JudikaturJustiz1R152/98s

1R152/98s – LG Steyr Entscheidung

Entscheidung
14. Juli 1998

Kopf

Das Landesgericht Steyr hat als Rekursgericht durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Lammer als Vorsitzenden und Dr. Baumschlager und Dr. Raffelsberger in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Dr. Karl Margreiter und Dr. Herbert Margreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei *****, wegen S 1.355,-- (Rekursstreitwert S 1.311,72) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Kremsmünster vom 22. Mai 1998, 1 C 316/98y-2, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt für "Warenlieferung" S 1.355,-- und weitere S 1.311,72, die als Nebenforderung gemäß § 54 Abs. 2 JN geltend gemacht sind, als "vereinbarungsgemäß von der beklagten Partei zu zahlende Inkassobürokosten in angemessener Höhe". Für den Fall des Nichtzuspruches dieser Kosten als Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs. 2 JN sind sie als Kosten geltend gemacht.

Das Erstgericht erließ den Zahlungsbefehl über S 1.355,-- samt Zinsen; das Begehren nach weiteren S 1.311,72 wies es wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Die Kosten bestimmte das Erstgericht nach Tarifpost 2 RATG. Ein Zuspruch der hilfsweise als Kosten geltend gemachten S 1.311,72 unterblieb.

Gegen die Entscheidung über die Inkassokosten von S 1.311,72 richtet sich der Rekurs der Klägerin. Insoweit ficht sie die erstgerichtliche Entscheidung zur Gänze an. Als Rekursgrund macht sie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Die Klägerin beantragt Abänderung dahin, "daß unsere Klage im Umfang von S 1.311,72 nicht zurückgewiesen, sondern daß auch darüber ein Zahlungsbefehl erlassen wird"; hilfsweise beantragt sie einen Zuspruch weiterer Kosten von S 1.311,72; davon abgesehen ist hilfsweise noch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Das Rechtsmittel macht im wesentlichen geltend, die hier in Rede stehenden Inkassokosten seien keine vorprozessualen Kosten, und sie seien nicht für die Prozeßvorbereitung, sondern zur Prozeßvermeidung aufgewendet worden. Diese Kosten unterlägen nicht dem Prozeß-, sondern dem Privatrecht. Es handle sich daher um Nebenforderungen im Sinne des § 54 Abs. 2 JN, zu deren Geltendmachung der Rechtsweg zulässig sei. Dies ergäbe sich auch aus den ADV-Register-News Nr. 13. Außerdem seien die Inkassokosten hilfsweise als Kosten nach § 41 ZPO geltend gemacht worden. Das Erstgericht hätte diese Kosten (zufolge Zurückweisung in der Hauptsache) als solche zuzusprechen gehabt; sie seien auch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen.

Entgegen den Rechtsmittelausführungen sind Inkassokosten wie hier vorprozessuale Kosten. Gemäß § 41 Abs. 1 ZPO hat die voll- ständig unterliegende Partei ihrem Gegner (und dem diesem beige- tretenen Nebenintervenienten) alle durch die Prozeßführung verur- sachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen. In Lehre und Rechtsprechung ist so gut wie unstrittig, daß nicht nur die durch die Prozeßführung verursachten, sondern auch vor- oder außerprozessuale Kosten als Kosten im Sinne des § 41 ZPO ersatzfähig sind. Allerdings wird gelegentlich der formale Gesichtspunkt des Erfordernisses der Prozeßbezogenheit solcher vorprozessualer Kosten betont (etwa zuletzt OLG Wien 30.07.1997, 1 R 119/97w). Demgegenüber vertritt das Rekursgericht den Standpunkt, daß maßgeblich für die Ersatzfähigkeit von Prozeßkosten wie auch von vorprozessualen Kosten (die grundsätzlich das gleiche Schicksal wie Prozeßkosten haben) ist, daß sie einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient haben und außerdem hiefür notwendig waren. Wurden derartige Kosten vorprozessual aufgewendet, gerade um ohne Prozeß das Recht durchzusetzen, erweist sich in der Folge aber der Prozeß als unvermeidlich, kann sich dadurch die wenn auch vorprozessuale Kostennatur im Sinne des § 41 Abs. 1 ZPO nicht ändern. Vorliegendenfalls kann nicht bezweifelt werden, daß die Klägerin die von ihr geltend gemachten Inkassokosten als jedenfalls zeitlich vorprozessual entstanden und für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendig verstanden wissen will. Im Sinne des oben Ausgeführten kommt es für die Qualifikation als vorprozessuale Kosten nur auf diese Aspekte an und nicht darauf, ob dieser Aufwand im Hinblick auf einen bevorstehenden Prozeß entstanden ist. ADV-Register-News können an dieser judiziell zu beurteilenden Frage nichts ändern. Soweit sich der Rekurs darauf bezieht, ist dem entgegenzuhalten, daß nur die korrekte Erfassung von Nebengebühren im Sinne des § 54 Abs. 2 JN ermöglicht wurde, über die Frage, ob vorprozessuale Inkassokosten Nebengebühren im Sinne des § 54 Abs. 2 JN sind, nichts gesagt ist und eine Äußerung eines Justizverwaltungsorganes zu dieser Frage für die Rechtsprechung unbeachtlich wäre.

