JudikaturJustiz1Ob298/01g

1Ob298/01g – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika G*****, vertreten durch Dr. Josef Klaunzer und Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Siegfried P*****, vertreten durch Dr. Claus Hildebrand, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 72.672,83 sA infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. August 2001, GZ 4 R 111/01d-20, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 31. Juli 2000, GZ 6 C 8/00d-14, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,38 (darin EUR 156,06 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Wirkung vom 1. 9. 1998 gründeten die Streitteile eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zweck des Betriebs einer Postkantine, die zuvor vom Beklagten geführt worden war. Die Klägerin war vereinbarungsgemäß mit 49 % an der Gesellschaft beteiligt und leistete dafür eine "Beteiligungszahlung" in Höhe von S 75.890 an den Beklagten. Die Gesellschaft wurde (über Betreiben der Klägerin) bereits am 30. 11. 1998 wieder beendet.

Nach Klageausdehnung begehrte die Klägerin vom Beklagten S 100.000 samt Zinsen als Auseinandersetzungsguthaben. Ihr stünden 49 % der Aktivwerte der Gesellschaft abzüglich (anteiliger) offener Verbindlichkeiten von S 12.883,07 sowie eines bereits in Form eines Sparbuchs erhaltenen Betrags von S 30.607 sowie 25 % vom Trinkgeldkonto zu. Unter Hinzurechnung ihrer Beteiligungszahlung von S 75.890 ergebe sich eine Summe von S 126.844,08, wovon aus prozessualer Vorsicht nur ein Teilbetrag geltend gemacht werde. Die Klägerin habe aus der Gesellschaft als Vorwegnahmen vom Gewinn ebenso S 45.000 erhalten wie der Beklagte, sodass es sich dabei nicht um eine Rückzahlung an die Klägerin handle.

Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die Klägerin habe die Richtigkeit des Jahresabschlusses bestritten. Die Klagsforderung sei jedenfalls nicht fällig, weil es zu einer Feststellung des Jahresabschlusses bis jetzt nicht gekommen sei. Das geforderte Auseinandersetzungsguthaben sei in seiner Höhe nicht nachvollziehbar. Durch die ungerechtfertigte Beendigung der Gesellschaft durch die Klägerin sei ihm ein Schaden in Höhe von S 60.000 entstanden, der einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung aufrechnungsweise entgegengehalten werde. Sowohl der Beklagte als auch die Klägerin hätten während des Bestands der Gesellschaft je S 60.000 aus dem Gesellschaftsvermögen entnommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Höhe des Gesellschaftsvermögens zum 30. 11. 1998 könne ziffernmäßig nicht festgestellt werden. Die von zwei Wirtschaftstreuhändern erstellte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung der Gesellschaft sei von der Klägerin nicht anerkannt worden. Bis zum Schluss der Verhandlung habe zwischen den Streitteilen eine Abrechnung der gegenseitigen Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht stattgefunden.

Der aus § 1215 ABGB abzuleitende Anspruch auf Teilung des gesellschaftlichen Vermögens nach Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts werde erst mit einer Verrechnung der gegenseitigen Ansprüche fällig. Eine derartige Abrechnung zwischen den Streitteilen sei bislang nicht erfolgt, sodass ein Anspruch der Klägerin auf ein ihr allenfalls zustehendes Auseinandersetzungsguthaben noch nicht fällig sei. Auf Grund der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Streitteilen wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, den Beklagten auf Rechnungslegung zu klagen. Es sei jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, eine "amtswegige" Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche durchzuführen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach zuletzt aus, dass die Revision doch zulässig sei. Es sei den Ausführungen des Erstgerichts zu folgen, wonach Fälligkeit erst mit Verrechnung der beiderseitigen Ansprüche eintrete. Voraussetzung für die Fälligkeit eines der Klägerin allenfalls zustehenden Auseinandersetzungsguthabens sei eine Rechnungslegung. Da zwischen den Streitteilen eine Abrechnung nicht erfolgt sei, sei es der Klägerin nicht möglich gewesen, ihr Begehren in ausreichendem Maße darzulegen; sie hätte daher eine Klage nach Art 42 EGZPO einbringen müssen. Sie habe auch keinen Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Beteiligungszahlung. Diese sei in einem allenfalls zustehenden Auseinandersetzungsguthaben zu berücksichtigen, zu dessen Ermittlung allerdings die Verrechnung sämtlicher gegenseitiger Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis notwendig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - und vom Berufungsgericht im Übrigen nicht gesetzmäßig begründeten - berufungsgerichtlichen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Auf die von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel angeführten Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Fälligkeit eines Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben nach Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommt es nämlich im vorliegenden Verfahren gar nicht entscheidend an.

