JudikaturJustiz1Ob225/02y

1Ob225/02y – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. September 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1) Heinrich M*****, und 2) Astrid M*****, Angestellte, beide *****, vertreten durch Dr. Karl Claus, Rechtsanwalt in Mistelbach, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Marktgemeinde L*****, vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Entfernung einer Sirene (Streitwert 4.360,37 EUR) und Erlassung einer einstweiligen Verfügung infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 20. Juni 2002, GZ 21 R 181/02v-18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mistelbach vom 29. März 2002, GZ 2 C 4/02y-12, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der "außerordentliche" Revisionsrekurs wird zurückgewiesen, soweit er die Bestätigung der Zurückweisung des Rekurses gegen die Abweisung des Sicherungsantrags betrifft.

2. Im Übrigen wird dem Gericht zweiter Instanz aufgetragen, die Rekursentscheidung durch einen Ausspruch über den Geldwert des zweitinstanzlichen Entscheidungsgegenstands im Haupt- und im Sicherungsverfahren zu ergänzen und die je nach den Bewertungsaussprüchen erforderlichen weiteren Anordnungen zu treffen.

Text

Begründung:

Die Kläger begehrten - gestützt auf das Nachbarrecht -, die beklagte Marktgemeinde schuldig zu erkennen, die auf dem Dach eines Sportplatzgebäudes "angebrachte Sirenenanlage zu entfernen oder derart zu montieren, dass durch die Inbetriebnahme dieser Anlage eine Beeinträchtigung entsteht, die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht überschreitet". Das Erstgericht beraumte die mündliche Verhandlung über diese Klage für den 19. 2. 2002 an. Im Zuge dieser Verhandlung, zu der für die beklagte Partei nur deren Bürgermeister erschienen war, erließ das Erstgericht auf Antrag der Kläger ein klagestattgebendes Versäumungsurteil. Am 27. 2. 2002 beantragten die Kläger und gefährdeten Parteien (im Folgenden nur: Kläger) die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruchs, über den mit dem noch nicht rechtskräftigen Versäumungsurteil vom 19. 2. 2002 erkannt worden war. Nach Zustellung dieses Antrags an die beklagte und gefährdete Partei zur Äußerung, beantragte diese die Abweisung des Sicherungsbegehrens und erhob sodann - nunmehr anwaltlich vertreten - Widerspruch gegen das Versäumungsurteil. Mit Beschluss vom 12. 3. 2002 wies das Erstgericht den Sicherungsantrag ab. Dagegen erhoben die Kläger Rekurs. Mit Beschluss vom 29. 3. 2002 erklärte das Erstgericht "das bisherige Verfahren ... für nichtig", hob das Versäumungsurteil auf und wies die Klage, den Sicherungsantrag und den Rekurs gegen die Abweisung des Sicherungsantrags zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist teilweise jedenfalls unzulässig, teilweise entzieht er sich nach der derzeitigen Sachlage einer Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof.

1. Der in zweiter Instanz bestätigte Beschluss betrifft Entscheidungsgegenstände, die bei Lösung der Frage nach der Zulässigkeit von Rechtsmitteln wegen der Möglichkeit gesonderter rechtlicher Schicksale nicht als Einheit anzusehen sind (siehe dazu Kodek in Rechberger, ZPO² § 528 Rz 4 mN aus der Rsp). Soweit das Rekursgericht die Zurückweisung des Rekurses gegen die Abweisung des Sicherungsantrags bestätigte, ist der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO - ungeachtet des Geldwerts des Sicherungsbegehrens und des allfälligen Vorliegens erheblicher Rechtsfragen - als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

1. 1. Das Sicherungsverfahren gehört gemäß § 224 Abs 1 Z 6 ZPO zu den Ferialsachen. Betroffen sind alle Beschlüsse im Zusammenhang mit einstweiligen Verfügungen (Gitschthaler in Rechberger, ZPO² § 224 Rz 7 mN aus der Rsp). Der angefochtene Beschluss wurde den Klägern am 24. 7. 2002 zugestellt, deren "außerordentlicher" Revisionsrekurs aber erst am 2. 9. 2002 überreicht. Die (Revisions )Rekursfrist beträgt gemäß § 402 Abs 3 EO vierzehn Tage. Sie wurde durch den Zustellakt am 24. 7. 2002 in Gang gesetzt. Deren Ablauf wurde durch die Gerichtsferien nicht gehemmt. Die Frist endete somit am 7. 8. 2002, 24 Uhr, sodass das Rechtsmittel der Kläger auch verspätet wäre. Die absolute Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ist jedoch vor dessen Verspätung wahrzunehmen.

2. Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Zurückweisung einer Klage nicht jedenfalls unzulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt und der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR übersteigt (Kodek in Rechberger, ZPO² § 528 Rz 2 mN aus der Rsp). Gleiches gilt für die Bestätigung der Zurückweisung eines Sicherungsantrags (5 Ob 2106/96h).

Der Klageanspruch ist kein Geldanspruch. Somit dient auch das Provisorialbegehren nicht der Sicherung eines solchen Anspruchs. Das Rekursgericht hat daher den nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden zweitinstanzlichen Entscheidungsgegenstand im Haupt- und im Sicherungsverfahren gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO und § 526 Abs 3 iVm § 78 und § 402 Abs 4 EO zu bewerten. Es wird daher erst nach einer solchen Bewertung beurteilbar sein, ob der Revisionsrekurs der Kläger gegen die Bestätigung der Nichtigerklärung des Verfahrens, der Aufhebung des Versäumungsurteils und der Zurückweisung der Klage sowie des Sicherungsantrags jedenfalls unzulässig ist. Nach der Berufung auf § 528 Abs 2a iVm § 528 Abs 2 Z 1a ZPO in der Begründung des angefochtenen Beschlusses ist zwar erkennbar, dass das Rekursgericht in Anlehnung an die Bewertung des Klageanspruchs durch die Kläger einen 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigenden Wert des zweitinstanzlichen Entscheidungsgegenstands im Haupt- und im Provisorialverfahren vor Augen hatte, dieser Umstand macht jedoch die erörterten Bewertungsaussprüche nicht entbehrlich, könnte doch das Rekursgericht rechtsirrig eine Bindung an die Bewertung des Klageanspruchs durch die Kläger unterstellt haben, obgleich eine solche Bindung nicht besteht (Kodek aaO § 500 Rz 3 mN aus der Rsp). Das Rekursgericht hat daher den angefochtenen Beschluss nach allen bisherigen Erwägungen durch Aussprüche über die Bewertung des Haupt- und des Sicherungsanspruchs zu ergänzen.

2. 1. Sollte das Rekursgericht den Entscheidungsgegenstand im Haupt- und im Sicherungsverfahren je mit einem 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigenden Geldbetrag bewerten, so wird es ferner zu beachten haben, dass der Revisionsrekurs eines Abänderungsantrags an das Rekursgericht nach § 502 Abs 2a iVm § 508 Abs 1 ZPO entbehrt, wäre doch dieses Rechtsmittel der Kläger nur dann nicht absolut unzulässig, wenn der Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gemäß § 528 Abs 2a iVm § 508 Abs 3 ZPO sowie § 78 und § 402 Abs 4 EO abgeändert wird (7 Ob 221/98w; Kodek aaO § 528 Rz 2). Insofern bleibt es ferner dem Rekursgericht vorbehalten, zu beurteilen, wie weit die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens erforderlich ist, um dem aufgezeigten Mangel im Revisionsrekurs der Kläger abzuhelfen.

2. 2. Die soeben erörterte Frage der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens ist hier insbesondere deshalb von Bedeutung, weil der Revisionsrekurs, soweit er sich gegen die Bestätigung der Zurückweisung des Sicherungsantrags richtet, im Lichte der Erwägungen unter 1. 1. verspätet wäre. Der Oberste Gerichtshof vermag diesen Umstand allerdings nicht wahrzunehmen, kann er doch nicht ein Rechtsmittel als verspätet zurückweisen, bei dem noch nicht geklärt ist, ob es überhaupt in seinen Kognitionsbereich fällt. Es bleibt daher auch in diesem Punkt dem Rekursgericht vorbehalten, zu entscheiden, ob die erörterte Verspätung vor der allfälligen Abwicklung eines Zwischenverfahrens nach § 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO und §§ 78, 402 Abs 4 EO aufzugreifen ist. Dazu ist bloß anzumerken, dass die unter 1. 1. bezeichnete Rangfolge von Zurückweisungsgründen anders beurteilt werden könnte, wenn sich die Verspätung - zum Unterschied von dem unter 1. beurteilten Fall - nicht auf einen schon nach der derzeitigen Sachlage jedenfalls unzulässigen Revisionsrekurs, sondern auf einen Revisionsrekurs bezieht, bei dem die Zulässigkeitsfrage erst im rekursgerichtlichen Zwischenverfahren nach § 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO und §§ 78, 402 Abs 4 EO zu klären ist.

Rechtssätze
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