So gesehen wäre der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Zurückweisung dieses Begehrens wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges beizupflichten. Das Rekursgericht ist jedoch verhalten, die angefochtene Entscheidung umfassend und nicht nur unter Beachtung ausschließlich des im Rekurs Vorgebrachten (insbesonders, soweit unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht ist), zu prüfen. Daher ist auch das Vorbringen schon in der Klage im Sinne "vereinbarungsgemäß von der beklagten Partei zu zahlender Inkassobürokosten in angemessener Höhe" beachtlich.

Dieses Rekursgericht hat bisher die Auffassung vertreten, im Falle einer Vereinbarung der Zahlung solcher vorprozessualer Kosten - wobei an die Behauptung der Vereinbarung nicht allzu strenge Anforderungen gestellt werden dürften - der Kostenersatzanspruch seines öffentlich-rechtlichen Charakters entkleidet wird und nun in der Hauptsache im ordentlichen Rechtsweg, sei dies als Hauptforderung oder als Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs. 2 JN, geltend gemacht werden kann. Dieser Standpunkt kann unter Bedachtnahme auf mittlerweiliges Schrifttum und mittlerweilige Rechtsprechung nach neuerlicher Prüfung der Rechtslage nicht aufrecht erhalten werden.

Einhelligkeit besteht über die akzessorische Natur der Kostenforderung (seien dies Prozeßkosten im engeren Sinn oder auch vorprozessuale Kosten), weshalb die Kosten nur zusammen mit der Hauptforderung geltend zu machen sind. Kommt es zu einer Erledigung der Hauptforderung allein (etwa durch Befriedigung), sodaß diese prozessual nicht mehr verfolgt werden kann, so fällt die Akzessorietät weg, und die Kosten können als Hauptsache mit Klage begehrt werden.

