JudikaturJustiz2Ob159/23f

2Ob159/23f – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Mag. Rudolf Siegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C*, vertreten durch Dr. Michael Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, 2. M*, vertreten durch Dr. Waltraud Künstl, Rechtsanwältin in Wien, und 3. D*, wegen 18.360 EUR sA, über die Revision der drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. März 2023, GZ 38 R 40/23y 77, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. November 2022, GZ 45 C 439/18w 72, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die drittbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.505,40 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 250,90 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Rechtsvorgängerin des Klägers als Vermieterin schloss 1982 mit der Erstbeklagten als Mieterin einen unbefristeten Mietvertrag über einen unausgebauten Dachboden ab. Die Mieterin erhielt ein Recht zur Weitergabe ihres Mietrechts, zu ihren Gunsten bestand ein Kündigungsverzicht über 99 Jahre. Die Vermieterin erteilte ihre Zustimmung, dass die Mieterin den Dachboden unter Beachtung der geltenden baubehördlichen Bestimmungen durch befugte Gewerbetreibende zu einem selbständigen Mietobjekt ausbauen lassen darf, wobei bei Beendigung des Mietvertrags sämtliche Um-, Zu- und Neubauten entschädigungslos in das Eigentum der Vermieterin übergehen. Der Zweitbeklagte übernahm die Mietrechte im Jahr 2005 und gab sie 2018 an die Drittbeklagte weiter.

[2] Die Erstbeklagte ließ 1982 bis 1984 durch ein Bauunternehmen eine zweigeschossige Wohnung mit Dachterrasse und Wintergarten errichten. Bei diesen Bauarbeiten wurden 1984 die Winkelverblechungen im Anschlussbereich der Terrasse an den Wintergarten teilweise nicht wasserdicht verlötet, darüber hinaus blieben einzelne Löcher und Fehlstellungen in den Konstruktionsverkleidungen bestehen. Dadurch kam es ab April 2014 zu Wassereintritten in Teile der Dachgeschosswohnung. Die Vermieterin verweigerte die Sanierung der Schäden, sodass der damalige Mieter ein Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG (in der Folge auch: MSch Verfahren) einleitete. Der Kläger wurde mit – im Juni 2017 in Rechtskraft erwachsenem – Sachbeschluss des Erstgerichts vom Mai 2016 zur Sanierung der Schäden verpflichtet. Für die von Oktober 2017 bis Mai 2018 erfolgte Behebung der Schäden an der Terrasse selbst zahlte der Kläger angemessene Kosten in Höhe des eingeklagten Betrags.

[3] Der Kläger begehrt mit der im September 2018 eingebrachten Klage die Zahlung von 18.360 EUR sA. Die Arbeiten bei Errichtung des Dachgeschossausbaus seien nicht sach- und fachgerecht – und damit vertragswidrig – durchgeführt worden. Die auf unsachgemäße Arbeiten zurückzuführenden Wassereintritte hätten sowohl das Bestandobjekt als auch allgemeine Teile der Liegenschaft beschädigt, wodurch schuldhaft eine Erhaltungspflicht des Klägers als Vermieter ausgelöst worden sei. Die schuldhaft mangelhafte Ausführung durch das Bauunternehmen sei der Erstbeklagten als damaliger Mieterin wie eigenes Verschulden nach § 1313a ABGB zuzurechnen. Durch den Eintritt in den Mietvertrag habe die Drittbeklagte die Rechtsstellung der Vormieter auch im Hinblick auf die Haftung für eine bereits erfolgte Beschädigung des Bestandobjekts übernommen. Das Klagebegehren sei nicht verjährt, weil der Kläger erst durch Einholung des Sachverständigengutachtens im MSch Verfahren – und damit weniger als drei Jahre vor Einbringung der Klage – Kenntnis von Schaden und Schädiger gehabt habe.

