JudikaturJustiz1Ob62/06h

1Ob62/06h – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juli 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Rudolf G*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Geymüller, Rechtsanwältin in Krems-Hollenburg, wider die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 80.055,57 sA und Feststellung (Streitwert EUR 21.000), infolge Rekurses und außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss bzw das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. November 2005, GZ 15 R 154/05k-62, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Juni 2005, GZ 8 Cg 92/01k-55, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.787,22 (darin enthalten EUR 297,87 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Fischereiberechtigter eines Fischereireviers an der Donau. Die Beklagte betreibt ein 1976 fertiggestelltes Donaukraftwerk. Die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb dieses Kraftwerks wurde unter anderem mit der Auflage erteilt, dass die Fischereireviere weitestgehend in gleichem Umfang wie bisher zu erhalten seien.

Mit der am 19. 4. 2001 eingebrachten Klage machte der Kläger, gestützt auf § 26 Abs 2 WRG, den Ersatz jenes Schadens geltend, der ihm durch die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerks an seinem Fischereirecht entstanden sei. Nach dem Kraftwerksbau habe sich die Qualität des Fischereireviers verschlechtert, sodass nur geringere Pachtentgelte als zuvor hätten erzielt werden können. Unter Zugrundelegung eines Privatgutachtens wurde der Ersatz folgender Ertragsminderungen begehrt:

a) für den Zeitraum von 1973 bis 1997 ATS 689.986 + 20 % USt, also ATS 827.983,20;

b) für die Zukunft (ab 1998) in Form der Kapitalisierung einer Rente ATS 1,064.440 + 20 % USt, also ATS 1,277.328.

Mit Schriftsatz vom 3. 12. 2001 stellte der Kläger ein „Eventualbegehren", wonach die beklagte Partei für sämtliche Schäden am Fischereirevier, welche durch die Errichtung des Donaukraftwerkes entstanden seien, haften solle.

Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das gesamte Klagebegehren wegen Verjährung ab und wies darauf hin, dass das Klagebegehren hinsichtlich des Betrags von ATS 1,064.440 überdies unschlüssig sei. Der Kläger bekämpfte dieses Urteil im Betrag von „EUR 58.002,92" (richtig: EUR 57.999,94) sowie im Hinblick auf die Abweisung des Feststellungsbegehrens. In seiner Berufung begehrte er noch folgende Schadenersatzbeträge:

a) für den Zeitraum 1973 bis 1977 (richtig 1997) ATS 689.986,27 = EUR 50.143,26;

für b) 1. 5. 1998 bis 31. 12. 1998 EUR 1.301,03

c) 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999 EUR 1.962,79

d) 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2000 EUR 2.008,81

e) 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2001 EUR 2.062,32

f) 1. 1. 2002 bis 28. 3. 2003 EUR 521,73

insgesamt für b) bis f) EUR 7.856,68

Für den Zeitraum vom 1. 5. 1998 bis 28. 3. 2002 (Schluss der mündlichen Streitverhandlung im ersten Rechtsgang) wurde nunmehr die Ertragsminderung nicht mehr in Form einer Kapitalisierung für die Zukunft, sondern mit konkreten Beträgen geltend gemacht. Das Berufungsgericht hob das (erste) Urteil des Erstgerichts, das hinsichtlich der Abweisung von EUR 94.994,01 in Rechtskraft erwachsen war, im Umfang der Abweisung von weiteren EUR 58.002,02 und im Ausspruch über das Eventualbegehren auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die in den letzten drei Jahren vor Klagseinbringung (ab Mai 1998) entstandenen Ersatzansprüche seien nicht verjährt. Die Feststellung der Ersatzpflicht komme nur für künftige Schäden in Betracht. Im Verfahren seien Unklarheiten dadurch entstanden, dass der Kläger unter „künftigen Schäden" nicht (oder doch nicht nur) solche verstehe, hinsichtlich derer noch keine Leistungsklage erhoben werden könne, sondern auch bereits bezifferbare und fällige Schadenersatzansprüche zwischen 1998 und (nunmehr) 28. 3. 2002. Diese Schäden könnten aber bereits mit Leistungsklage geltend gemacht werden. Falls im fortgesetzten Verfahren über das Eventualbegehren abzusprechen sein sollte, werde eine Klarstellung erforderlich sein, auf welche Zeitstrecke sich das Feststellungsbegehren beziehen solle. Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Im zweiten Rechtsgang nahm der Kläger eine neue Schadensberechnung vor und dehnte das Leistungsbegehren auf EUR 80.055,57 zzgl 20 % USt aus. Er gelangte zu folgenden Schadensbeträgen:

für 1998 EUR 13.491,33

1999 EUR 13.429,95

2000 EUR 13.368,63

2001 EUR 13.141,47

2002 EUR 13.388,82

2003 EUR 13.235,37

Nach diesen Berechnungen findet sich der Satz: „Das Feststellungsbegehren für die Zukunft wird ausdrücklich aufrecht erhalten."