Allerdings wird auch vertreten, daß die Akzessorietät durch eine privatrechtliche Vereinbarung im Sinne der Kostenzahlung aufgehoben werde; über die an eine solche Vereinbarung zu stellenden Erfordernisse bestehen unterschiedliche Auffassungen (vgl. die Darstellung von Hofmann in RZ 1997, 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Rekursgericht vermeint aber, daß durch eine privatrechtliche Vereinbarung die Akzessorietät, sofern nur die Hauptforderung - ganz oder zum Teil - noch Gegenstand eines Prozesses werden kann oder ohnehin ist, nicht aufgehoben wird (in diese Richtung scheint auch Fasching II, 302 ff zu gehen, wonach außergerichtliche Kosten im Falle der Erledigung eines Anspruches noch vor gerichtlicher Geltendmachung nicht mehr nach §§ 41 ff ZPO durchgesetzt werden können, sondern nur nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes - Schadenersatz oder Vertrag - im ordentlichen Rechtsweg eingeklagt werden können; mit anderen Worten: Nicht der Vertrag über den Ersatz eines bestimmten Kostenaufwandes hebt die Akzessorietät auf, sondern erst nach Wegfall der Akzessorietät der Kostenforderung kann diese gegebenenfalls zufolge vertraglicher Vereinbarung eingeklagt werden. Unter diesen Voraussetzungen steht der öffentlich-rechtliche Charakter des Kostenersatzanspruches der privatrechtlichen Parteiendisposition insoweit entgegen, als eine gerichtliche Entscheidung über die Frage des Kostenersatzes begehrt wird; das Verfahren und die sachliche Erledigung im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Kostenersatz richtet sich ausschließlich nach den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen der §§ 41 ff ZPO. Möglich ist eine Disposition nur im prozessualen Rahmen etwa im Zusammenhang mit der Kostenverzeichnung oder im Falle eines gerichtlichen Vergleiches (§ 47 Abs. 1 ZPO). Zufolge des gleichen Schicksales vorprozessualer Kosten und eigentlicher Prozeßkosten muß eine Vereinbarung der Zahlung vorprozessualer Kosten gleich unbeachtlich sein wie etwa eine privatrechtliche Vereinbarung der Zahlung eigentlicher Prozeßkosten während des Prozesses, der in der Hauptsache andauert. Es ist den Parteien verwehrt, die öffentlich-rechtlich begründete Akzessorietät von Forderungen auf Kostenersatz durch privatrechtliche Vereinbarung zu lösen. Den gegenteiligen Auffassungen (vgl. etwa zuletzt Michael Bydlinski in JBl 1998, 69) schließt sich das Rekursgericht nicht an.

Daraus folgt, daß ungeachtet der von der Klägerin behaupteten privatrechtlichen Vereinbarung der Rechtsweg unzulässig ist. Insoferne war die angefochtene Zurückweisung des Begehrens nach Ersatz der Inkassokosten zu bestätigen.

Zu bestätigen ist auch die angefochtene Kostenentscheidung. Seine Entscheidung hat das Erstgericht wenn auch kurz damit begründet, die vorprozessualen Kosten seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig. Dem pflichtet das Rekursgericht bei (die eher rechtspolitischen Erwägungen Bertls in RZ 1997, 50 im Sinne einer Zweckmäßigkeit der Tätigkeit von Inkassounternehmen können auf sich beruhen). Es ist nicht zu übersehen, daß ein Mahnschreiben durch einen Rechtsanwalt, und im Falle dessen Erfolglosigkeit die Erwirkung eines Zahlungsbefehles und eine daran anschließende Exekutionsführung mit unvergleichlich geringeren Kosten verbunden sind als die Befassung eines Inkassounternehmens, und daß auch nicht zu erwarten ist, der Zeitraum bis zur Befriedigung aufgrund der Klage und der dann allenfalls folgenden Exekution würde eine unzumutbar längere Spanne, wenn überhaupt, in Anspruch nehmen als bei Befassung eines Inkassounternehmens. Entscheidend ist unter diesen Aspekten überdies der Gesichtspunkt des Willens und der Möglichkeit des Schuldners zur Erfüllung der Verbindlichkeit. Liegen diese beiden Voraussetzungen nicht vor, ist nicht zu sehen, aus welchen Gründen die Befassung eines Inkassoinstitutes der gerichtlichen Geltendmachung (nach allenfalls vorgängiger Mahnung durch einen Rechtsanwalt) vorzuziehen wäre; liegen sie aber vor, wird die Mahnung durch einen Rechtsanwalt und gegebenenfalls darauf folgende gerichtliche Durchsetzung des Anspruches zur Befriedigung führen. Von Zweckmäßigkeit der Rechtsverfolgung, die überdies notwendig wäre, durch ein Inkassounternehmen kann im Lichte des § 41 ZPO nicht gesprochen werden.

Der Rekurs mußte damit erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekurses gründet sich auf §§ 50, 40 ZPO.

Gemäß § 528 Abs. 2 Z 1 und 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Landesgericht Steyr, Abt. 1,