JudikaturJustiz1Ob245/05v

1Ob245/05v – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gert L*****, vertreten durch Dr. Peter Pullez, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 1,715.630 EUR s. A., über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2005, GZ 14 R 23/05p-24, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. November 2004, GZ 30 Cg 40/03b-17, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Aus dem Grundgedanken des § 85 Abs 2 Satz 1 ZPO ergibt sich, dass eine nicht prozessordnungsgemäße Klage die Verjährung unterbricht, wenn diese in der Folge ordnungsgemäß verbessert wird (G. Kodek in Fasching/Konecny2, II/2 §§ 84, 85 ZPO Rz 153). Durch die Einbringung allein eines Verfahrenshilfeantrags wird der Lauf der Verjährungsfrist hingegen grundsätzlich nicht unterbrochen (1 Ob 4/94; SZ 52/186). Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend davon aus, dass im vorliegenden Fall der - vor Ablauf der Verjährungsfrist eingebrachte - Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und auf Beigebung eines Rechtsanwalts den anspruchserzeugenden Sachverhalt sowie das Begehren der beabsichtigten Klage bereits so deutlich erkennen ließ, dass dieser Antrag als verbesserungsfähige Klage zu beurteilen war. In einem derartigen Fall wird die Verjährung bereits im Zeitpunkt des Einlangens des Verfahrenshilfeantrags unterbrochen (SZ 60/286; 1 Ob 4/94; 4 Ob 141/93; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1497 Rz 10) jedoch nur unter der weiteren Vorraussetzung, dass die Klage nach Verfahrenshilfebewilligung unverzüglich (wieder) eingebracht wird (RIS-Justiz RS0034695; 8 Ob 12/01z ua). Nur dann reicht die Einbringung eines substantiierten Verfahrenshilfeantrags zur Unterbrechung der Verjährung aus (G. Kodek aaO mwN). Ob ein längeres Zuwarten noch hingenommen werden kann oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, die eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens bedeutet, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (SZ 54/177; SZ 58/112 uva). Die Ansicht des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall stelle die nach Ablauf der Verjährungsfrist und mehr als ein Jahr nach Rechtskraft des Verfahrenshilfebewilligungsbeschlusses (wieder) eingebrachte Klage eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens dar, steht mit den Grundsätzen der zu dieser Frage vorhandenen Rechtsprechung im Einklang:

Bei der Beurteilung, ob nicht gehörige Fortsetzung iS des § 1497 AGBG anzunehmen ist, ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf die Gründe Bedacht zu nehmen, die im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein müssen (RIS-Justiz RS0034849). Wenn sich - wie hier - die beklagte Partei auf Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens beruft, ist es Sache des Klägers, beachtliche Gründe für seine Untätigkeit und für die Nichtaufnahme und Nichtfortsetzung des Verfahrens vorzubringen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen (RIS-Justiz RS0034704, RS0034805; Mader in Schwimann, ABGB 2 Rz 25 zu § 1497). Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger darauf berufen, der Verfahrenshelfer habe umfangreiches Aktenmaterial (insbesondere den Straf- und einen Parallelakt) zu studieren gehabt, infolge des komplexen Sachverhalts seien zahlreiche Besprechungen zwischen ihm und dem Verfahrenshilfeanwalt erforderlich gewesen. Damit macht der Kläger keine triftigen Gründe für die Verzögerung geltend, da Gründe, die das Verhältnis zu seinem Rechtsanwalt bzw des Rechtsanwalts zum Gericht betreffen, in seiner eigenen Spähre liegen und daher dem Kläger selbst zur Last fallen (SZ 64/156; JBl 1990, 113, 530). Ob ein Verfahrenshelfer oder ein frei gewählter Anwalt die Vertretung inne hat, kann bei der Beurteilung der gehörigen Fortsetzung iS des § 1497 ABGB keinen Unterschied machen; etwaige Säumnisse des Rechtsvertreters sind dem Kläger jedenfalls zuzurechnen. Auch einem Verfahrenshelfer ist somit kein „großzügigerer Zeithorizont" zuzubilligen als einem frei gewählten Rechtsvertreter. Mangels Geltendmachung beachtlicher, zwischen den Parteien gelegener Gründe rechtfertigt schon ein relativ kurzer zeitlicher Abstand zwischen der Bewilligung der Verfahrenshilfe und (Wieder)Einbringung der Klage den Schluss, dass der Kläger das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt hat. Im vorliegenden Fall wurde der Bewilligungsbeschluss dem Verfahrenshelfer am 29. 5. 2002 zugestellt, am 5. 6. 2002 wurde ihm der vom Kläger gestellte - als Klage anzusehende Verfahrenshilfeantrag zugestellt (Seiten 12 und 13 des Ersturteils)