[4] Die am Revisionsverfahren noch beteiligte Drittbeklagte bestreitet. Sie habe bei Eintritt in den Mietvertrag keine Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Dachbodens übernommen, deren schuldhafte Verletzung ihr angelastet werden könne. Die Arbeiten seien sach- und fachgerecht erfolgt. Die Erstbeklagte hafte nur für ein allfälliges, aber nicht bestehendes Verschulden in der Auswahl des beigezogenen Unternehmens. Es liege keine Verletzung der Erhaltungspflicht, sondern ein ernster Schaden des Hauses vor. Ein Schadenersatzanspruch sei verjährt, weil der Kläger aus näher dargestellten Gründen mehr als drei Jahre vor Einbringung der Klage Kenntnis vom gesamten anspruchsbegründenden Sachverhalt gehabt habe.

[5] Das Erstgericht wies das gegen die Erst- und den Zweitbeklagten gerichtete Klagebegehren wegen fehlender Passivlegitimation rechtskräftig ab. Das gegen die Drittbeklagte gerichtete Begehren wies es wegen Verjährung ab. Zwischen schädigendem Ereignis und Erhebung der Klage seien mehr als 30 Jahre vergangen, sodass Verjährung nach § 1489 Satz 2 ABGB eingetreten sei. Daran ändere es auch nichts, dass die Präklusivfrist des § 1111 ABGB noch nicht abgelaufen sei.

[6] Das vom Kläger nur wegen der Abweisung des gegen die Drittbeklagte gerichteten Begehrens angerufene Berufungsgericht gab dem gegen die Drittbeklagte gerichteten Klagebegehren statt. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 4 Ob 122/22b ausgesprochen, dass der Bestandgeber seine Schadenersatzansprüche gegen den Bestandnehmer gemäß § 1111 ABGB binnen eines Jahres ab Rückstellung des Bestandgegenstands auch dann noch geltend machen könne, wenn der Schaden schon mehr als dreißig Jahre zuvor verursacht worden sei. Die Drittbeklagte habe als Rechtsnachfolgerin der Erstbeklagten für die dieser zuzurechnenden fehlerhaften Baumaßnahmen einzustehen.

[7] Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich zu, um dem Obersten Gerichtshof eine Klarstellung zu der in der Literatur teilweise kritisierten Entscheidung 4 Ob 122/22b zu ermöglichen.

[8] Dagegen richtet sich die Revision der Drittbeklagten mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Der Kläger beantragt, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig .

[11] 1. Die Drittbeklagte tritt der zentralen Schlussfolgerung der ausführlich begründeten Entscheidung 4 Ob 122/22b (immolex 2023/41, 82 [zust Ruckenbauer ] = ImmoZak 2023/8, 15 [ Dobler ] = wobl 2023/54, 124 [krit Holly/Pletzer ]; krit auch Scharmer , Unterliegen Ansprüche gemäß § 1111 ABGB wirklich nicht der absoluten Verjährungsfrist von 30 Jahren? Eine kritische Würdigung der E OGH 4 Ob 122/22b, wobl 2023, 145) in der Revision nicht entgegen. Indem die Drittbeklagte den selbständigen Einwand der Verjährung nicht zum Gegenstand ihrer Revisionsausführungen macht, ist die Frage der Verjährung aus dem Nachprüfungsrahmen des Revisionsgerichts ausgeschieden (RS0043352 [T35]).

[12] 2. Die behauptete Nichtigkeit des Berufungsurteils nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (iVm § 503 Abs 1 Z 1 ZPO) liegt nicht vor. Entgegen der Argumentation der Drittbeklagten hat das Erstgericht selbst die zuerst vorgenommene Einschränkung des „Prozessthemas“ auf die Verjährungsfrage in der Tagsatzung vom 15. September 2020 erkennbar wieder fallen gelassen. Da das Berufungsgericht die Gründe für die Stattgebung der Klage knapp, aber nachvollziehbar dargelegt hat, liegt insgesamt keine Nichtigkeit des Berufungsurteils vor.