Schluss der mündlichen Streitverhandlung im zweiten Rechtsgang war am 24. 2. 2005.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte im zweiten Rechtsgang zur Zahlung von EUR 71.504,62 sA und wies das Mehrbegehren von EUR 24.562,06 ab. Es stellte fest, dass die Beklagte dem Kläger und seinen Rechtsnachfolgern für sämtliche zukünftigen, auf Grund der Errichtung des Donaukraftwerks entstehenden Schäden am Fischereirevier hafte. Dem Kläger sei in der Zeit von Mai 1998 bis einschließlich 2003 Pachtentgelt (einschließlich Umsatzsteuer) im Betrag von EUR 71.504,62 entgangen. Weitere, noch nicht bezifferbare Schäden (geringe Pachteinnahmen) seien zu erwarten, weshalb das Feststellungsbegehren berechtigt sei.

Das Berufungsgericht wies im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren hinsichtlich des Teilbetrags von EUR 48.921,91 zzgl 20 % USt sA zurück. Im Übrigen gab es den Berufungen der Streitteile teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil (unter Einschluss des bestätigten und des unangefochtenen Teils) dahin ab, dass die Beklagte schuldig erkannt wurde, dem Kläger lediglich EUR 30.971,31 sA zu zahlen, dass das Mehrbegehren von EUR 162,35 zzgl 20 % USt, das 20 %ige Umsatzsteuerbegehren aus EUR 30.971,31 sowie das Zinsenmehrbegehren (einschließlich des Umsatzsteuerbegehrens aus den Verzugszinsen) abgewiesen und festgestellt wurde, die Beklagte hafte dem Kläger und seinen Rechtsnachfolgern für sämtliche zukünftige Schäden am Fischereirevier, die aus der Nichterfüllung der Auflagen und Bedingungen gemäß den Punkten 133, 134 und 136 des Bescheides des BM für Land- und Forstwirtschaft vom 20. 7. 1973 in Verbindung mit dem Bescheid des BM für Land- und Forstwirtschaft vom 29. 3. 1996 (berichtigt durch den Bescheid vom 8. 1. 1997) resultierten. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Kläger habe im ersten Rechtsgang das abweisliche Urteil des Erstgerichts nur teilweise bekämpft. Er habe für den Zeitraum von 1. 5. 1998 bis 28. 3. 2002 nur mehr EUR 7.856,68 begehrt und die Abweisung des darüber hinausgehenden Zahlungsbegehrens für diesen Zeitraum unbekämpft gelassen. Das Feststellungsbegehren beziehe sich nunmehr auf die künftigen Schäden ab 29. 3. 2002. Von der Rechtskraft der Abweisung des Teilbetrags von EUR 94.994,01 sei das den Zeitraum 1. 5. 1998 bis 28. 3. 2002 betreffende, über EUR 7.856,68 hinausgehende Zahlungsbegehren umfasst, da der Rechtsgrund und die Art des klagsweise verfolgten Anspruchs unverändert geblieben seien, sodass die Identität des prozessual geltend gemachten Anspruchs zu bejahen sei. Für den Zeitraum vom 1. 5. 1998 bis 28. 3. 2002 könne der Kläger somit nur mehr EUR 7.856,68 geltend machen. Das für diesen Zeitraum über den genannten Betrag hinausgehende Klagebegehren sei daher zurückzuweisen. Der von der Zurückweisung erfasste Betrag errechne sich wie folgt:

1998 EUR 13.491,33

1999 EUR 13.429,95

2000 EUR 13.368,63

2001 EUR 13.141,47

2002 (bis 28. 3.) EUR 3.347,21

Gesamt EUR 56.778,59

abzüglich EUR 7.856,68

EUR 48.921,91.

Für die Zeit vom 29. 3. 2002 bis 31. 12. 2003 ergebe sich ein Pachtzinsentgang im Betrag von insgesamt 23.114,63 EUR. Unter Hinzurechnung des Teilbetrags von 7.856,68 EUR erweise sich das Zahlungsbegehren mit 30.971,31 EUR sA als berechtigt. Das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil der Eintritt künftiger Schäden nicht ausgeschlossen werden könne. Es sei aber auf solche Schäden einzuschränken, die aus der Nichterfüllung der wasserrechtlichen Bescheidauflagen resultierten.

