JudikaturJustiz2Nc11/13k

2Nc11/13k – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der beim Landesgericht St. Pölten zu AZ 3 Cg 50/13s anhängigen Rechtssache der klagenden Parteien L***** M*****, und anderer gegen die beklagte Partei Republik Österreich, wegen Amtshaftung, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Bezirksgericht Urfahr wird aufgetragen, dem Ersuchen des Landesgerichts St. Pölten um Bestellung eines Kollisionskurators zu entsprechen.

Text

Begründung:

Für den Kläger ist zu 8 P 181/98k des Bezirksgerichts Urfahr ein Sachwalter bestellt, zu dessen Wirkungskreis ua die Vertretung des Betroffenen vor Gerichten gehört. Ungeachtet seiner mangelnden Prozessfähigkeit erhob der Kläger, der sich auch als Vertreter mehrerer anderer „klagenden Parteien“ bezeichnet, beim Landesgericht Linz Klage gegen mehrere beklagte Parteien (ua gegen den aktuellen Sachwalter des Betroffenen), darunter auch die Republik Österreich wegen pflichtwidrigen Verhaltens von Organen des Landesgerichts und Oberlandesgerichts Linz. Gleichzeitig stellte er mehrere Anträge, ua auf Bestellung eines Kollisionskurators und pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.

Mit Beschluss vom 22. 8. 2012, 1 Nc 40/12a, bestimmte der Oberste Gerichtshof gemäß § 9 Abs 4 AHG das Landesgericht St. Pölten als das für die geschäftsordnungsgemäße Behandlung der Eingabe, soweit darin Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden, sowie zur Verhandlung und Entscheidung über eine allfällige Amtshaftungsklage zuständige Gericht.

In weiterer Folge ersuchte das Landesgericht St. Pölten (Prozessgericht) das Bezirksgericht Urfahr (Sachwalterschaftsgericht) um Bestellung eines Kollisionskurators „für die allfällige sachwalterschaftliche Genehmigung der Klagsführung“, soweit der Betroffene als Kläger auftritt. Das Sachwalterschaftsgericht lehnte dieses Ersuchen mit der sinngemäßen Begründung ab, dass das Prozessgericht den Kollisionskurator selbst zu bestellen habe; ein Fall des § 6a ZPO liege nicht vor.

Mit „Beschluss“ vom 6. 5. 2013 übermittelte das Prozessgericht den Akt erneut dem Sachwalterschaftsgericht, „zur Entscheidung über die Bestellung eines Vertreters des Erstklägers“ an Stelle des durch eine Interessenkollision am Einschreiten als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen gehinderten Sachwalters. Das Verfahren werde bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Pflegschaftsgerichts unterbrochen und von Amts wegen fortgesetzt. Begründend führte das Prozessgericht aus, die Amtshaftungsklage werde ua auf ein pflichtwidriges Verhalten des Sachwalters gestützt. Es liege eine Interessenkollision iSd § 271 ABGB vor. In einem solchen Fall sei § 6a ZPO analog anzuwenden. § 5 AußStrG sehe die Bestellung eines Kollisionskurators durch das Prozessgericht nicht vor.

Daraufhin legte das Sachwalterschaftsgericht dem Obersten Gerichtshof den Akt „gemäß § 47 JN zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit (Kompetenzkonflikt)“ zwischen Sachwalterschafts- und Prozessgericht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Weigerung des Sachwalterschaftsgerichts ist nicht berechtigt:

1. § 47 JN ist nicht unmittelbar anzuwenden, weil der negative Kompetenzkonflikt nicht die Zuständigkeit für die „bestimmte Rechtssache“ (das Amtshaftungsverfahren), sondern eine Verfahrenshandlung betrifft, deren Vornahme das vom Prozessgericht darum ersuchte Sachwalterschaftsgericht abgelehnt hat. Allerdings wird in ständiger Rechtsprechung auch bei Streitigkeiten wegen Verweigerung der Rechtshilfe § 47 JN mit der Begründung analog angewendet, dass es sich bei der Gewährung von Rechtshilfe um einen Akt der Gerichtsbarkeit handelt (9 Nd 514/00; 2 Nc 8/13v; RIS Justiz RS0046197). Hier liegt ein gleich zu behandelnder Fall eines Zuständigkeitsstreits vor.

2. Im Schrifttum wird in Anlehnung an eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz, RZ 1997/16, die Auffassung vertreten, § 6a ZPO sei analog anzuwenden, wenn zwischen einem Prozessunfähigen und seinem gesetzlichen Vertreter während des Prozesses eine Interessenkollision zutage tritt. Das Pflegschaftsgericht habe in diesem Fall einen Kollisionskurator zu bestellen ( Schubert in Fasching/Konecny ² II/1 § 6a Rz 1; vgl Fucik in Rechberger , ZPO³ § 6a Rz 9).

3. Im vorliegenden Fall ergibt sich die gebotene Vorgangsweise aus § 6 ZPO. Nach der Begründung seines „Beschlusses“ vom 6. 5. 2013 geht das Prozessgericht aufgrund der Klagebehauptungen vom Vorliegen einer Interessenkollision zwischen dem Erstkläger und seinem Sachwalter (schon die Gefahr einer solchen genügt: vgl 4 Ob 71/08g; 2 Ob 153/11f; RIS Justiz RS0107600) aus. Damit liegt nach der hier nicht zu überprüfenden Rechtsansicht des Prozessgerichts beim Erstkläger ein Mangel der gesetzlichen Vertretung (§ 6 Abs 1 ZPO) vor. Das Prozessgericht hat gemäß § 6 Abs 2 ZPO die zur Sanierung dieses Mangels erforderlichen Aufträge zu erteilen und (im Sinne des schon in der Klage gestellten Antrags) die Bestellung eines Kollisionskurators zu veranlassen, der sich sodann binnen einer zu setzenden Frist über die Genehmigung der Klagsführung zu äußern haben wird (vgl 2 Ob 631/84; 8 Ob 646/90; 10 ObS 2168/96p; Fucik aaO § 6 Rz 3).

4. Die in § 5 Abs 2 Z 1 lit a AußStrG geregelte Verpflichtung zur amtswegigen Bestellung eines Kollisionskurators bezieht sich nur auf das konkret anhängige außerstreitige Verfahren (6 Ob 270/07k) und ist im gegebenen Zusammenhang nicht einschlägig. Vielmehr ist aus den Zuständigkeitsnormen des § 109 Abs 1 und des § 112 Abs 1 JN abzuleiten, dass zur Bestellung eines Kollisionskurators für einzelne Streitsachen (hier) das Sachwalterschaftsgericht und nicht das Prozessgericht sachlich zuständig ist (vgl 6 Ob 270/07k; Fucik in Fasching ² I § 112 JN Rz 2).

5. Das Sachwalterschaftsgericht wird somit dem im Sinne dieser Ausführungen zu verstehenden Ersuchen des Prozessgerichts um Bestellung eines Kollisionskurators zu entsprechen haben.