JudikaturJustiz1Ob579/95

1Ob579/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang K*****, vertreten durch Dr.Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei B***** W***** T***** Gesellschaft mbH, *****, wegen S 2,437.654,90 sA infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 21.März 1995, GZ 4 R 27/95 7, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10.Februar 1995, GZ 23 Cg 13/95 4, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen über die Zuständigkeit werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt den Zuspruch von S 2,437.654,90 sA und bringt im wesentlichen vor: Er sei „seit 1991 bis (31.3.) 1995 Handelsvertreter der beklagten Partei (gewesen)“ und habe diese in Österreich und in Italien vertreten. Die „Wiederverkaufsrabatte und Provisionen“ hätten in der Vergangenheit jährlich rund S 1,500.000,- betragen. Die beklagte Partei habe den bestehenden Handelsvertretervertrag mit Schreiben vom 15.November 1994 „fristlos, nur hilfsweise und äußerst vorsorglich fristgemäß zum 31.März 1995“ mit der Behauptung aufgekündigt, er habe es unterlassen, einen am 27.Oktober 1994 fälligen Wechsel über DM 54.660,- einzulösen. Er habe der „außerordentlichen Kündigung“ sofort widersprochen. Richtig sei zwar, daß er „den Wechsel über DM 54.660,- als Bezogener und Akzeptant (am 27.10.1994) nicht eingelöst“, sondern dessen Prolongation gewünscht habe; diese „Zahlungsverweigerung“ stelle deshalb „keinen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung der Handelsvertretung dar, weil die beklagte Partei ihren Verpflichtungen zur Schadloshaltung bzw. Kaufpreisrückzahlung aus einen bestimmten Geschäftsfall nicht nachgekommen sei. Er habe nämlich am 14.April 1992 eine Arbeitsmaschine bei der beklagten Partei „bestellt“, die eine ausdrücklich zugesicherte Eigenschaft nicht erfüllt und auch sonst zahlreiche Mängel aufgewiesen habe; das sei im August/September 1992 anläßlich der Montage beim „Endabnehmer“ zutage getreten und sofort gerügt worden. Der „Endabnehmer“ sei schließlich vom Vertrag zurückgetreten und habe gegen ihn „eine Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie auf Schadenersatz“ eingebracht; diese sei teilweise erfolgreich gewesen und er habe daher „der Endabnehmerin den erhaltenen Kaufpreis zurückzuzahlen“ und deren mit gerichtlichem Vergleich vom 20.Dezember 1994 festgesetzten „frustrierten Aufwendungen“ zu ersetzen. Danach habe er „gegenüber der beklagten Partei den Rücktritt vom Vertrag erklärt, die Rückzahlung des Kaufpreises von DM 133.915,70 sowie Schadenersatz begehrt, den oben beschriebenen Wechsel nicht eingelöst und die beklagte Partei aufgefordert, die bei der klagenden Partei gelagerte Anlage zurückzunehmen“. Der von der beklagten Partei in Ansehung des „gescheiterten Geschäftes“ noch nicht bezahlte Schaden belaufe sich auf zumindest S 500.000, . Diese habe ihm aber auch den „für den Beschaffungskauf ausgelegten Kaufpreis“ von DM 133.915,70 (= S 937.654,90) zurückzuerstatten. Im übrigen habe ihm die beklagte Partei sowohl gemäß § 24 HVertrG als auch gemäß § 89 dHGB nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses S 500.000,- als angemessenen Ausgleichsanspruch zu bezahlen. Das Klagebegehren errechne sich daher wie folgt:

„Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters“ S 500.000,-

„Kaufpreisrückzahlung“ S 937.654,90

„Schadenersatz/Gewährleistung“ wegen

Nichteinhaltung einer besonderen Leistungs-

zusage S 1,000.000,-

Summe S 2,437.654,90

Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ergebe sich aus § 99 JN; in dessen Sprengel befinde sich Vermögen der beklagten Partei, „nämlich die nichteingelöste Forderung auf Grund des Wechsels vom 27.7.1994 ......... über DM 54.660, , deren „Anlage ............ mit einem Nettoeinkaufspreis von DM 133.915,70“ und die „Forderung ...... auf Rückgabe der beschriebenen Anlage“. Abgesehen davon könne eine ausländische Gesellschaft auch bei jenem inländischen Gericht geklagt werden, in dessen Sprengel sich deren ständige Vertretung für das Inland oder ein mit der Besorgung der Geschäfte betrautes Organ befinde. Er „und/oder die Firma K***** Industrieanlagen GmbH, ***** ist/sind bevollmächtigte/Repräsentanten der beklagten Partei in Österreich, und zwar bis 31.3.1995“. Das angerufene Gericht sei daher auch gemäß § 99 Abs 3 JN zuständig.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Es vertrat im wesentlichen die Ansicht: Der Kläger habe, ohne dies ausdrücklich zu erklären, „seinen Anspruch ......... auf Schadenersatz und Kaufpreisrückzahlung“ gegen die Wechselforderung der beklagten Partei aufgerechnet. Eine Gegenforderung der beklagten Partei sei aber zur Begründung des Vermögensgerichtsstandes dann ungeeignet, wenn der Kläger das Bestehen derselben „etwa infolge Aufrechnung“ bestreite. Die im Besitz des Klägers befindliche Anlage könne nicht mehr im Eigentum der beklagten Partei stehen, weil ein allfälliger Eigentumsvorbehalt durch Bezahlung des Kaufpreises erloschen sei. Da der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises begehre, müsse er selbst Eigentümer der Anlage sein; ein Anspruch der beklagten Partei auf Herausgabe stehe derzeit nicht fest; es werde auch nicht behauptet, daß die beklagte Partei einen solchen geltend gemacht habe. Mangels Vermögens der beklagten Partei im Sprengel des angerufenen Gerichtes bestehe bei diesem kein Gerichtsstand gemäß § 99 Abs 1 JN. Es liege aber auch der Gerichtsstand gemäß § 99 Abs 3 JN nicht vor. Nur wenn das „Vertretungsverhältnis“ zwischen den Streitteilen nicht aufgelöst wäre, „könnte von einer ständigen Vertretung der beklagten Partei durch den Kläger für das Inland gesprochen werden“. Die Auflösung dieses Verhältnisses zum 31.März 1995, also etwa zwei Monate nach Klageeinbringung, nehme „dieser Vertretung die Eigenschaft des dauernden Bestandes“.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es erwog im wesentlichen: Das zur Begründung eines inländischen Gerichtsstandes herangezogene Vermögen könne auch in einer Forderung gegen einen Inländer bestehen; es reichten auch „dubiose Forderungen“ hin, soweit diese „bis zur Klagseinbringung nur noch nicht rechtskräftig als nicht zu Recht bestehend erkannt worden“ seien. Eine nicht „unter 10 % bis 20 % der Klagsforderung“ liegende Forderung genüge zur Begründung des Vermögensgerichtsstandes. Es könne sich dabei auch um eine Gegenforderung der beklagten Partei gegen den Kläger handeln; das gelte jedoch dann nicht, wenn der Kläger den Bestand der Gegenforderung etwa deshalb bestreite, weil er sie nach seinen Behauptungen bereits durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht habe. Davon müsse aber im vorliegenden Fall ausgegangen werden, habe der Kläger doch „wegen seiner Forderung auf Rückgabe des Kaufpreises den Wechsel nicht eingelöst“. Im übrigen setze die Begründung des Vermögensgerichtsstandes ein von der Entscheidung über das Klagebegehren unabhängiges Vermögen voraus. Ein Anspruch der beklagten Partei, der sich erst „auf Grund des Prozesses allenfalls ergeben könnte“, reiche nicht aus. Das treffe auch für „Zug um Zug zu erbringende Rückabwicklungsansprüche“ zu. Beim angerufenen Gericht bestehe aber auch kein Gerichtsstand gemäß § 99 Abs 3 JN. Der Kläger mache einen Anspruch aus der bereits bewirkten Auflösung des Handelsvertretervertrages geltend. Wenn auch „die vorzeitige Lösung ohne wichtigen Grund nach der Wahl des Gegners entweder zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses oder zum Schadenersatz“ verpflichte, müsse in der Klageführung die Ausübung dieses Wahlrechtes durch das Begehren auf Leistung von Schadenersatz erblickt werden. Selbst wenn aber der zwischen den Streitteilen geschlossene Handelsvertretervertrag noch aufrecht wäre, könnte dies „nicht als Anknüpfungspunkt“ für eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes herangezogen werden. Ein ständiger Vertreter im Sinn des § 99 Abs 3 JN sei zwar auch eine Person, die kraft Gesetzes oder Vollmacht „im Namen und mit Rechtswirkung für oder gegen den Vertretenen handeln könne oder hinsichtlich deren ein Auftrags oder Vollmachtsverhältnis ............ zumindest konkludent“ vorliege. Die Wahl des Klägers, nicht auf Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu dringen, habe jedoch die „Bevollmächtigtenstellung aus dem Handelsvertretervertrag“ bereits vor Klageeinbringung beendet. Schließlich stelle § 99 Abs 3 JN „keine eigene Zuständigkeitsnorm gerade für einen solchen Vertreter der ausländischen Gesellschaft dar, sondern solle Dritten die Möglichkeit bieten, auch an jenem Ort im Inland die ausländische Gesellschaft zu klagen, wo deren (bezughabende) Geschäfte ohnehin schon besorgt“ würden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 41 Abs 2 JN erfolgt die Prüfung der Zuständigkeit aufgrund der Klageangaben, es sei denn, diese wären dem Gericht bereits als unrichtig bekannt.

