JudikaturJustiz1Ob178/98b

1Ob178/98b – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. November 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, *****vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Ing. Karl W*****, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 133.144 S sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Jänner 1998, GZ 4 R 150/97z 15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 22. Mai 1997, GZ 4 Cg 314/96f 7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 8.112 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.352 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Gesellschaft mbH - deren Alleingesellschafterin die Landeshauptstadt Linz, deren Aufsichtsrat deren Stadtsenat in seiner Gesamtheit und deren Vorsitzender des Aufsichtsrats der Bürgermeister ist - nimmt als ausgegliedertes Unternehmen der Landeshauptstadt Linz öffentliche Aufgaben wahr. Im Übereinkommen vom 29. Dezember 1969, betreffend die (entgeltliche) Übertragung von Betrieben und wirtschaftlichen Einrichtungen der Landeshauptstadt Linz an die klagende Partei, ist ua statuiert:

§ 1

Gegenstand und Zeitpunkt der Übertragung,

allgemeine Pflichten der Gesellschaft

(1) Folgende Betriebe (wirtschaftliche Einrichtungen) der Stadt werden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen auf die ... (klagende Partei) übertragen: ... f) Kanalamt (Stadtentwässerung) ...

(2) Die Übertragung erfolgt mit Wirkung vom 1. Jänner 1970 ...

(3) Ab dem Zeitpunkt der Übertragung werden die vorgenannten Betriebe (wirtschaftlichen Einrichtungen), soweit sich nicht aus zwingenden Rechtsvorschriften oder aus diesem Übereinkommen etwas anderes ergibt, von der ... (klagenden Partei) in deren eigenem Namen und für deren eigene Rechnung weitergeführt.

(4) Die ... (klagende Partei) ist verpflichtet, im Interesse der Versorgung und Betreuung der Bevölkerung die Betriebe (wirtschaftlichen Einrichtungen), soweit dies zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben notwendig ist, dauernd aufrecht zu erhalten und nach Bedarf zu erweitern. ...

§ 5

Übergang von Rechten und Pflichten der Stadt auf die

Gesellschaft

(1) Hinsichtlich der auf die ... (klagende Partei) übertragenen Betriebe (wirtschaftlichen Einrichtungen) tritt die Gesellschaft, soweit dem keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, in alle Rechte und Pflichten, die sich aus bestehenden Verträgen (...) ergeben, ein. ...

(3) Mit der Übertragung gehen weiter die folgenden, bisher der Stadt zukommenden Rechte und Pflichten auf die ... (klagende Partei) über: ... c) Die Festsetzung privatrechtlicher Entgelte für Lieferungen und Leistungen an Abnehmer, jedoch unter Beachtung der Bestimmungen des § 7, d) die Einhebung privatrechtlicher Entgelte, ...

(4) Darüber hinaus ist die Gesellschaft verpflichtet, an der Erfüllung jener gemeindlichen Aufgaben (§ 1 Abs 4 und § 7 Abs 1) mitzuwirken, welche die Stadt weiterhin im Hoheitsbereich wahrnimmt.

§ 7

Vorbehalte der Stadt

(1) Der Stadt steht das Recht zu, zu entscheiden, welche Angelegenheiten der im § 1 Abs 1 genannten Betriebe (wirtschaftlichen Einrichtungen) sie im Bereiche der Hoheitsverwaltung durchführen will. Vor Beschlußfassung über die Festsetzung von Gemeindeabgaben, die für Lieferungen oder Leistungen der übertragenen Betriebe (wirtschaftlichen Einrichtungen) zu entrichten sind, ist die ... (klagende Partei) zu hören.

(2) Erträge aus den in Abs 1 bezeichneten Gemeindeabgaben sind von der Stadt nach Abzug der mit der Einhebung und Verwaltung verbundenen Kosten der ... (klagenden Partei) zuzuführen.

(3) Soweit sich dies nicht bereits durch die Ausübung der Rechte der Stadt als Gesellschafterin ... von selbst ergibt, hat die ... (klagende Partei) vor der Entscheidung über folgende Angelegenheiten das Einvernehmen mit der Stadt herzustellen: ... b) Neufestsetzung genereller privatrechtlicher Entgelte (Tarife), ...

In der 40. Sitzung des Gemeinderats der Landeshauptstadt Linz vom 17. März 1977 wurde nach umfangreicher Debatte folgender Antrag des Finanzausschusses mit Stimmenmehrheit angenommen:

"1. Gemäß § 7 Abs 1 des Übereinkommens, betreffend die Übertragung von Betrieben und wirtschaftlichen Einrichtungen der Stadt Linz an die ... (klagende Partei) vom 29. Dezember 1969 werden ab 1. April 1977 die Gebühren für Wasserbezug, Wasserleitungsanschluß, Wasserzähler, Kanalbenützung und Kanalanschluß der ... (klagenden Partei) zur Festsetzung und Einhebung übertragen.

2. Die Übertragung dieser Agenden erfolgt mit der Auflage, daß die ... (klagende Partei) die Entgelte für Wasser und Kanal in jener Höhe einhebt, wie sie mit den Beschlüssen des Gemeinderates vom 16. September und 25. November 1976 als Gebühren festgesetzt wurden.

3. Folgende Verordnungen werden mit 31. März 1977 aufgehoben:

a) Die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz, betreffend die Kanalanschluß- und die Ergänzungs- sowie die Straßenkanalbenützungsgebühr, zuletzt festgesetzt mit Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 16. September 1976, verlautbart im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz Nr. 18/76;

b) ... .