Vorweg ist festzuhalten, dass keine Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Rückerstattung der von ihr an den Beklagten geleisteten "Beteiligungszahlung" ersichtlich ist. Diese stellte das Entgelt für den Erwerb eines Anteils von 49 % an dem bisher allein vom Beklagten betriebenen Unternehmen (einschließlich der vorhandenen Betriebsmittel) dar, mit dem sie die Gesellschafterstellung in der damit begründeten bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft erlangte. Dieser Geldbetrag ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht etwa als Gesellschaftsvermögen zu betrachten, sondern floss dem Beklagten zu, der dafür der Klägerin anteilige Rechte (49 %) am bereits vorhandenen Betriebsvermögen verschaffte; sie ist damit auch bei Auflösung der Gesellschaft am Erlös beteiligt bzw hat bei Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf den anderen Gesellschafter Anspruch auf Auszahlung des Werts ihres Gesellschaftsanteils (SZ 54/84). Bei Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens ist daher allein der Wert des Gesellschaftsvermögens zum Auflösungszeitpunkt maßgeblich. Da der Beklagte nach den Klagebehauptungen - und auch nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens - das Geschäft allein weiterführte, hat die Klägerin auf Grund ihrer Beteiligung an der Gesellschaft Anspruch auf 49 % des Gesellschaftsvermögens. Das Erstgericht hat nun die Negativfeststellung getroffen, die Höhe des Gesellschaftsvermögens zum 30. 11. 1998 könne "ziffernmäßig nicht festgestellt" werden. Die in der Sache dagegen erhobene Beweisrüge hat das Berufungsgericht als nicht berechtigt erkannt; die Klägerin macht als Revisionsgrund nicht auch geltend, dass die Erledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht mit den Verfahrensgesetzen nicht in Einklang stehe, sodass die erstgerichtlichen Feststellungen auch für den Obersten Gerichtshof bindend und seiner Entscheidung zu Grunde zu legen sind.

Auch wenn die wiedergegebene Negativfeststellung des Erstgerichts die wünschenswerte Eindeutigkeit vermissen lässt, ist dadurch im Ergebnis für die Beklagte nichts zu gewinnen, sodass dahingestellt bleiben kann, ob das Erstgericht damit ausdrücken wollte, dass auch die Frage, ob überhaupt ein positives Gesellschaftsvermögen vorhanden sei, unaufklärbar blieb, oder ob lediglich die exakte Höhe des Vermögens nicht habe ermittelt werden können. Die Beklagte hat nämlich in ihrer Berufung (AS 147 = S 5 in ON 16) dargelegt, welche Feststellungen das Erstgericht über das zum Auflösungszeitpunkt vorhandene Gesellschaftsvermögen ihrer Ansicht nach hätte treffen sollen: Die geringwertigen Wirtschaftsgüter und das Warenlager hätten einen Wert von S 16.668,41 gehabt; der "laufende Gewinn" hätte S 78.643,20 ausgemacht. Darüber hinaus hätte der Kassastand S 22.927 betragen und auf einem Sparbuch hätte sich eine Einlage von S 30.607 befunden. Vom Trinkgeldkonto (S 17.400) wäre der Klägerin vereinbarungsgemäß ein Anteil von nur 25 % zugestanden, im Übrigen aber ein solcher von 49 %. Von der sich auf Grund dieser Werte errechnenden, ihrer Beteiligung bzw (beim Trinkgeld) der vereinbarten Aufteilung entsprechenden Summe (S 77.284,35) seien (anteilige) offene Verbindlichkeiten von S 12.883,07 sowie die von der Klägerin vereinnahmte Sparbucheinlage von S 30.607 abzuziehen. Selbst nach den von der Klägerin im Berufungsverfahren gewünschten Feststellungen betrug ihre Forderung gegen den Beklagten auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens unter Anrechnung des Einbehalts von S 30.607 auf dem von der Klägerin an sich genommenen Sparbuch (höchstens) S 33.793,93. Berücksichtigt man aber auch den von der Klägerin selbst zugestandenen Erhalt von weiteren S 45.000 als "Vorwegnahmen von Gewinn", so kann keine Rede davon sein, dass sie weniger erhalten hätte, als ihr zusteht. Dass es für eine Berücksichtigung ihrer "Beteiligungszahlung" bei der Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens keine Rechtsgrundlage gibt, wurde bereits dargelegt.

Hat die Klägerin nun bei zutreffender rechtlicher Beurteilung ihrer Prozessbehauptungen bereits Geldbeträge aus dem Gesellschaftsvermögen erhalten, die ihren Auseinandersetzungsanspruch übersteigen, kommt der Frage nach der Fälligkeit des Anspruchs gegen den den Betrieb allein weiterführenden anderen Gesellschafter keine Bedeutung mehr zu. Die Entscheidung hing damit nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab, sodass das Rechtsmittel zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, ist seine Gegenschrift als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen.