JudikaturJustiz1Ob38/68

1Ob38/68 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 1968

Kopf

SZ 41/23

Spruch

Die zeitliche Einheit des Testieraktes ist Voraussetzung für die Gültigkeit eines fremdhändigen, nicht aber für die eines eigenhändigen Testaments.

Dem in einer letztwilligen Anordnung Bedachten obliegt der Beweis der äußeren Formrichtigkeit.

Entscheidung vom 22. Februar 1968, 1 Ob 38/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Im Nachlaß der am 24. Dezember 1963 in Wien verstorbenen Karoline K, fand sich eine mit 27. Dezember 1950 datierte Erklärung des letzten Willens, die zwei Abänderungen bzw. Ergänzungen - teils mit, teils ohne Datumsangabe - aufweist. Die erste Seite dieses Schriftstückes hat folgenden Inhalt: "Mein letzter Wille. Ich, gefertigte Karoline K., ordne im Zustand voller Besonnenheit und frei vom Zwang, Betrug und Irrtum letztwillig an wie folgt: Ich setze hiemit zur Alleinerbin meines gesamten wo immer befindlichen beweglichen und unbeweglichen Nachlaßvermögens meine Schwester Frau Maria K. ein. Urkund dessen meine eigenhändige Unterschrift als Aufsatz meines letzten Willens gilt. Kukula K. Wien. 27. Dezember 1950. N.B. Nach dem Ableben beider (Karoline und Maria K.) übergeht der obige gesamte Nachlaß an das Spital der barmherzigen Brüder II. Bez. Wien. Wien, Oktober 1958."

Die Rückseite dieses Schriftstückes enthält folgende weitere Anordnung: "N.B. Wäsche, Kleider, Möbel, Klaviere, Schmuck, an meinen Nichten verteilt Hedy P. u. Hilde H." Unterschrift: "Karoline

K."

Der auf der Rückseite der Urkunde oberhalb des Namens, "Karoline K."

stehende Nachsatz ist mit Quer- und Schrägstrichen durchgestrichen; darüber sind die Worte "ungültig, Lola K." geschrieben.

Zum Nachlaß nach Karoline K., die ihre Schwester Maria K. überlebt hat, haben beide Parteien Erbserklärungen abgegeben, und zwar die klagende Partei auf Grund des vorliegenden Testamentes, die Beklagten teils als Geschwister, teils als Nichten der Erblasserin auf Grund des Gesetzes. Das Abhandlungsgericht hat diese Erbserklärungen angenommen; die nunmehrige klagende Partei wurde angewiesen, die Klage zu überreichen (§ 126 AußStrG.).

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß a) die vorliegende letztwillige Verfügung ein gültiges Testament darstelle und b) ihr auf Grund dieses Testamentes das alleinige Erbrecht zum Nachlaß der Karoline K. zustehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging: Die Erblasserin habe die in ihrem Wortlaut bereits wiedergegebene letztwillige Verfügung in allen ihren Teilen eigenhändig geschrieben und sei sich dabei der Tragweite ihrer Handlungsweise durchaus bewußt gewesen; insbesondere lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Erblasserin bei der Niederschrift des im Jahre 1963 verfaßten, auf der Rückseite der Urkunde enthaltenen Teiles des Testamentes testierunfähig gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß zwar die auf der ersten Seite des Schriftstückes getroffene Anordnung vom 27. Dezember 1950 eine gültige letztwillige Verfügung darstelle, dies aber für den daran anknüpfenden, mit den Buchstaben "N.B." beginnenden und mit der Orts- und Zeitangabe "Wien, Oktober 1958" endenden Zusatz nicht zutreffe, weil dieser Zusatz zwar von der Erblasserin eigenhändig geschrieben, von dieser aber nicht eigenhändig unterfertigt worden sei. Der auf der Rückseite der Urkunde enthaltene Namenszug stehe mit dem im Oktober 1958 verfaßten Nachsatz in keinem räumlichen, insbesondere aber in keinem zeitlichen Zusammenhang. Die Erblasserin habe diesen erst im Jahre 1963 während eines Aufenthaltes im Altersheim, also erst fünf Jahre später, auf das Schriftstück gesetzt. Mangels einer Unterfertigung der letztwilligen Verfügung vom Oktober 1958 sei diese ungültig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es der Klage stattgab. Es übernahm die Beweiswürdigung und die darauf gegrundeten Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, vertrat jedoch - abweichend vom Erstgericht - in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, daß beim holographen Testament (§ 578 ABGB.) eine räumliche Beziehung zwischen dem Text der Anordnung und der Unterschrift des Erblassers bestehen müsse, daß aber - anders als beim allographen Testament (§ 579 ABGB.) - die Einheit des Testieraktes keine Voraussetzung für die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung bilde. So gesehen, entspreche aber das vorliegende Testament den gesetzlichen Formvorschriften, weil es von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und von ihr am Schluß des Schriftstückes - wenngleich mehrere Jahre später - unterschrieben worden sei. Die Unterfertigung des auf Seite 2 enthaltenen Nachsatzes mit dem Namenszug der Erblasserin decke auch die von ihr nicht unterschriebene, vom Oktober 1958 stammende Anordnung. Der Umstand, daß Karoline K. den auf die Rückseite der Urkunde geschriebenen Zusatz später wieder durchgestrichen habe, vermöge nichts daran zu ändern, daß die verbliebene Unterschrift der Erblasserin den vorangehenden Text (Nachsatz auf S. 1) decke.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist davon auszugehen, daß der vom Oktober 1958 stammende, auf Seite 1 der Urkunde enthaltene Nachsatz, mit dem die klagende Partei als Nacherbin für den - eingetretenen - Fall, als die zunächst berufene Erbin Maria K. die Erbschaft nicht erlangen sollte, eingesetzt worden ist, an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und den Testierwillen der Erblasserin klar erkennen läßt (§ 565 ABGB.). Da dieser Wille nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen der Vorinstanzen im Zustande der vollen Besonnenheit erklärt worden ist, bleibt nur noch darüber zu befinden, ob die letztwillige Verfügung den im Gesetz bezeichneten Formerfordernissen entspricht. Die Beklagten verneinen diese Frage und führen dazu aus, daß die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom Oktober 1958 (Nachsatz auf S. 1 der Urkunde) von der Erblasserin nicht unterfertigt worden sei; der von ihr auf der Rückseite des Schriftstückes angebrachte Namenszug stehe mit der auf der Vorderseite der Urkunde verfügten Erbeinsetzung weder in einem räumlichen noch in einem zeitlichen Zusammenhang und könne aus diesem Gründe nicht als Unterfertigung der die klagende Partei begünstigenden Anordnung angesprochen werden.

