JudikaturJustiz1Ob389/97f

1Ob389/97f – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien, Wien 1, Landesgerichtsstraße 11, wider die beklagten Parteien 1. Kazim Z*****, vertreten durch Mag.Otto Unger, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Brigitta Z*****, wegen Ehenichtigkeit gemäß § 23 EheG infolge außerordentlicher Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichts vom 9.September 1997, GZ 43 R 649/97b 31, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

a) Nach dem Wortlaut des § 23 Abs 1 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau (die Führung des Familiennamens des Mannes oder) den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach (SZ 67/56; ZfRV 1995/10; EvBl 1997/46 mwN; RIS Justiz RS0052090) ausgesprochen, daß auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit bzw den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, ohne nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreicht. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, von dieser nunmehr bereits gefestigten Rspr wieder abzugehen. Nach den von der zweiten Instanz gebilligten Feststellungen des Erstgerichts (S 4 der Urteilsausfertigung) wurde die Ehe der beiden Beklagten nur deshalb geschlossen, um dem Erstbeklagten eine Arbeitsbewilligung sowie die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Eine Sanierung iSd § 23 Abs 2 EheG wurde nicht festgestellt.

b) Gemäß Art 12 MRK haben Männer und Frauen mit Erreichung des heiratsfähigen Alters gemäß den einschlägigen nationalen Gesetzen das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. Damit enthält Art 12 MRK einen Ausübungsvorbehalt; das staatliche Recht darf das Recht der Eheschließung ausgestalten, aber keine diskriminierenden Schranken iSd Art 14 MRK festlegen ( Mayer , B VG 2 , Art 12 MRK Anm II.1). Durch § 23 EheG wird die Ehefreiheit in ihrem Wesensgehalt nicht eingeschränkt. Gemäß Art 8 MRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff bewirkt eine Verletzung dieses Grundrechts, wenn er nicht gemäß Art 8 Abs 2 EMRK im nationalen Recht gesetzlich vorgesehen und, als in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz eines der in dieser Bestimmung genannten Ziele notwendig, gerechtfertigt ist. Es obliegt der innerstaatlichen Gesetzgebung, die gesetzlichen Regeln, denen zufolge eine Ehe ungültig ist, aufzustellen. Die Nichtigerklärung einer lediglich zur Erlangung der Staatsbürgerschaft geschlossenen Ehe vestößt nicht gegen Art 8 MRK (EKMR in ÖJZ 1992, 594). Die Konventionswidrigkeit nach Art 8 iVm Art 12 EMRK wurde vom Obersten Gerichtshof bei Anwendung des Nichtigkeitstatbestands der Staatsbürgerschaftsehe auf eine Eheschließung, mit der nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit bzw der unbehinderte Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt angestrebt wird, bereits in EvBl 1997/46 verneint: Ein Verstoß gegen das verfassungsmäßig gewährleistete Grundrecht sei zu verneinen, weil die Eheschließung nicht auf Gründung einer umfassenden Lebensgemeinschaft gerichtet gewesen sei. Bedenken gegen diese Rechtsauffassung bestehen nicht.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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