Gemäß § 99 Abs 1 JN kann gegen Personen, die im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, wegen vermögensrechtlicher Ansprüche bei jedem Gericht eine Klage angebracht werden, in dessen Sprengel sich Vermögen dieser Personen oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand selbst befindet. Der Wert des im Inland befindlichen Vermögens darf jedoch nicht unverhältnismäßig geringer als der Wert des Streitgegenstandes sein.

Vermögen im Sinne des § 99 Abs 1 JN sind Güter, die dem Beklagten eine Verfügungsmacht gewähren, somit alle wirtschaftlich verwertbaren Güter und Rechte (RdW 1993, 111; SZ 51/155; Mayr in Rechberger , Kommentar zur ZPO Rz 5 zu § 99 JN; Fasching , LB 2 Rz 311). Auch eine gegen den Kläger bestehende Gegenforderung des Beklagten kann den Vermögensgerichtsstand begründen (EvBl 1967/242; EvBl 1965/452); das gilt jedoch dann nicht, wenn der Kläger selbst den Bestand der Gegenforderung bestreitet (EvBl 1962/422), etwa weil sie nach den Klagebehauptungen bereits durch Aufrechnung erloschen wäre (EvBl 1965/452; ebenso in diesem Sinne: EvBl 1967/242; Mayr in Rechberger aaO Rz 6 zu § 99 JN); das wäre auch dann der Fall, wenn der Kläger das Erlöschen der Gegenforderung durch Aufrechnung zwar nicht ausdrücklich behauptet, sich derartiges aber schlüssig daraus ergäbe, daß er einen der Höhe der Gegenforderung entsprechenden Betrag vom Klageanspruch abgezogen hätte (2 Ob 512/79).

Das Rekursgericht legte die Klageangaben allerdings unrichtig dahin aus, der Kläger habe mit seinen Ansprüche gegen die Wechselforderung der beklagten Partei aufgerechnet. Vorgebracht wird nämlich nur, der Kläger habe den am 27.Oktober 1994 fällig gewordenen Wechsel nicht eingelöst. Eine Aufrechnung wird dagegen nicht behauptet; eine solche läßt sich auch nicht aus der Berechnung des Klageanspruches schließen, weil nicht erkennbar ist, daß der Kläger seine unbestrittene Wechselschuld von den behaupteten Ansprüchen gegen die beklagte Partei abgerechnet hätte. Die Wechselforderung der beklagten Partei ist aber im vorliegenden Fall für sich allein ungeeignet, einen Vermögensgerichtsstand zB nach dem Wohnsitz des Schuldners ( Demelius , Der neue Civilproceß [1902] 112) zu begründen, weil sie nur rund 16 % des Klageanspruches erreicht. Das Vermögen muß aber - wie schon betont - in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen; das ist anzunehmen, wenn es etwa 20 % des Streitwertes erreicht (7 Ob 523/94; RdW 1993, 111; EvBl 1991/182; Mayr in Rechberger aaO Rz 8 zu § 99 JN).

Das vom Kläger behauptete weitere Inlandsvermögen der beklagten Partei (Arbeitsmaschine) könnte sich dagegen - eine Eigentümerstellung der beklagten Partei ist nach den Klageangaben auszuschließen - erst im Falle eines Prozeßerfolges des Klägers ergeben, nämlich dann, wenn sich der von ihm ausgesprochene Rücktritt vom „Kaufvertrag“ als gerechtfertigt herausstellen sollte und eine Rückabwicklung der in Erfüllung des Vertrages erbrachten Leistungen durchzuführen wäre. Für die Begründung des Vermögensgerichtsstandes muß aber im Inland befindliches Vermögen der beklagten Partei von der Entscheidung über das Klagebegehren unabhängig sein; nicht ausreichend ist daher ein vermögensrechtlicher Anspruch, der sich erst auf Grund des Prozesses ergeben könnte (RZ 1994/77; ecolex 1993, 811; EvBl 1978/212; SZ 51/34). Demnach kann der Wert der allenfalls künftig in das Vermögen der beklagten Partei zurückfallenden Arbeitsmaschine nicht mit ihrer Wechselforderung addiert werden, um so an die bezeichnete Grenze von 20 % heranzukommen oder diese zu überschreiten. Der Gerichtsstand gemäß § 99 Abs 1 JN wurde daher vom Rekursgericht im Ergebnis richtig verneint.

Gemäß § 99 Abs 3 JN können ausländische Anstalten, Vermögensmassen, Gesellschaften, Genossenschaften und andere Personenvereine bei dem inländischen Gerichte geklagt werden, in dessen Sprengel sich ihre ständige Vertretung für das Inland oder ein mit der Besorgung der Geschäfte solcher Anstalten und Gesellschaften betrautes Organ befindet.

Die der Zuständigkeitsprüfung zugrunde zu legenden Klageangaben sind in mehr als einem Punkt undeutlich oder widersprüchlich, sie reichen jedoch für eine abschließende Prüfung der Zuständigkeitsfrage in Ansehung des in § 99 Abs 3 JN geregelten Gerichtsstandes aus. Der Kläger behauptet, „seit 1991 bis (31.3.) 1995 Handelsvertreter der beklagten Partei (gewesen)“ zu sein und diese „allein im Gebiet der Republik Österreich ............. vertreten“ zu haben. „Wiederverkaufsrabatte und Provisionen“ hätten in der Vergangenheit jährlich rund S 1,500.000,- betragen (ON 1 S 2). Schließlich ist die Rede davon, „der Kläger und/oder die Firma K***** Industrieanlagen GmbH ............ ist/sind bevollmächtigte Repräsentanten der beklagten Partei in Österreich, und zwar bis 31.3.1995“ (ON 1 S 6). Unklar ist also, wer nun eigentlich - der Kläger oder eine Kapitalgesellschaft oder beide - noch im Zeitpunkt der Klageeinbringung (27.Jänner 1995) „Bevollmächtigter/Repräsentant“ der beklagten Partei gewesen sein soll; das schadet jedoch in Ansehung des § 99 Abs 3 JN nicht, weil bereits irgendeine Inlandsrepräsentanz der beklagten Partei für die Begründung des bezeichneten Gerichtsstandes ausreicht und die Stellung des jeweiligen Repräsentanten als Handelsvertreter und Bevollmächtigter der beklagten Partei ausdrücklich behauptet wird. Zu den Aufgaben des Repräsentanten gehört daher offenbar auch, im Namen und für Rechnung des Geschäftsherrn aufzutreten und Rechtsgeschäfte abzuschließen. Der Gerichtsstand der inländischen Vertretung ausländischer juristischer Personen, die keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland haben (EvBl 1964/275; Schoibl in Schumacher/Gruber , Rechtsfragen der Zweigniederlassung [1993] 341 f; Mayr in Rechberger aaO Rz 11 zu § 99 JN; Fasching aaO Rz 311), besteht unabhängig vom Umfang der inländischen Vertretung; unmaßgeblich ist auch, ob die Vertretungsmacht ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten eingeräumt wurde (ZVR 1992/158; SZ 57/206). Überdies werden unter „Organ“ im Sinne des Gesetzes nicht nur die gesetzlichen oder satzungsgemäß zur Vertretung einer Gesellschaft berufenen Personen angesehen, sondern auch ihre Bevollmächtigten und Beauftragten als ausdrücklich oder konkludent bestellte rechtsgeschäftliche Vertreter, nicht aber bloße Abschlußvermittler (ZVR 1992/158; Mayr in Rechberger aaO Rz 11 zu § 99 JN). Nach den Klageangaben war das behauptete Vertretungsverhältnis im Zeitpunkt der Klageeinbringung noch aufrecht; daran ändert die Darstellung des Standpunktes der beklagten Partei (fristlose Vertragsauflösung mit Schreiben vom 15.November 1994) nichts. Das Klagevorbringen läßt somit - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - nicht die Deutung zu, die inländische Vertretung der beklagten Partei habe im Zeitpunkt der Klageeinbringung (27.Jänner 1995) nicht mehr bestanden. Die vom Kläger für einen seiner Ansprüche genannten Rechtsgründe (§§ 24 HVertrG und 89 dHGB) sind zwar als Behauptung der Auflösung des Vertretungsverhältnisses zu verstehen, das kann sich jedoch - unter Berücksichtigung der sonstigen Klageangaben - nur auf den Zeitraum nach dem 31.März 1995 beziehen. Der Wegfall des einen inländischen Gerichtsstand begründenden Tatbestandes nach Klageeinbringung kann aber gemäß § 29 JN die bereits eingetretene Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes nicht mehr beseitigen. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes schließt im übrigen die von der beklagten Partei vor Klageeinbringung ausgesprochene Kündigung des Handelsvertretervertrages mit ihrem inländischen Repräsentanten den Gerichtsstand gemäß § 99 Abs 3 JN deshalb nicht aus, weil dieser auch noch während der Liquidation einer inländischen Repräsentanz begründet ist (ZfRV 1994, 211).

Soweit überblickbar, besteht keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob auch der Inlandsvertreter einer ausländischen juristischen Person den Gerichtsstand gemäß § 99 Abs 3 JN in Anspruch nehmen kann. Das Rekursgericht verneinte das mit der Begründung, der Gesetzgeber wolle nur einem „Dritten“, nicht aber auch dem Inlandsvertreter einer „ausländischen Gesellschaft“ die Möglichkeit bieten, diese im Inland zu klagen. Dem ist nicht zu folgen. Es entspricht herrschender Ansicht, daß ein beim Gerichtsstand gemäß § 99 Abs 3 JN klagbarer Anspruch nicht aus der Geschäftstätigkeit der inländischenVertretung oder des mit der Geschäftsbesorgung im Inland betrauten Organes entstanden sein muß; eine ausländische juristische Person kann daher bei einem inländischen Gericht selbst in solchen Rechtssachen geklagt werden, die sich nicht auf die inländische Vertretung beziehen ( Schoibl in Schumacher/Gruber aaO 344 f mwN; Mayr in Rechberger aaO Rz 11 zu § 99 JN). Wenn also ein inländischer Gerichtsstand selbst für Klagen gegen eine ausländische juristische Person besteht, die sich gar nicht auf Angelegenheiten ihrer inländischen Vertretung beziehen, läßt sich das Vorliegen des Gerichtsstandes gemäß § 99 Abs 3 JN für Ansprüche, die ihren Rechtsgrund - wie im vorliegenden Fall - allein in der Tätigkeit einer inländischen Vertretung der ausländischen juristischen Person haben, nicht deshalb verneinen, weil solche Ansprüche der Vertreter selbst geltend macht.