Rechtliche Beurteilung

I) Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs an den Obersten

Gerichtshof ist zulässig, aber nicht berechtigt:

Bei seinem Rekursvorbringen, es müsse im fortgesetzten Verfahren zulässig sein, das Begehren schlüssig zu stellen, lässt der Rekurswerber außer Acht, dass es sich bei seiner Vorgangsweise nicht um eine bloße Schlüssigstellung des bisherigen, auf den Zeitraum 1. 5. 1998 bis 28. 3. 2002 entfallenden Klagebegehrens, sondern um dessen Ausdehnung handelte. Soweit das Klagebegehren insoweit über EUR 7.856,68 hinaus ausgedehnt wurde, lag bereits eine abweisliche Entscheidung vor, die der Kläger im ersten Rechtsgang unangefochten ließ. Was aber nicht bereits Gegenstand der Anfechtung in der Berufung war, ist durch Eintritt der Teilrechtskraft im Berufungsverfahren unüberprüfbar geworden und kann nicht mehr Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren sein. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Teil nicht in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit dem noch überprüfbaren Teil steht (SZ 53/66). Ein solcher Sachzusammenhang liegt nicht vor, da eine quantitative Trennung des unangefochten gebliebenen und des angefochtenen Entscheidungsteils möglich ist (RIS-Justiz RS0041347). Daraus resultiert die Teilrechtskraft der Abweisung des über EUR 7.856,68 hinausgehenden Betrags für die Zeit vom 1. 5. 1998 bis 28. 3. 2002. Auf die Frage der Verjährung muss daher nicht mehr eingegangen werden.

Die unrichtige Wiedergabe eines Parteivorbringens könnte niemals eine

Aktenwidrigkeit begründen (Rechberger, ZPO² § 471 Rz 7). Eine

unrichtige Wiedergabe des Parteivorbringens, die zu einer unrichtigen

rechtlichen Beurteilung führen könnte, liegt nicht vor. Es wäre dem

Rekurswerber freigestanden, in Entsprechung des im Berufungsurteil

enthaltenen Hinweises ausdrücklich vorzubringen, auf welchen Zeitraum

er sein Feststellungsbegehren bezogen sehen wollte. Da er ein

Leistungsbegehren für den Zeitraum vom 1. 5. 1998 bis 28. 3. 2002

stellte und sich mit dem unmittelbar anschließenden Satz begnügte,

das Feststellungsbegehren bleibe aufrecht, kann dieses Vorbringen

nicht anders ausgelegt werden, als dass das Feststellungsbegehren

sich nunmehr auf die (künftigen) Schäden ab 29. 3. 2002 beziehen

sollte. Diese Interpretation des Parteivorbringens stimmt mit jenen

Grundsätzen überein, die zur Zulässigkeit der Feststellungsklage in

jenen Fällen entwickelt wurde, in denen bereits eine Leistungsklage

möglich wäre (Fasching in Fasching/Konecny² III § 228 Rz 108 mwN).

Dem Rekurs ist demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf

den §§ 41 und 50 ZPO.

II.) Die außerordentliche Revision ist unzulässig:

Die Schadenersatzpflicht der beklagten Partei resultiert nicht aus der „Errichtung" des Donaukraftwerks, sondern aus der beim rechtmäßigen Betrieb gegebenen Nichteinhaltung der im Bewilligungsbescheid enthaltenen fischereirechtlichen Auflagen und Bedingungen (s § 26 Abs 1 und 2 WRG). Allein daraus ist der geltend gemachte Anspruch wegen Ertragsminderung ableitbar. Wenn das Berufungsgericht statt der Formulierung „Schäden auf Grund der Errichtung des Donaukraftwerks" die Formulierung wählte, „Schäden, die aus der Nichterfüllung der Auflagen und Bedingungen gemäß Pkt 133, 134 und 136 des Bescheids des BM für Land- und Forstwirtschaft vom 20. 7. 1973 ... resultieren", liegt darin kein Verstoß. Insoweit genügt es, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen. Die Frage, inwieweit den Kläger in allfälligen Folgeprozessen eine Beweislast trifft, ist bei der richtigen Fassung eines Feststellungsausspruchs bedeutungslos.

Eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zu lösen, was die Zurückweisung der außerordentlichen Revision zur Folge hat.