Für die nachfolgende mehr als eineinhalbjährige prozessuale Untätigkeit kommt dem Kläger jedenfalls kein triftiger Grund zu Gute. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, unter Bedachtnahme auf die Gegebenheiten des Einzelfalls liege keine Situation vor, die als längeres Zuwarten mit der Fortsetzung der Verfolgung eines Anspruchs im Sinn des § 1497 ABGB noch hingenommen werden könne, sondern eine ungewöhnliche Untätigkeit, aus der Verjährung angenommen werden müsse, stellt keine (auffallende) Fehlbeurteilung dar. Nicht zu folgen ist der Meinung des Revisionswerbers, infolge Fehlens eines befristeten Verbesserungsauftrags zur Wiedereinbringung der Klage sei er nicht dazu gehalten gewesen, die (verbesserte) Klagsschrift innerhalb einer bestimmten Zeitspanne einzubringen, weswegen auch die erst mehr als eineinhalb Jahre spätere Klagseinbringung eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens darstelle:

Richtig ist, dass, das Erstgericht - soweit sich aus dem dem vorliegenden Akteninhalt ergibt - keinen ausdrücklichen (befristeten) Verbesserungsauftrag erteilt hat. Dazu war es aber auch nicht verpflichtet. Nach Gewährung von Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts ist es Sache der Partei bzw deren Rechtsvertreters, zu entscheiden, ob eine Klage (wieder) eingebracht wird. In diesem speziellen Fall bedarf es keines „Verbesserungsauftrags" des Gerichts, die Zurückstellung der Eingabe ist - entgegen der in SZ 60/286 vertretenen und vereinzelt gebliebenen Ansicht - ausreichend. Eine Klage gilt nämlich nur dann als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht, wenn die Wiedervorlage alsbald und ohne unnötigen Aufschub erfolgte (G. Kodek aaO, Rz 257 mwN).

Schon wegen der im vorliegenden Verfahren sich aus § 27 Abs 1 ZPO ergebenden absoluten Anwaltspflicht war spätestens seit Zustellung des vom Kläger persönlich eingebrachten Verfahrenshilfeantrags an den Verfahrenshelfer am 5. 6. 2002 für diesen offenkundig, dass für eine geschäftsordnungsgemäße Behandlung als Klage jedenfalls deren Wiedereinbringung nach Beifügung der Anwaltsunterschrift erforderlich war. Dem Verfahrenshilfeanwalt musste klar sein, dass ein „Verbesserungsauftrag" nicht erfolgen werde. Wartete der Verfahrenshelfer in dieser Situation dennoch eineinhalb Jahre lang mit der Wiedereinbringung der Klage zu, ohne dass dafür beachtliche Gründe zwischen den Parteien vorlagen, stellt dies keine gehörige Fortsetzung des Verfahrens im Sinn des § 1497 ABGB dar. Zusammenfassend ist dem Standpunkt der Revision, durch die Einbringung des substantiierten Verfahrenshilfeantrags könne mangels eines (befristeten) Verbesserungsauftrags die Unterbrechungswirkung selbst durch eine nachfolgende eineinhalbjährige prozessuale Untätigkeit (ohne dass dafür triftige Gründe zwischen den Parteien vorlagen) nicht mehr beseitigt werden, nicht zu folgen. Obwohl keine Feststellungen dazu vorliegen, das Erstgericht habe dem Kläger am 10. 12. 2003 letztendlich (doch noch) den Auftrag erteilt, die Klage wieder vorzulegen, um „eine gerichtliche Registrierung im Cg-Register (anstelle des Nc-Registers) zu ermöglichen", sondern sich dies lediglich aus dem Klagsvorbringen (ON 1 erster Absatz) und dem Vorbringen in der Berufungsbeantwortung ON 22 (AS 301) ergibt, ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass infolge Zeitablaufs sowie Fehlens beachtlicher Gründe zu diesem Zeitpunkt bereits eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens vorlag, sodass auch durch diesen Auftrag die durch den Verfahrenshilfeantrag ausgelöste - und zwischenzeitig beseitigte - Unterbrechungswirkung der Verjährung nicht mehr „wiederaufleben" konnte.

Infolge nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens stellt die Nichterledigung der Beweis- und Tatsachenrüge sowie der Mängelrüge keinen entscheidungsrelevanten Mangel des Berufungsverfahrens dar.

Rechtssätze
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