Die Auslegung des Rekursgerichtes steht daher nicht im Einklang mit dem Gesetz; dieses verwehrt es dem inländischen Repräsentanten einer ausländischen juristischen Person weder nach seinem Wortlaut noch nach den zuvor dargestellten Wertungen, seine aus dem Handeln als Vertreter entstandenen Ansprüche auch bei einem inländischen Gerichtsstand geltend zu machen.

Der Kläger beruft sich daher für die behaupteten Ansprüche zu Recht auf den beim angerufenen Gericht bestehenden Gerichtsstand gemäß § 99 Abs 3 JN, weil sich in dessen Sprengel noch im Zeitpunkt der Klageeinbringung die Inlandsrepräsentanz der beklagten Partei befand. Zu prüfen ist allerdings noch das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit.

Nach der Indikationentheorie spricht für die inländische Gerichtsbarkeit zunächst, wenn ein gesetzlicher Tatbestand der örtlichen Zuständigkeit erfüllt ist; das erspart aber nicht die weitere Prüfung, ob die durch den vorliegenden Gerichtsstand repräsentierte Inlandsbeziehung auch insgesamt für die Bejahung des inländischen Justizbedürfnisses ausreicht. Nach nunmehr herrschender Ansicht besteht die inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen für alle Rechtssachen, die durch gesetzliche Anordnung, völkerrechtliche Regelungen oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind. Liegt jedoch nur ein inländischer Gerichtsstand ohne hinreichende Nahebeziehung des geltend gemachten Anspruches zum Inland vor, ist die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen (EvBl 1993/93; RdW 1993, 111; JBl 1992, 330 und 331; SZ 62/101; Mayr in Rechberger aaO Rz 4 zu § 28 JN mwN).

Wie schon oben ausgeführt wurde, kann der nachträgliche Wegfall des einen inländischen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Klageeinbringung begründenden Tatbestandes die bereits eingetretene Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes nicht mehr beseitigen. Gemäß § 29 Satz 2 JN wird dagegen die inländische Gerichtsbarkeit bei nachträglichem Wegfall des sie ursprünglich begründenden Tatbestandes nicht perpetuiert. Fällt jedoch nach Klageeinbringung jenes Vermögen weg, das den Gerichtsstand gemäß § 99 JN begründete, hat dies nach ständiger Rechtsprechung nicht auch den Entfall der inländischen Gerichtsbarkeit zur Folge (EFSlg 63.918; SZ 60/164; SZ 52/60 ua). Daran wird im Schrifttum Kritik geübt ( Fasching aaO Rz 79; Mayr in Rechberger aaO Rz 4 zu § 29 JN; Rechberger/Simotta , Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts 4 Rz 71; Böhm, JBl 1988, 389 [Entscheidungsglosse]). Den erhobenen Einwänden ist insoweit zu folgen, als die bisherige Rechtsprechung den dargestellten Standpunkt undifferenziert vertrat. Im Sinne der Indikationentheorie ist vielmehr maßgebend, ob durch den nachträglichen Wegfall des den Gerichtsstand gemäß § 99 JN begründenden Vermögens auch die Nahebeziehung zum Inland entscheidend geschwächt wurde oder eine ausreichende Inlandsbeziehung nach wie vor vorliegt ( Mayr in Rechberger aaO Rz 4 zu § 29 JN; Rechberger/Simotta aaO). Diese Fragestellung ist auch hier von Bedeutung, weil die den Gerichtsstand gemäß § 99 Abs 3 JN begründende Inlandsrepräsentanz der beklagten Partei nach den Klageangaben mit Ablauf des 31.März 1995 aufgelöst wurde.

Eine für die Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit ausreichende Inlandsbeziehung liegt im vorliegenden Fall allerdings auch noch nach Auflösung der Inlandsrepräsentanz der beklagten Partei vor. Das Klagebegehren stützt sich nämlich zum einen auf ein konkretes von der beklagten Partei im Inland erfülltes Rechtsgeschäft, zum anderen liegen ihm ausschließlich Ansprüche aus der im Rahmen ihrer Inlandsrepräsentanz besorgten Handelsvertretertätigkeit zugrunde.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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