JudikaturJustiz1Ob183/19x

1Ob183/19x – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** T*****, vertreten durch Dr. Johannes Dörner, Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17–19, wegen 34.557,33 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil- und Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2019, GZ 14 R 47/19p 18, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien vom 1. März 2019, GZ 32 Cg 8/18h 13, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Umfang der Abweisung eines Betrags von 2.000 EUR, gab dem Rechtsmittel des Klägers im Übrigen Folge, sprach mit Teilzwischenurteil aus, dass die Klageforderung im Umfang von 22.557,33 EUR sowie „das Feststellungsbegehren“ nicht verjährt sind, und hob die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Abweisung eines Zahlungsbegehrens von 10.000 EUR auf und verwies insoweit die Sache zur Erörterung mit dem Kläger an die erste Instanz zurück, weil das Klagebegehren in diesem Umfang soweit unschlüssig sei, dass auch ein Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO nicht gefällt werden könne. Den Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) ließ es nicht zu.

Die Beklagte spricht in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfragen von der Qualität gemäß § 502 Abs 1 ZPO an.

Rechtliche Beurteilung

1. Ein Zwischenurteil nach § 393a ZPO ergeht über den Einwand der Verjährung des geltend gemachten Anspruchs und kann nur verneinen ( Rechberger / Klicka in Rechberger , ZPO 5 § 393a ZPO Rz 2). Eine solche Entscheidung spricht daher verbindlich nur über den verneinten Verjährungseinwand ab, ohne dabei die – nur auf ihre Schlüssigkeit hin zu prüfenden – Anspruchsvoraussetzungen zu beurteilen.

Liegt ein solches Urteil vor, das auch bei einem Feststellungsbegehren über das Bestehen einer Schadenersatzpflicht in Betracht kommt (RIS Justiz RS0130163 = 1 Ob 81/15s), kann im Instanzenzug

nur die Frage der Verjährung des (behaupteten) Klagsanspruchs überprüft werden (idS RS0127852).

2. Die Beklagte legt den Schwerpunkt ihres außerordentlichen Rechtsmittels auf den von ihr erhobenen Einwand, der Kläger sei seiner Rettungspflicht nicht nachgekommen, weil er keine Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe.

Ob der Kläger den von ihm behaupteten Schaden durch eine (hier: außerordentliche) Revision beim Verwaltungsgerichtshof hätte abwenden können (§ 2 Abs 2 AHG), ist aber keine aus Anlass des vom Berufungsgericht gefällten (Teil )Zwischenurteils über die Verjährung überprüfbare Frage, weshalb auf diesen (vom Berufungsgericht nach inhaltlicher Prüfung verneinten) Einwand der Beklagten nicht einzugehen ist.

3.1 Nach § 6 Abs 1 AHG verjähren auf Amtshaftung gestützte Ersatzansprüche in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Das Berufungsgericht hat die dazu in der Rechtsprechung vertretenen Grundsätze richtig wiedergegeben: Die schon eingetretenen und aus demselben Schadensereignis voraussehbaren künftigen Schäden (Teilfolgeschäden) bilden verjährungsrechtlich eine Einheit (RS0087613; RS0097976). Zum Teil wird darauf abgestellt, ob diese Folgeschäden „sicher voraussehbar“ sind (RS0034511) oder ob mit künftigen Schäden „mit Wahrscheinlichkeit“ (RS0034559) bzw „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ (RS0034559 [T5, T6]) zu rechnen ist. Für nicht – oder mit nicht ausreichender Wahrscheinlichkeit – vorhersehbare neue Wirkungen eines Schadensfalls beginnt die Verjährung hingegen ab Kenntnis des Schadens (RS0034527).

3.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen gelangte das Berufungsgericht – zusammengefasst – zum Ergebnis, die von der Beklagten zur Begründung ihres Verjährungseinwands ins Treffen geführten, bereits mehr als drei Jahre vor Erhebung der Klage diagnostizierten, degenerativen Schäden an der Wirbelsäule und des Bewegungsapparats bedeuteten keineswegs, dass der Kläger als medizinischer Laie mit hoher Wahrscheinlichkeit, geschweige denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, annehmen und vorhersehen hätte müssen, diese Gesundheitsdefizite, die er auf eine Fürsorgepflichtverletzung der Beklagten zurückführt, würden zukünftig zu seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand führen, weswegen die von ihm daraus abgeleiteten Ansprüche nicht verjährt seien.

3.3 Dem hält die Beklagte lediglich die Entscheidung zu 1 Ob 130/13v entgegen. Anders als hier leitete im genannten Fall der damalige Kläger seine Gesundheitsschädigung aber ausschließlich aus behaupteten Handlungen und Unterlassungen innerhalb eines mehr als drei Jahre vor Einbringung der Klage zurückliegenden Zeitraums ab, wobei der Primärschaden jedenfalls bereits im Zeitpunkt der letzten behaupteten Mobbinghandlung bestanden hatte. Schmerzengeld und Verdienstentfall wurden damals wegen des dem Kläger mehr als drei Jahre vor der Klage bekannten Ausmaßes seiner Gesundheitsbeeinträchtigung als vorhersehbar beurteilt. Warum im vorliegenden Fall dem Kläger als Laien bereits vor dem Vorliegen des Gutachtens der Pensionsversicherungsanstalt das Ausmaß seiner Gesundheitsbeeinträchtigung so weit hätte bewusst sein müssen, dass er ernsthaft (und gegen seinen Willen) mit seiner Versetzung in den Ruhestand rechnen hätte müssen, sodass für ihn auch daraus resultierende Vermögensnachteile vorhersehbar sein konnten, versucht die Beklagte gar nicht darzulegen; sie geht zudem von nicht festgestellten Sachverhaltsdetails aus. Damit kann sie auch keine im Einzelfall (dazu RS0034618 [T6]) aufzugreifende Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht aufzeigen.

Darüber hinaus zielen die Argumente der Beklagten auf den von der aufhebenden Entscheidung des Berufungsgerichts erfassten Teil des Klagebegehrens ab, gegen den ein Rechtsmittel nicht zulässig und der nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).