JudikaturJustiz1Ob654/86

1Ob654/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Dezember 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Magdalena K***, Pensionistin, Mittersill, Altenheim, vertreten durch Dr.Egon Schmidt, Rechtsanwalt in Saalfelden, wider die beklagte Partei Matthias S***, Kraftfahrer, Saalfelden, Bachwinkl 40, vertreten durch Dr.Gernot Schreckeneder, Rechtsanwalt in Zell/See, wegen S 504,444,40 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12. Juni 1986, GZ 1 R 104/86-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg, vom 6.Feber 1986, GZ 7 Cg 65/84-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.085,66 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.444,15 USt und S 1.200,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin verkaufte (im Jahre 1979) an ihre Nichte Sieglinde G*** die ihr gehörige Liegenschaftshälfte des Hauses Maishofen 85 um den Betrag von S 600.000. Ein Betrag von S 400.000 wurde bei der Vertragserrichtung bezahlt, ein weiterer von S 150.000 am 3.10.1980, der Restbetrag von S 50.000 am 24.1.1981. Am 19.1.1980 schloß die Klägerin mit dem Beklagten, dem Ehegatten einer anderen Nichte, einen Vertrag, in dem sich dieser verpflichtete, zu seinem Wohnhaus Saalfelden, Bachwinkl Nr.40, einen Zubau zu errichten, an dem er der Klägerin auf deren Lebensdauer das grundbücherlich sicherzustellende Wohnrecht einräumte. Er bestätigte, daß die Klägerin für die Einräumung der Dienstbarkeit bereits einen Betrag von S 400.000 bezahlt habe. Der Beklagte verpflichtete sich weiters, der Klägerin auf deren Lebensdauer bei Alter, Krankheit und Gebrechlichkeit, solange sie im Haus Bachwinkl 40 wohne, die liebevolle aufmerksame Wartung, Pflege und Betreuung zu leisten. Dieses Recht der Klägerin wurde als Reallast der Wartung, Pflege und Betreuung bestellt und war gleichfalls grundbücherlich sicherzustellen. Für die Übernahme der Wartung, Pflege und Betreuung auf Lebensdauer erklärte die Klägerin, dem Beklagten ein Entgelt von S 200.000 zu bezahlen. Dieser Betrag war fällig, sobald die Klägerin den ihr gegen Sieglinde G*** zustehenden Restkaufpreis erhalten sollte.

In einem Nachtrag vom 18.10.1980 erklärten die Streitteile, daß der Vertrag vom 19.1.1980 nicht vollkommen den Vorstellungen und dem Vertragswillen entspreche. Als Entgelt für das als Dienstbarkeit eingeräumte Wohnrecht hatte pro Monat bei Inanspruchnahme dieses Wohnrechtes der 144.Teil des bereits bezahlten Betrages von S 400.000 zu gelten. Die Lebenserwartung der wohnungsberechtigten Klägerin wurde mit zwölf Jahren angenommen. Auf jeden Monat entfalle somit der 144.Teil, das seien S 2.777,78. Der Restbetrag der auf das hiemit gegebene Geld von S 400.000 aushafte, sei ein Darlehen. Dies entspreche deshalb dem Vertragswillen der Parteien, weil sich die Klägerin die Möglichkeit offenlassen wolle, für den Fall, daß es ihr im Haus des Beklagten nicht mehr gefalle, jederzeit aus diesem Haus auszuziehen und in ein Altersheim umzuziehen und hiebei die Rückzahlung des Darlehens zu verlangen. Die Klägerin zog am 20.12.1980 in den vom Beklagten errichteten Zubau ein. Im Juli 1982 erklärte die Klägerin dem Beklagten, von ihrem Recht auf Wohnung und Wartung in Zukunft keinen Gebrauch mehr zu machen. Sie wolle in ein Altersheim übersiedeln. Der Beklagte bereitete eine Bestätigung mit Datum 22.7.1982 vor, nach deren Inhalt die Klägerin das dem Beklagten geliehene Geld rückbezahlt erhalten habe, die Wohnung stehe ihr bis Ende 1982 zur Verfügung. Die Klägerin unterfertigte diese Bestätigung. Sie zog am 26.7.1982 aus dem Haus des Beklagten aus.

