JudikaturJustiz26Ds11/20x

26Ds11/20x – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 13. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Kalivoda sowie die Anwaltsrichter Dr. Broesigke und Mag. Stolz in der Disziplinarsache gegen ***** und *****, Rechtsanwälte in *****, AZ D 183/18 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Beschluss des Disziplinarrats vom 15. Juli 2020 nach Anhörung der Generalprokuratur den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Beschluss sprach der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien aus, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung der Rechtsanwälte ***** und ***** wegen des Vorwurfs bestehe, sie haben als Treuhänder der Anleihen

seit spätestens 1. Jänner 2010 bis fortlaufend

1.1. Die Bestimmungen des eATHB nicht eingehalten, insbesondere durch

Unterlassung des Abschlusses von schriftlichen Treuhandverträgen sowie

Unterlassung der Meldung der beteiligten Personen bzw Unterlassung der Einholung von schriftlichen Untersagungserklärungen durch Verwendung der dafür vorgesehenen Formblätter sowie

Unterlassung der Erstattung von Kammermeldungen sowie

1.2. entgegen den Treuhandbedingungen ohne die erforderliche grundbücherliche Sicherstellung der Erwerber der Anleihen Treuhanderläge widmungswidrig verwendet, insbesondere durch Tilgung bestehender Schuldner der ***** AG, sodass die Erwerber dieser Anleihen einen Schaden durch Verlust des investierten Kapitals erlitten haben.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die dagegen gerichtete, die Fassung eines Einleitungsbeschlusses anstrebende Beschwerde des Kammeranwalts schlägt fehl:

[3] Ein Beschluss des Inhalts, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung vorliegt (Einstellungsbeschluss), darf vom Disziplinarrat (nur) dann gefasst werden, wenn kein Verdacht eines ein Disziplinarvergehen begründenden Verhaltens der angezeigten Rechtsanwälte im Sinn des § 28 Abs 2 DSt vorliegt (RIS Justiz RS0056969; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 28 DSt Rz 9).

[4] Vom – eine Verfahrenseinstellung rechtfertigenden – Fehlen eines solchen Verdachts ist (im Licht des § 212 Z 2 StPO [§ 77 Abs 2 DSt]) auszugehen, wenn das Tatsachensubstrat Grund zur Annahme bietet, dass seine Dringlichkeit und sein Gewicht nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten auch nur für möglich zu halten, und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist. Diese Beurteilung ist Sache der Beweiswürdigung des Senats gemäß § 28 DSt, während dem erkennenden Senat gemäß § 30 DSt die Prüfung vorbehalten bleibt, ob sich der Verdacht zum Schuldbeweis verdichtet hat (RIS Justiz RS0056973 [T5]).

[5] Der Disziplinarrat ging davon aus, dass ausschließlich *****, nicht jedoch ***** und ***** mit Treuhandschaften im Zusammenhang mit von der ***** AG begebenen Teilschuldverschreibungen befasst waren. Diese Annahme gründete der Senat auf die übereinstimmende Verantwortung der Genannten (ON 16, ON 17 und ON 18) und sah keine Anhaltspunkte für die Widerlegung von deren übereinstimmender Darstellung als gegeben an.

[6] Nach dem Bericht des Untersuchungskommissärs (ON 28) war zwar in der Regel die ***** mit der treuhändigen Abwicklung der in Rede stehenden Anleihen beauftragt und nur in einem Fall Rechtsanwalt ***** persönlich beauftragt. Nach den übereinstimmenden Angaben aller Genannten und auch in Übereinstimmung mit der ursprünglichen verfahrenseinleitenden Anzeige zitiert in dem Bericht des Untersuchungskommissärs war immer der dritte namensgebende Partner der Anwaltsgesellschaft, Rechtsanwalt ***** alleinverantwortlich tätig. Wenn die Beschwerde des Kammeranwalts eine persönliche Disziplinarverantwortung beider als gegeben ansieht, die sich über die Bestimmungen des eATHB hinweggesetzt hätten und von der sie sich nicht durch „Einschiebung eines gesonderten Sachbearbeiters“ entledigen könnten, so entspricht dies nicht dem vorliegenden Tatsachensubstrat.

[7] ***** ist als namensgebender Gesellschafter der Komplementärgesellschaft ***** für die Erfüllung seiner Berufs-und Standespflichten persönlich verantwortlich (§ 21d Abs 2 RAO). Es entspricht den beruflich wirtschaftlichen Notwendigkeiten, dass die Anwaltstätigkeit für einen Mandanten in einer größeren Anwaltsgesellschaft nicht von allen Gesellschaftern gemeinsam ausgeübt wird, da ansonsten schließlich arbeitsteilige Berufsausübung unmöglich wäre.

[8] Es würde die Verantwortlichkeit eines Anwalts überspannen, wenn er seinen Anwaltspartner ständig überprüfen und überwachen müsste. Dies würde auch der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in Ausübung seines Mandats widersprechen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass gemäß § 21c Z 10 RAO die Ausübung des Mandats durch den der Gesellschaft angehörenden Rechtsanwalt weisungsfrei zu erfolgen hat, selbst wenn er formal für die Gesellschaft tätig ist ( Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 21c RAO Rz 25).

[9] Es gibt sohin keine Indizien für die Annahme einer Befassung auch von ***** und ***** in Angelegenheit der von der ***** AG begebenen Teilschuldverschreibungen.

[10] Dementsprechend gelingt es der Beschwerde nicht, konkrete Anhaltspunkte für ein persönlich vorwerfbares Verhalten der Genannten in Ansehung der in Rede stehenden Treuhandschaften aufzuzeigen.

[11] Der Beschwerde war daher nicht Folge zu geben.