Diesen Rechtsausführungen kann nicht gefolgt werden. Zur Frage der äußeren Form der Erklärungen des letzten Willens bestimmt das Gesetz, daß derjenige, der schriftlich und ohne Zeugen testieren will, das Testament oder Kodizill eigenhändig schreiben und eigenhändig mit seinem Namen unterfertigen muß (§§ 577, 578 ABGB.), wobei dem in einer derartigen letztwilligen Anordnung Bedachten der Beweis der äußeren Formrichtigkeit obliegt (GlUNF. 3301).

Die Forderung, daß die letztwillige Erklärung vom Erblasser mit seinem Namenszug zu unterfertigen ist, stellt klar, daß diese Unterschrift am Schluß der letztwilligen Anordnung zu stehen hat, diese also abschließen und decken soll. Entsprechend der ihr zugedachten Funktion hat sie am Schlusse der letztwilligen Anordnung oder doch in einem solchen räumlichen Verhältnis zum Text der Erklärung zu stehen, daß sie als deren Abschluß und nach der Verkehrsauffassung die letztwillige Anordnung deckend, angesehen werden kann.

Diesfalls hat die Erblasserin in größeren Zeitabständen auf demselben Schriftstück mehrere, in einem sinnvollen Zusammenhang stehende und sich ergänzende letztwillige Anordnungen zu Papier gebracht, deren erste aus dem Jahre 1950 stammt und die eigenhändige Unterschrift der Erblasserin aufweist. Die nachfolgende letztwillige Verfügung, die sich mit der Datumsangabe "Oktober 1958" begnügt und die klagende Partei als Nacherbin (§§ 604 ff. ABGB.) einsetzt, war ursprünglich von der Erblasserin nicht unterfertigt worden und hat in dieser Form den für ein gültiges Testament geforderten Voraussetzungen nicht entsprochen. Im Jahre 1963 hat aber die Erblasserin auf der Rückseite desselben Papieres ihre Nichten mit Vermächtnissen bedacht, also einen weiteren Testierakt vorgenommen, diesem weiteren Nachsatz ihre eigenhändige Unterschrift beigefügt und damit den Formmangel behoben, der bis zu dieser Unterschriftsleistung der letztwilligen Verfügung vom Oktober 1958 anhaftete. Mit dieser Unterfertigung wurde nicht nur ein räumlicher Zusammenhang zu der bereits im Jahre 1958 verfügten Berufung der klagenden Partei als Nacherbin herbeigeführt, die beiden behandelten Nachtragsverfügungen stehen auch inhaltlich in einer sinnvollen Beziehung, und zwar insofern, als die erste eine Erbeinsetzung, die zweite hingegen die Aussetzung von Vermächtnissen zum Gegenstand hat.

Der Umstand, daß die Erblasserin in der Folgezeit die zugunsten ihrer Nichten getroffene Anordnung widerrufen hat, konnte angesichts der festgestellten Tatsache, daß sie dabei nur den Text des Vermächtnisses, nicht aber ihre Unterschrift durchgestrichen hat, an der bereits eingetretenen Sanierung des ursprünglichen Formmangels des Testamentes vom Oktober 1958 nichts mehr ändern.

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß für die Gültigkeit eines holographen Testamentes (§ 578 ABGB.) - anders als beim allographen Testament (§ 579 ABGB.) - zeitliche Einheit des Testieraktes nicht zu fordern ist und ein Entwurf, der jahrelang im Schreibpult gelegen ist, durch Beifügung der Unterschrift ebenso zu einem formgültigen Testament werden kann, wie dies auch der Fall ist, wenn über einer vorbereiteten Namensfertigung zu einer späteren Zeit der Text einer letztwilligen Anordnung geschrieben wird (Weiss in Klang[2] III S. 306).