Die Klägerin begehrt den Zuspruch des Betrages von S 504.444,40 s. A. Sie habe dem Beklagten einen Betrag von S 600.000 als Darlehen gewährt. Für die Benützung des Zubaues durch 20 Monate stünde dem Beklagten der Betrag von S 55.555,60, für die Betreuung der weitere von S 40.000, insgesamt S 95.555,60, zu. Durch den Abzug dieses Betrages vom gewährten Darlehen ergebe sich der Klagsbetrag. Der Beklagte wendete ein, ihm sei nur ein Darlehen von S 400.000 zugezählt worden. Dieser Betrag sei der Klägerin bereits im Juli 1982 rückbezahlt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß die Klägerin die ihr von Sieglinde G*** übergebenen weiteren Kaufpreisraten von S 150.000 und S 50.000 dem Beklagten habe zukommen lassen. Völlig unglaubwürdig klinge die Behauptung des Beklagten, er habe der Klägerin den Betrag von S 400.000 bis zu ihrem Auszug bereits zur Gänze zurückbezahlt. Hiefür fehle nicht nur jede objektive Bestätigung, eine solche Vorgangsweise würde auch ausdrücklich im Gegensatz zum vertraglich erklärten Willen der Parteien stehen. Es könne nicht angenommen werden, daß die Klägerin den Inhalt der vom Beklagten vorbereiteten Bestätigung tatsächlich zur Kenntnis genommen habe und die Richtigkeit mit ihrer Unterschrift bestätigt habe.

Der Beklagte erhob Berufung. Er machte die Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend. Die Rechtsrüge führte er dahin aus, daß durch die eingangs genannten Berufungsgründe das Erstgericht auch zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gelangt sei, weil es ausschließlich der Klägerin Glauben geschenkt habe. Die Klägerin erstattete innerhalb offener Frist nicht nur eine Berufungsbeantwortung, sondern brachte auch einen weiteren Schriftsatz ein. Mit beiden Schriftsätzen legte sie neue Urkunden vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Die gerügte Mangelhaftigkeit liege nicht vor. Die Ausführungen in der Beweis- und Tatsachenrüge seien nicht geeignet, begründete Bedenken gegen die Richtigkeit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung zu erwecken. Mit Recht sei das Erstgericht der Parteienaussage der Klägerin gefolgt, die durchgehend tragfähige Gesichtspunkte der inneren Wahrscheinlichkeit für sich habe. Zusätzlich würden diese Angaben durch die Aussage der Zeugin Sieglinde G*** unterstützt. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte und Motive dafür, daß die Klägerin ihrer Nichte Sieglinde G*** gegenüber von der Wahrheit abweichend bekundet hätte, sie habe das gesamte Geld aus dem Verkauf ihres Hauses, also S 600.000 und nicht, wie vom Beklagten behauptet, nur S 400.000, übergeben. Besonders widerspreche es der inneren Wahrscheinlichkeit, wenn der Beklagte als Partei und seine Ehegattin als Zeugin angegeben hätten, sie hätten der Klägerin das Darlehen von S 400.000 abzüglich der abgereiften Beträge schon vor dem Auszug der Klägerin aus dem Haus zurückbezahlt. Dazu habe weder eine rechtliche Verpflichtung noch eine wirtschaftliche Veranlassung bestanden. Die Aussagen des Beklagten als Partei und Zeugenaussagen seiner Ehegattin, seiner Tochter Brigitte H*** und seines Schwiegersohnes Alois H*** seien insgesamt nicht überzeugend. Die genannten Zeugen hätten vielfach ausweichende und unsichere Antworten gegeben, die immer wieder nach entsprechenden Vorhalten teilweise korrigiert bzw.abgeschwächt worden seien. Damit habe das Erstgericht mit Recht der vom Beklagten vorgelegten Bestätigung vom 22.7.1982 den Anspruch auf Richtigkeit versagt. Die Gesamtheit der Beweisergebnisse lasse den Schluß zu, daß sich der Beklagte, was auch seinen eigenen Angaben entspreche, nicht in besonders günstigen finanziellen Verhältnissen befunden habe. Eine Rückzahlung von nicht fälligen Darlehensraten entbehre daher jeder Wahrscheinlichkeit. Auch habe er nicht angeben können, wofür die Klägerin das nach seiner Darstellung von ihm vorzeitig geforderte Geld benötigt hätte. Bei der Klägerin handle es sich um eine hochbetagte Frau, die altersbedingt