JudikaturJustiz1Ob368/54

1Ob368/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 1954

Kopf

SZ 27/168

Spruch

Widerspruchs- und Pfandvorrechtsklage und Beschwerde gegen den Exekutionsvollzug bei der Abgabenexekution.

Entscheidung vom 9. Juni 1954, 1 Ob 368/54.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die Klage ist darauf gerichtet, daß die in der Abgabenexekutionssache der Beklagten (Republik Österreich) gegen die Verpflichtete A. Gesellschaft m. b. H. am 6. November 1950 zur Hereinbringung einer Abgabenforderung von 96.176.55 S, am 23. Juni 1952 zur Hereinbringung einer weiteren solchen Forderung von 41.667.28 S und am 26. Feber 1953 zur Hereinbringung der Abgabeforderung von 121.036.43 S durchgeführten Pfändungen einer Vorführungsapparatur und von 60 Scheinwerfern samt Kabel für unzulässig erklärt werden. Die Pfandgegenstände seien der Klägerin von der Verpflichteten am 1. Juni 1950 verpfändet und in Verwahrung gegeben worden. Da sich die Klägerin mit der Pfändung nicht einverstanden erklärt habe, sei die Pfändung nach § 31 Abs. 1 AbgEO. zu Unrecht vorgenommen worden.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Nach der angeführten gesetzlichen Bestimmung sei die Pfändung von Gegenständen, die sich nicht in der Gewahrsame des Verpflichteten befänden, nicht grundsätzlich unzulässig. Es sei vielmehr Sache des Gewahrsameinhabers die Erklärung abzugeben, die Pfändung nicht zuzulassen. Eine solche Erklärung sei von der Klägerin nicht abgegeben worden. Schon aus diesem Grund sei die Klage abzuweisen. Im übrigen könnte ein Faustpfandrecht, wie es von der Klägerin behauptet werde, nicht als ein Recht angesehen werden, das die Exekution unzulässig macht.

Infolge Berufung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Inhaberin der Gewahrsame an den gepfändeten Fahrnissen sei zur Zeit der Pfändung zumindest auch die Abgabenschuldnerin A. gewesen, so daß die Pfändung ohneweiters habe durchgeführt werden können. Wenn die Klägerin Pfand- oder Vorzugsrechte an den Pfandgegenständen behaupte, könnte sie diese nach § 33 AbgEO. nicht mit der Exszindierungsklage, sondern mit der Klage auf vorzugsweise Befriedigung aus der Pfandsache geltend machen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die vorliegende Klage ist nach dem Vorbringen der Klägerin eine Exszindierungsklage (§ 14 AbgEO.), mit der die Unzulässigerklärung der Abgabenexekution der Beklagten erreicht werden soll, weil die Pfändung der früher angeführten Gegenstände wegen des angeblichen vertraglichen Pfandrechtes und der damit zusammenhängenden Gewahrsame der Klägerin an den Fahrnissen nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Die Klage nach § 14 AbgEO. gehört zum Unterschied von der sich im Abgabenexekutionsverfahren ergebenden Oppositions- (§ 12 AbgEO.) und Impugnationsklage (§ 13 AbgEO.) in die Kompetenz der Gerichte. Sie hat Rechte zum Gegenstand, die die Vornahme der Abgabenexekution unzulässig machen würden.

Der Meinung des Berufungsgerichtes, daß mit der Klage nach § 14 AbgEO. auch unrichtiges Vorgehen der Vollstrecker bei der Durchführung der Exekution geltend gemacht werden könne, weil eine dem § 63 EO. nachgebildete Vorschrift in der Abgabenexekutionsordnung fehle, kann der Oberste Gerichtshof nicht beitreten. Das Handeln der Vollstrecker steht unter der Aufsicht der Vollstreckungsbehörde, die sich ihrer nach § 5 Abs. 2 AbgEO. bei der Vollstreckung bedient. Es bedurfte keiner ausdrücklichen Vorschrift, daß gegen das Vorgehen des Vollstreckers beim Finanzamt Abhilfe erwirkt werden könne. Denn im Zwangsvollstreckungsverfahren ist nur die Vollstreckungsbehörde und nicht der Vollstrecker entscheidungsbefugt. Wenn dieser einen faktischen Zustand schafft, der dem Gesetz widerspricht, kann der Betroffene den Bescheid des Finanzamtes herbeiführen, mit dem das Vorgehen gebilligt oder behoben werden kann. Daß das Gesetz eine derartige Einflußnahme der Vollstreckungsbehörde als selbstverständlich ansieht, geht aus § 18 Z. 5 AbgEO. hervor, nach dem die Aufschiebung der Vollstreckung vom Finanzamt bewilligt werden kann, wenn gegen einen Vorgang des Vollstreckungsvollzuges Beschwerde geführt wird und die für die Entscheidung darüber erforderlichen Erhebungen nicht unverzüglich stattfinden können. Die Entscheidung über eine derartige Beschwerde hat zum Unterschied von der vorläufigen Erledigung eines Exszindierungsanspruches durch das Finanzamt (vgl. VGH.-E. v. 21. Jänner 1953, Z. 2961/51, ÖJZ. 1953 S. 220) Bescheidcharakter.

Wenn die Klägerin annahm, durch die Pfändung in ihrem Recht, als Gewahrsamsinhaberin der Pfandgegenstände die Pfändung nicht zulassen müssen und die vollzogene Pfändung beseitigen zu lassen, gekränkt zu sein, mußte sie beim Finanzamt Beschwerde führen. Es ist nicht klar, ob die Klägerin dies getan hat und ob ihrer Beschwerde etwa nicht Folge gegeben wurde. Falls sie es unterlassen hat, kann sie an Stelle der Beschwerde nicht die Exszindierungsklage erheben, die ebenso wie im Exekutionsverfahren auch im Abgabenvollstreckungsverfahren zur Bekämpfung unrichtiger Vollzugshandlungen nicht dient. Wenn die Klägerin aber mit ihrer allfälligen Beschwerde keinen Erfolg hatte, muß davon ausgegangen werden, daß sie keine Gewahrsame besitzt und daher als eine dritte Person anzusehen ist, die sich nicht im Besitz der Pfandsache befindet (§ 33 Abs. 1 AbgEO.). In beiden Fällen kann die Klägerin ihr behauptetes Pfandrecht nicht mit der Pfandvorrechtsklage geltend machen, die auf Feststellung des Pfandrechtes oder Ausfolgung des darauf entfallenden Verkaufserlöses gerichtet ist. Der bloße Sachbesitz aber ist kein Recht, das die Exekution unzulässig machen könnte. Noch viel weniger könnte ein Anspruch der Klägerin gegen die Verpflichtete auf Rückübertragung des Sachbesitzes im Zusammenhang mit deren zeitweiligem Recht, die Pfandgegenstände zu benützen, als ein Recht nach § 14 AbgEO. angesehen werden.

Aus den angeführten rechtlichen Gründen war die Klage von vornherein abzuweisen.