JudikaturJustiz1Ob36/21g

1Ob36/21g – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. März 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M*****, geboren ***** 2006, über den Rekurs des Vaters A*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 27. Jänner 2021, GZ 23 Fsc 1/21k 3, mit dem sein Fristsetzungsantrag vom 14. Jänner 2021 zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

[1] Der zuständige Kinder und Jugendhilfeträger (kurz: KJHT) ist mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Pflegschaftsgerichts zum Kollisionskurator des Minderjährigen für die Fest- und Durchsetzung seines Geldunterhaltsanspruchs gegen beide Eltern bestellt.

[2] Der Vater behauptete in seinem Fristsetzungsantrag vom 14. 1. 2021, das Pflegschaftsgericht sei mit der Entscheidung über „den Unterhaltsantrag des Sohnes (vertreten durch das Jugendamt) gegenüber der Mutter säumig“.

[3] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das dem Bezirksgericht St. Pölten übergeordnete Landesgericht St. Pölten diesen Fristsetzungsantrag mangels Antragslegitimation des Vaters zurück. Es führte begründend aus, dem Vater komme hinsichtlich der Geltendmachung der Unterhaltsansprüche gegen die Mutter keine Vertretungsbefugnis zu, daher auch nicht die Befugnis insoweit einen Fristsetzungsantrag zu stellen. Gegen diesen Beschluss sei ein Rechtsmittel zulässig; es sei allerdings unklar, ob darüber das Oberlandesgericht oder der Oberste Gerichtshof zu entscheiden habe.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs des Vaters ist zulässig, aber nicht berechtigt.

[5] 1. Mit Einführung des Fristsetzungsantrags nach § 91 GOG durch die WGN 1989 wurde kein gesondertes Verfahren geschaffen. Es handelt sich um einen prozessualen Rechtsbehelf (vgl RIS Justiz RS0129349) einer Partei, über den gemäß § 91 Abs 3 GOG der übergeordnete Gerichtshof zu entscheiden hat (RS0106887). Welches Gericht daher funktionell für die Zurückweisung eines unzulässigen bzw für die Behandlung eines zulässigen Rekurses gegen einen im Fristsetzungsverfahren ergangenen Beschluss des übergeordneten Gerichtshofs zuständig ist, kann sich nur aus den für das Ausgangsverfahren geltenden Prozessvorschriften ergeben (8 Fsc 1/14k = RS0106887 [T3]; so schon 3 Ob 279/97v zum Verfahren über einen im Pflegschaftsverfahren gestellten Fristsetzungsantrag und unter Verweis auf § 14 AußstrG aF [nun § 62 AußstrG]). In ständiger und gefestigter (auch nach der – zu einem Zuständigkeitsstreit nach § 111 JN ergangenen und vom Landesgericht erwähnten – Entscheidung zu 4 Ob 197/17z aufrechterhaltener) Rechtsprechung des Höchstgerichts entscheidet dementsprechend über den Rekurs gegen einen Beschluss des Landesgerichts (als dem Bezirksgericht übergeordneter Gerichtshof) im Verfahren über einen Fristsetzungsantrag (welches – anders als bei einem Konflikt zwischen Gerichten nach § 111 Abs 2 JN – nur durch den von einer Partei ergriffenen Rechtsbehelf ausgelöst werden kann) gemäß § 91 Abs 1 GOG der Oberste Gerichtshof (RS0106887 [T3]; 1 Ob 46/18y; 2 Ob 9/18i; 2 Ob 155/18k; 4 Ob 218/19s ua).

[6] 2. Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels tritt der erkennende Senat der schon im Beschluss zu 8 Fsc 1/14k vertretenen Auffassung bei, dass sich der Rechtsmittelausschluss in § 91 Abs 3 GOG nicht auf eine Entscheidung erstreckt, mit der nicht meritorisch über den Antrag abgesprochen, sondern dessen Behandlung (damals: vorläufig) verweigert wurde, zumal dieser Ausschluss („Die Entscheidung ist unanfechtbar“) der Anordnung nachfolgt, dass im Fall, dass „keine Säumnis des Gerichtes vor[liegt], der Antrag abzuweisen [ist]“, und sich damit auf eine inhaltliche Erledigung bezieht (im Ergebnis gegenteilig 9 Ob 18/16m).

[7] 3. Gemäß § 91 Abs 1 GOG kann – wie das Landesgericht St. Pölten zutreffend erkannt hat –, wenn ein Gericht (unter anderem) mit der Ausfertigung einer Entscheidung säumig ist, (nur) eine Partei den Antrag stellen, der übergeordnete Gerichtshof möge diesem Gericht für die Vornahme der Verfahrenshandlung eine angemessene Frist setzen (§ 91 Abs 1 GOG).

[8] Im Verfahren über den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Mutter ist der Vater aber nicht Partei und kann daher auch keinen Rechtsbehelf nach § 91 GOG ergreifen:

[9] Der Unterhaltsanspruch steht dem Kind zu; allein dieses ist zur Antragstellung berechtigt. Derjenige, der das Kind überwiegend betreut, kann daher den Unterhaltsanspruch nicht im eigenen Namen geltend machen und hat im Unterhaltsverfahren in eigener Person keine Parteistellung (s 10 Ob 65/11y mwN). Auch wenn – in vielen Fällen (mangels gegenteiliger Anhaltspunkte) – davon ausgegangen werden kann, dass der betreuende Elternteil im Zweifel im Namen und als Vertreter des Kindes handelt (RS0079248), womit ein vom Elternteil gestellter Fristsetzungsantrag als solcher des Kindes anzusehen ist, ist dies hier zweifelsfrei nicht der Fall, verweist der Vater doch nur auf seine eigenen Interessen und ist sich zudem bewusst, dass er das Kind hier nicht vertreten kann. Das Kind wird im Unterhaltsverfahren gegen die Mutter vom KJHT vertreten. Hat der Vater aber im Verfahren über den von der Mutter ihrem Kind zu leistenden Unterhaltsbeitrag keine Parteistellung, keinen Anspruch auf eine Entscheidung des Gerichts und auch keine Rechtsmittellegitimation (vgl 10 Ob 65/11y mwN), ist er nicht berechtigt, in diesem Verfahren den Rechtsbehelf des Fristsetzungsantrags zu ergreifen. Seine Ausführungen zu einem von ihm behaupteten „Recht“, auf den KJHT „einzuwirken“, zu dessen angeblicher Verantwortlichkeit ihm gegenüber, zum Entfall von dessen Bestellung „bei Erledigung dieses Verfahrensteils“ oder zu seinem „berechtigten Interesse“ daran, zu wissen, „welche Unterhaltsbeträge die Kindesmutter für den Sohn“ zu zahlen haben wird, können ihm keine Parteistellung im Verfahren über den von der Mutter ihrem Kind zu leistenden Unterhalt verschaffen und damit auch nicht in einem darauf bezogenen Fristsetzungsverfahren. Seine rechtlich geschützte Stellung wird nicht iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG durch die begehrte Entscheidung (über die Unterhaltspflicht der Mutter) unmittelbar (s dazu nur 16 Ok 2/20k mwN) beeinflusst.

[10] Die in seinem Rechtsmittel angesprochene Pflicht des Gerichts, über die von ihm zu leistenden Unterhaltsbeiträge rasch zu verhandeln und zu entscheiden, war nicht Gegenstand seines Fristsetzungsantrags.

[11] 4. Das Landesgericht St. Pölten hat diesen daher im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.