[13] 3. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[14] 4. Im Rahmen der Rechtsrüge zeigt die Drittbeklagte das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht auf:

[15] 4.1. Dem Argument der Drittbeklagten, dass § 1111 ABGB auf den vorliegenden Fall, in dem ein Bestandobjekt neu errichtet worden sei, keine Anwendung finde, ist zu erwidern, dass § 1111 ABGB ausdrücklich auf alle Veränderungen des Bestandobjekts abstellt, die – aus der Sicht des Bestandgebers gesehen, dem das Bestandobjekt zurückzustellen ist, – als Schaden zu beurteilen sind und für alle Ersatzansprüche gilt, die aus der Verletzung von Vertragsbestimmungen abgeleitet werden (4 Ob 220/07t Punkt 1.1. mwN). Ein Mieter, der – etwa im Zug von Umbau- oder Sanierungsarbeiten (vgl RS0125678) – einen die Erhaltungspflicht auslösenden Mangel der Bestandsache verschuldet, haftet dem Vermieter nach § 1111 ABGB für den dadurch verursachten Schaden (4 Ob 199/13p Punkt 1. mwN). Die Vorinstanzen sind damit in nicht korrekturbedürftiger Weise davon ausgegangen, dass das Klagebegehren, mit dem der Kläger (nur) den Ersatz von Schäden am Terrassenboden – sohin an einem allgemeinen Teil der Liegenschaft (vgl dazu die im MSch Verfahren ergangene Entscheidung 5 Ob 69/17h) – begehrt, § 1111 ABGB unterfällt. Entgegen den Ausführungen in der Revision ist kein Schaden in einem neuerrichteten Bestandobjekt, sondern an einem allgemeinen Teil der Liegenschaft zu beurteilen, der gemäß § 3 Abs 2 Z 1 MRG die Erhaltungspflicht des Vermieters auslöste.

[16] 4.2. Soweit die Drittbeklagte argumentiert, dass der Mieter im vorliegenden Fall nur für Auswahlverschulden hafte, ist ihr zu entgegnen, dass der Mieter im Rahmen des § 1111 ABGB nach § 1313a ABGB für das Verschulden von ihm beauftragter Bauunternehmen einzustehen hat (RS0111907). Den Bestandnehmer trifft gemäß § 1298 ABGB die Beweislast dafür, dass die Bauschäden ohne sein eigenes Verschulden oder das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen eingetreten sind, weil auch bei sorgfältiger Vorgangsweise eine Beschädigung nicht hätte verhindert werden können (RS0125678; vgl auch RS0020652). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht das aufgrund nicht fachgerechter Ausführung indizierte Verschulden des bauausführenden Unternehmens der Mieterin in nicht korrekturbedürftiger Weise nach § 1313a ABGB zugerechnet. Den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB hat die Drittbeklagte nicht angetreten.

[17] 4.3. Die behaupteten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor, hat doch das Erstgericht – von der Drittbeklagten in der Berufungsbeantwortung unbeanstandet (§ 468 Abs 2 ZPO) – festgestellt, dass die vom Klagebegehren umfassten Schäden auf die nicht sachgerechte Ausführung der Bauarbeiten zurückzuführen sind. Für die Annahme einer (Mit-)Ursächlichkeit der „Abnützung durch Zeitablauf“ bleibt damit kein Raum.

5. Bei der Vertragsübernahme setzt die neue Partei, die in das Vertragsverhältnis zur Gänze eintritt, die Person der alten Partei fort und hat daher auch für deren schuldhafte Verletzung der sich aus dem Vertrag ergebenden Pflichten einzustehen (RS0117578). Daher haftet der eintretende Bestandnehmer – hier die Drittbeklagte – auch für die bereits vor dem Eintritt erfolgte Beschädigung des Bestandgegenstands nach § 1111 ABGB (1 Ob 74/09b Punkt 2. mwN).

[18] 6. Insgesamt war die Revision damit zurückzuweisen.

[19] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.