlossene Vereinbarung wesentlich. Der Wiederkauf ist ein Nebenvertrag des Kaufvertrages, durch welchen sich der Verkäufer das Recht vorbehält, die verkaufte Sache zurückzulösen, und der Käufer sich verpflichtet, sie dem Verkäufer auf dessen Verlangen zurückzustellen (vgl. Bettelheim in Klang 1. Aufl. II/2 S. 1013). Die rechtliche Natur dieses Nebenvertrages ist in der Lehre strittig (vgl. Bettelheim a. a. O. S. 1013 f.; Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 415; Gelles, Das Wiederkaufs- und das Rückverkaufsrecht bei beweglichen Sachen, ZBl. 1928 S. 1071 ff.). Übereinstimmung besteht aber in der Lehre darüber, inwieweit der Kaufvertrag (Hauptvertrag) durch den Umstand betroffen wird, daß der Nebenvertrag ungültig ist. Ehrenzweig (a. a. O. S. 415) lehrt, daß dann, wenn eine bewegliche Sache mit dem Vorbehalte des Wiederkaufes verkauft wird, in der Regel der ganze Kauf hinfällig ist. Bettelheim (a. a. O. S. 1012) wiederum führt aus, daß in dem Falle, daß einem Kaufvertrage ein ungültiger Vorbehalt des Wiederkaufes zugunsten des Verkäufers beigefügt wird, der Hauptvertrag von der Ungültigkeit erfaßt werde, wenn aus dem Willen der Parteien hervorgehe, daß er ohne den Nebenvertrag nicht bestehen solle. Wenn nun die Vorinstanz festgestellt hat, daß nach der maßgeblichen Vereinbarung vom 2. April 1943 dem Gatten der Klägerin das Recht zustehen sollte, den Betrieb um den seinerzeitigen Bilanzwert zurückzuerwerben, damit er sich auf diese Weise seinerzeit leichter eine Existenz in Österreich aufbauen könnte, dann kann keineswegs, angenommen werden, daß bei Ungültigkeit der Nebenabrede hinsichtlich des Vorbehaltes des Wiederkaufes nach dem Willen der vertragschließenden Teile der Kaufvertrag als solcher aufrecht bleiben sollte. Insofern ist den Revisionsausführungen auch auf der Grundlage der Feststellungen der Vorinstanzen theoretisch beizupflichten.

Dennoch ist für den Standpunkt der Revisionswerberin im Ergebnis nichts gewonnen, weil der streitgegenständliche Vorbehalt des Wiederkaufes hinsichtlich des in der Vereinbarung vom 2. April 1943 genannten Unternehmens nicht ungültig ist. In Bezug auf die Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften des § 1070 Satz 1 ABGB. ist nämlich ein Unternehmen als unbewegliche Sache zu qualifizieren, so daß zwischen dem Gatten der Klägerin und dem Beklagten der Vorbehalt des Wiederkaufes rechtswirksam vereinbart werden konnte. Im einzelnen ergibt sich dazu folgendes:

Nach einheitlicher Lehre läßt sich die Frage, ob ein Unternehmen als Gesamtsache (§ 302 ABGB.) als bewegliche oder unbewegliche Sache zu qualifizieren sei, nicht für alle Belange gleichmäßig beurteilen (vgl. Ehrenzweig 1. Aufl. I/2 S. 19; Klang 2. Aufl. II 34; Pisko, das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs, S. 50 ff., sowie Hämmerle, Grundriß des Handelsrechts, 2. Aufl. S. 24 f.). Zwar ist das Unternehmen in der Regel als bewegliche Sache anzusehen, es muß aber nach einheitlicher Lehre, die an die oben erwähnte Abhandlung Piskos anknüpft, in einzelnen Beziehungen den unbeweglichen Sachen gleichgestellt werden, weil die auf bewegliche körperliche Sachen berechneten Normen sich in diesen Belangen als unanwendbar herausstellen. Einhellig wird in der Lehre dabei unter anderem auf die Bestimmungen der §§ 1075 und 1082 ABGB. Bezug genommen und in dieser Hinsicht zum Ausdruck gebracht, daß auf das Unternehmen nicht die kürzeren, für bewegliche Sachen bestimmten Fristen, sondern die für unbewegliche Sachen vorgesehenen längeren Fristen anzuwenden sind. Für die vorliegende Entscheidung ist daraus festzuhalten, daß gerade in den erwähnten Nebenverträgen das Unternehmen als eine unbewegliche Sache behandelt wird, so daß nicht einzusehen ist, warum nicht auch bei der Anwendung des § 1070 Satz 1 ABGB. hinsichtlich der Zulässigkeit der Vereinbarung des Vorbehaltes des Wiederkaufes das Unternehmen als unbewegliche Sache zu qualifizieren wäre. In diesem Zusammenhange muß doch festgehalten werden, daß die Beschränkung der bezogenen Vorschrift auf Rücksichten der Sicherheit des Verkehrs beruht (vgl. Bettelheim a. a. O. S. 1016, insbesondere Anm. 12), die aber bei Unternehmungen als Gesamtsachen ebensowenig zutreffen wie bei unbeweglichen Sachen. Für diese Auslegung spricht auch der Umstand, daß im österreichischen bürgerlichen Rechte grundsätzlich Vertragsfreiheit gegeben ist, zumal die erwähnte Einschränkung dem BGB. überhaupt fremd ist und nach neuerer Lehre und Rechtsprechung im österreichischen Recht Gattungssachen von der Beschränkung des § 1070 Satz 1 ABGB. nicht berührt werden (vgl. Bettelheim a. a. O. S. 1017 sowie die Entscheidung JBl. 1927 S. 331). Der Vorbehalt des Wiederkaufes des Unternehmens konnte also von dem Gatten der Klägerin und dem Beklagten am 2. April 1943 mit Wirkung für die Lebenszeit des Verkäufers rechtswirksam vereinbart werden, so daß auch die Gültigkeit des Hauptvertrages laut den Feststellungen der Vorinstanzen gegeben und damit das Herausgabebegehren der Klägerin schon deshalb nicht begrundet ist.