JudikaturJustiz1Ob582/87

1Ob582/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Mai 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Sonja S***, geboren am 11. Oktober 1969, infolge Revisionsrekurses des Vaters Johann S***, Pensionist, Leutasch, Weidach 371, vertreten durch Dr. Gertraud Kapferer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 6. März 1987, GZ. 2 b R 34/87-107, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Reutte vom 9. Jänner 1987, GZ. P 36/75-99, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Der Antrag auf Zuerkennung von Revisionsrekurskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen ist geschieden. Die elterlichen Rechte und Pflichten sind der Mutter Theresia S***, in deren Haushalt die Minderjährige lebt, übertragen. Über das Vermögen des Vaters wurde der Konkurs eröffnet.

Am 23. Jänner 1986 beantragte der Vater die Enthebung von seiner mit monatlich S 1.300,-- bemessenen Unterhaltsverpflichtung. Das Erstgericht setzte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters mit Beschluß vom 2. Juni 1986 (ON 83) vorläufig auf S 880,-- herab und sprach aus, daß die endgültige Festsetzung des Unterhalts ab 1. Februar 1986 bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Pensionsbescheides vorbehalten bleibe. Dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 1. Oktober 1986 beantragte die Bezirkshauptmannschaft Reutte als besonderer Sachwalter die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters entsprechend seinem tatsächlichen Einkommen. Das Erstgericht setzte dessen monatliche Unterhaltsverpflichtung für den Zeitraum vom 1. Februar bis 30. September 1986 mit S 1.300,-- und vom 1. Oktober 1986 an mit S 1.500,-- fest.

Der erstinstanzliche Beschluß wurde dem mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Tirol vom 30. Jänner 1987 (ON 101) zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt Dr. Hans V*** am 3. Februar 1987 zugestellt. Mit Bescheid vom 11. Februar 1987 (ON 103) hat der genannte Ausschuß über Ersuchen des zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwaltes an dessen Stelle gemäß § 45 Abs. 1 RAO Dr. Gertraud K*** als Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe bestellt; die für das Gericht bestimmte Ausfertigung dieses Bescheides langte beim Erstgericht am 13. Februar 1987 ein. Am 16. Februar 1987 überreichte Dr. Hans V*** namens des Vaters unter Hinweis auf seine Bestellung als Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe einen Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß (ON 104); Dr. Gertraud K*** hat den von ihr gegen den erstinstanzlichen Beschluß verfaßten Rekurs am 19. Februar 1987 zur Post gegeben (ON 106).

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs ON 104 nicht Folge und wies den Rekurs ON 106 zurück. Der Rekurs ON 106 sei unzulässig, weil die Partei gegen eine Entscheidung nur ein Rechtsmittel ergreifen könne; selbst die Ergänzung oder Berichtigung des Rechtsmittels auch innerhalb der noch offenstehenden Frist sei ihr daher verwehrt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß vom Vater durch seine Verfahrenshelferin Dr. Gertraud K*** erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Das Rekursgericht hat die Wirksamkeit des zeitlich später erhobenen, von Dr. Gertraud K*** verfaßten Rekurses lediglich aus dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit des Rechtsmittels geprüft, ohne die Frage zu erörtern, ob Rechtsanwalt Dr. Hans V*** bei Erhebung des von ihm verfaßten Rekurses (ON 104) noch wirksam als Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe für den Vater bestellt war. Dr. Hans V*** ist mit Eintritt der Rechtswirksamkeit des Umbestellungsbescheides von der Vertretung des Vaters zur Verfahrenshilfe enthoben worden. Da die Bestimmung des § 36 Abs. 2 ZPO nicht auch bei Enthebung des Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe anzuwenden ist, weil dessen Enthebung - gleichgültig aus welchem Grund - nicht als Aufkündigung der Vollmacht anzusehen ist (SZ 44/133 ua.), war Dr. Hans V*** von der Rechtswirksamkeit des Umbestellungsbescheides an nicht mehr zur Vertretung des Vaters und damit auch nicht mehr zur Erhebung eines Rekurses für ihn befugt. Ein vom enthobenen Vertreter dennoch eingebrachtes Rechtsmittel ist demnach unwirksam und zurückzuweisen (vgl. RZ 1981/46). In welchem Zeitpunkt der Bescheid des Ausschusses rechtswirksam wird, ist § 45 RAO, der die Bestellung und die Umbestellung des Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe regelt, zwar nicht unmittelbar zu entnehmen, doch mißt das Gesetz der Verständigung des Gerichtes unzweifelhaft die ausschlaggebende Bedeutung zu, ordnet § 45 Abs. 5 RAO doch nur die Verständigung des Gerichtes erster Instanz bzw. des Gerichts, bei dem der bestellte Rechtsanwalt einzuschreiten hat, an; auch ist allein der Zeitpunkt dieser Verständigung im gerichtlichen Verfahren aktenkundig. Die im Gesetz nicht ausdrücklich vorgeschriebene Verständigung des enthobenen und des neubestellten Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe erfolgt in dem vom Ausschuß abgeführten Verfahren. Wollte man den Eintritt der Rechtswirksamkeit des Umbestellungsbescheides an dessen Zustellung an den enthobenen bzw. den neubestellten Rechtsanwalt knüpfen, müßte der für das Gericht nicht aktenkundige Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides erst erhoben werden. Zweifelsfragen ergäben sich, wenn die Bescheidausfertigungen an die beiden Rechtsanwälte zu verschiedenen Zeitpunkten zugestellt werden. Eine solche, den Grundsätzen eines sinnvoll zu führenden Verfahrens zuwiderlaufende Auffassung kann dem Gesetz nicht unterstellt werden. Da die Umbestellung des Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe ausschließlich für das gerichtliche Verfahren, auf das sie sich bezieht, Rechtswirkungen äußert, kann es allein dem Gesetz entsprechen, die Rechtswirkungen des Umbestellungsbescheides an die Verständigung des Gerichtes zu binden. Da diese im vorliegenden Fall am 13. Februar 1987 erfolgt ist, war Dr. Hans V*** im Zeitpunkt der Erhebung des von ihm verfaßten Rekurses (am 16. Februar 1987) nicht mehr zur Vertretung des Vaters berechtigt. Daher wird das Rekursgericht diesen Rekurs als unwirksam erhoben zurückzuweisen und über den von Dr. Gertraud K*** als dem zur Verfahrenshilfe für den Vater bestellten Rechtsanwalt erhobenen Rekurs (ON 106) abzusprechen haben. Der Antrag auf Zuerkennung von Kosten für den Revisionsrekurs ist abzuweisen, weil im Pflegschaftsverfahren ein Kostenersatz nicht vorgesehen ist.