bereits einen relativ stark eingeengten Lebensbereich habe, was wiederum bedeute, daß die vom Beklagten bekundeten Geldbedürfnisse höchst unwahrscheinlich seien. Das Berufungsgericht übernehme daher die Feststellungen des Erstgerichtes und lege sie seinem Urteil zugrunde. Die mit dem am 22.4.1986 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz von der Klägerin vorgelegten Urkunden könnten mit Rücksicht auf das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren nicht verwendet werden. Nur der Vollständigkeit halber werde unabhängig davon darauf verwiesen, daß die von der Klägerin vorgelegte Mitteilung der Salzburger Sparkasse vom 16.4.1986 über die Abhebungen von dem in Frage stehenden Sparbuch, die durch die Ehegattin des Beklagten im Umfang von S 567.213,95 erfolgt seien, die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichtes zusätzlich stützen könnte. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin Erna S***, die angab, mit Geldangelegenheiten nichts zu tun gehabt zu haben, wäre damit ebenso wie die Richtigkeit der Parteienaussage des Beklagten zusätzlich nochmals überzeugend widerlegt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird geltend gemacht, daß sich das Berufungsgericht mit Beweismitteln die die Klägerin in der Berufungsbeantwortung und in einem weiteren Schriftsatz vorgelegt habe, unter Verletzung des Neuerungsverbotes auseinandergesetzt habe. Dem Revisionswerber sei jede Möglichkeit abgeschnitten worden, auf dieses Vorbringen und die Urkunden zu erwidern; darin liege eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Grundsatzes auf ein faires Verfahren (Art.6 MRK). Das Berufungsgericht setzte sich ausführlich mit der Beweis- und Tatsachenrüge des Beklagten auseinander. Es legte unter Anführung zum Teil neuer Argumente dar, daß das Erstgericht der Parteiaussage der Klägerin mit Recht gefolgt sei und die Aussagen des Beklagten und der von ihm geführten Zeugen insgesamt nicht überzeugend gewesen seien. Nur dann, wenn das Berufungsgericht die Beweiswürdigung für bedenklich hält, hat es gemäß § 488 ZPO selbst die Beweise in mündlicher Berufungsverhandlungzu wiederholen und allenfalls zu ergänzen (SZ 53/117; EvBl 1978/194 ua, Fasching, ZPR Rz 1806). Hatte es aber aufgrund der vom Erstgericht aufgenommenen Beweise keine Bedenken gegen dessen Beweiswürdigung, war es selbst unter Heranziehung neuer Argumente zu einer Beweiswiederholung nicht verpflichtet. Nach Abschluß seiner, die Feststellungen des Erstgerichtes übernehmenden Ausführungen legte das Berufungsgericht ausdrücklich dar, daß die von der Klägerin während des Berufungsverfahrens vorgelegten Urkunden mit Rücksicht auf das Neuerungsverbot nicht verwendet werden könnten. Alle weiteren Ausführungen sollen, wie die Darstellung im Berufungsurteil zeigt, die Entscheidung nicht stützen. Sie hätten daher vermieden werden sollen; überflüssige Ausführungen machen aber eine Entscheidung noch nicht falsch, wenn sie in dieselbe Richtung gehen. Es kann jedenfalls keine Rede davon sein, das Berufungsgericht habe seine Entscheidung unter Verletzung des Neuerungsverbotes und des Grundsatzes eines fairen Verfahrens getroffen. Im übrigen wird unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens die irrevisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Beklagte führte entgegen den Ausführungen in der Revision den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gesetzmäßig aus, weil er dessen Vorliegen ausschließlich darin erblickte, daß das Erstgericht der Klägerin Glauben geschenkt habe. Es ist ihm dann aber verwehrt, die in der Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge in der Revision nachzutragen (SZ 50/152; RZ 1977/65 u.v.a.). Im übrigen behauptete der Beklagte in erster Instanz nicht, die Klägerin habe auf die Rückzahlung verzichtet, er brachte vor, er habe das Darlehen bereits zurückbezahlt. Beide Möglichkeiten schließen einander aus.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.