JudikaturJustiz1Ob33/21s

1Ob33/21s – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. März 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** H*****, vertreten durch Dr. Stefan Rieder, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 140.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Jänner 2021, GZ 4 R 166/20i 53, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. September 2020, GZ 3 Cg 38/17w 49, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazugetreten ist und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dieses Hinzutreten als wahrscheinlich zu erwarten ist, jedenfalls aber nicht außerhalb der menschlichen Erwartung liegt. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist (RIS Justiz RS0022918). Die Adäquanz fehlt dann, wenn das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden nach allgemeiner Lebenserfahrung gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (RS0098939).

[2] Ob im Einzelfall ein bestimmter Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind und der Lösung dieser Frage keine über den Anlassfall hinausgehende und daher keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0110361).

[3] 2. Nach dem im Vorprozess festgestellten Sachverhalt hat der Gerichtskommissär den rechtsunkundigen Vater minderjähriger Erbinnen (den nunmehrigen Kläger) nicht darüber aufgeklärt, dass der Verkaufserlös der Wohnung der Erblasserin, der dem Nachlass und in der Folge den Erbinnen zugute zu kommen hatte, nicht ohne Weiteres von ihm für sein eigenes Bauvorhaben verwendet werden konnte, sondern dafür eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen gewesen wäre. Für Schäden, die aus dieser unrichtigen Aufklärung des Gerichtskommissärs entstehen, haftet die Beklagte dem Kläger aufgrund des rechtskräftigen Feststellungsurteils.

[4] Nach Ansicht des Berufungsgerichts sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass es aufgrund der falschen Auskunft des Gerichtskommissärs nach vorangegangenem Verkauf des ersten Hauses des Klägers, um seinen Töchtern den ihnen zustehenden Verkaufserlös der Wohnung der Erblasserin ersetzen zu können – insoweit wurde dem Kläger schon Schadenersatz zuerkannt –, erst viele Jahre später zur Verwirklichung eines anderen Bauprojekts komme, dieses (neue) Haus einen geringeren Verkehrswert aufweise, damit geringere Mieteinnahmen erzielt werden als mit dem ursprünglich geplanten Bauobjekt und es in zahlreichen Punkten (etwa hinsichtlich Finanzierung und Größe) vom ursprünglichen Projekt abweiche. Der nunmehr fehlende finanzielle Beitrag der Töchter sei Grund dafür, dass er sein neues Haus mit kleinerer Wohnfläche und mit zwei (statt vorher fünf) Wohnungen errichtet habe, woraus die begehrten „Differenzschäden“ resultieren. Sonstige Gründe für die Errichtung eines kleineren Hauses lägen nicht vor. Die geltend gemachten Schäden seien damit nicht adäquat kausal durch die unrichtige Auskunft des Gerichtskommissärs herbeigeführt worden; die Beklagte habe nicht für das Risiko zukünftiger (wirtschaftlich) nicht absehbarer Entwicklungen und „Lebensentscheidungen“ (des Klägers) einzustehen. Sie hafte nicht für Schäden, die daraus resultierten, dass er nach Wegfall der finanziellen Beteiligung seiner Töchter das ursprünglich geplante Bauprojekt nicht mehr verwirklichen habe können. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig.

[5] 3. Der Kläger vermag nicht – rechtlich nachvollziehbar – aufzuzeigen, warum ihm die Beklagte die Kosten seiner Disposition, ein gänzlich anderes Bauprojekt (weniger Wohnungen; kleinere Wohnnutzfläche) ohne finanzielle Beteiligung seiner Töchter und mit geringeren Mieteinnahmen gegenüber dem ursprünglichen Bauprojekt, das nicht der Schadensbeseitigung (im Sinn der Schaffung einer Ersatzlage) diente, sondern der Schaffung einer neuen Lage, ersetzen sollte, zumal er dazu nur ins Treffen führt, er habe sich weiterhin seinen „Traum vom Eigenheim“ erfüllen wollen.

[6] Wenn er mit früherer vereinzelter Rechtsprechung argumentiert, wonach nur für den ersten unmittelbaren Schaden der adäquate Kausalzusammenhang erforderlich wäre, während für den weiteren Schaden die „Qualität“ des schädigenden Ereignisses „als bloße Bedingung“ genüge (3 Ob 518/55 = RS0022546 [letzter Satz]; 2 Ob 40/81 = ZVR 1982/189; obiter auch 1 Ob 191/16v), ist ihm die nahezu einheitliche jüngere Rechtsprechung entgegenzuhalten, wonach sich der Adäquanzzusammenhang auch auf Folgeschäden beziehen muss (3 Ob 115/06t mwN; vgl 2 Ob 79/98a; 2 Ob 99/00y; 2 Ob 294/04f; ebenso Koziol , Haftpflichtrecht I 4 C/10/Rz 10; Kodek in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.03 § 1295 Rz 13). Auch wenn zu 1 Ob 191/16v die alte Rechtsansicht wiedergegeben wurde, konnte durch dieses bloße obiter dictum noch keine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bewirkt werden (RS0042672).

[7] Wenn er schließlich meint, ihm wäre (zumindest) bis zum Juli 2020 der Ersatz von (fiktiven) Mietkosten zuzusprechen, übersieht er, dass er auf das dazu erstattete Vorbringen in seiner Berufung nicht zurückgekommen ist, was einer Geltendmachung im Revisionsverfahren entgegensteht (RS0043573 [T29, T33, T36, T43]).

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).