Dieser Gemeinderatsbeschluß wurde im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz Nr 4/1977 veröffentlicht. Von der klagenden Partei stammen die im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz kundgemachte Linzer Kanalordnung und die zugehörige Tarifordnung. Die hier wesentlichen Bestimmungen der Linzer Kanalordnung lauten:

§ 1. Die ... (klagende Partei) ist das öffentliche Kanalisationsunternehmen der Landeshauptstadt Linz. Als solches betreibt sie das öffentliche Kanalisationsnetz der Landeshauptstadt Linz sowie die Regionalkläranlage Linz in Asten samt Zuleitungskanälen (öffentliches Kanalisationssystem).

§ 2. Gemäß den Bestimmungen der OÖ. Bauordnung besteht grundsätzlich Anschlußpflicht an gemeindeeigene Kanalisationsanlagen. Die bei Bauten und dazugehörigen Grundflächen anfallenden Abwässer sind in das gemeindeeigene Kanalisationssystem zu leiten.

...

§ 5. Der Abschluß eines Entsorgungsvertrages mit der ... (klagenden Partei) ist mittels eines bei der ... (klagenden Partei) aufliegenden Vordruckes zu beantragen. ...

§ 6. Der Antrag auf Abschluß eines Entsorgungsvertrages ist mit schriftlicher Zustimmung der ... (klagenden Partei) angenommen. In Ermangelung eines solchen gilt der Antrag als angenommen, wenn die ... (klagende Partei) diesen nicht binnen 8 Wochen ab Antragstellung schriftlich ablehnt.

...

§ 30. Der Anschluß an das öffentliche Kanalisationssystem der ... (klagenden Partei) sowie die Übernahme und Reinigung der anfallenden Abwässer erfolgt zu den jeweils geltenden Anschluß- und Benützungstarifen laut Tarifordnung ...

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 7. Juli 1993 verbot das Baurechtsamt der Landeshauptstadt Linz dem beklagten Landwirt die Einrichtung und Benützung von Senkgruben und Sickergruben. Die klagende Partei verlegte im öffentlichen Gut einen öffentlichen Kanal zur Entwässerung der - im Wasserschutzgebiet eines Grundwasserwerks gelegenen - Liegenschaften des Beklagten und dieser auf seinen Liegenschaften eine Hauskanalanlage. Am 20. April 1995 zeigte der Beklagte dem Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Baurechtsamt, an, daß er seine Hauskanalanlage an den öffentlichen Kanal anschließen werde, und beantragte die bescheidmäßige Feststellung des Nichtvorliegens von Untersagungsgründen. Die klagende Partei sandte dem Beklagten im Mai 1995 ein Antragsformular auf Abschluß eines Vertrags samt ihrer Kanal- und Tarifordnung zu. Der Beklagte füllte das Antragsformular nicht aus und sandte es auch nicht zurück. Seit dem Anschluß seiner Liegenschaft an das öffentliche Kanalnetz zahlt der Beklagte zwar die Kanalbenützungsentgelte, verweigert jedoch die Zahlung des ihm am 5. Dezember 1995 vorgeschriebenen Mindestkanalanschlußentgelts und des Kanalrohrnetzbeitrags von insgesamt 133.144 S, weil er mit der klagenden Partei keinen Vertrag geschlossen habe und mit ihr nicht übereingekommen sei, irgendwelche Tarife mittragen zu müssen, deren Gültigkeit er nicht kenne. Daß die klagende Partei für die öffentliche Hand als Tarifansprecher auftrete, obwohl der öffentliche Kanal im öffentlichen Gut liege und der Anschluß vom Beklagten selbst hergestellt worden sei, sei unerklärlich. Die hoheitliche Verwaltung sei nicht (auf Private) übertragbar.

Das Erstgericht verhielt den Beklagten zur Zahlung der von der klagenden Partei begehrten Mindestkanalanschlußgebühr und des Kanalrohrnetzbeitrags von insgesamt 133.144 S sA. Zwar weise die Verwaltungsrechtsordnung öffentliche Aufgaben der Gemeinde zu, jedoch könne diese im Rahmen ihrer Privatrechtsfähigkeit gemäß Art 116 Abs 2 B VG die Abwasserentsorgung in den Formen des Privatrechts wahrnehmen oder durch ausgegliederte Unternehmen wie die klagende Partei wahrnehmen lassen. Dies sei gesetzes- und verfassungskonform. Inhaltlich sei das schlüssig zustande gekommene Rechtsverhältnis der Streitteile ausschließlich privatrechtlich zu beurteilen. Die Vorschreibung der Anschlußgebühr stehe mit der geltenden Tarifordnung im Einklang.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die ordentliche Revision zu. Mit Kanalanschlußgebühren in Oberösterreich habe sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 504/96 (auszugsweise veröffentlicht in RZ 1997/14) zu befassen gehabt. Dort habe ein anschlußpflichtiger Liegenschaftseigentümer ua auf Feststellung geklagt, daß die Vereinbarung mit der beklagten Gemeinde über die Höhe der Kanalanschlußgebühren aufgehoben sei. Auch in jenem Vergleichsfall sei die Gemeinde als Prozeßgegnerin des Liegenschaftseigentümers in allen drei Instanzen siegreich geblieben. Der Oberste Gerichtshof habe in jener Entscheidung dargestellt, daß die Zivilgerichte an den rechtskräftigen Bescheid, mit dem die Behörde die Kanalanschlußpflicht ausgesprochen hat, gebunden seien und daß gegen diese Bindung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Eine Nichtigkeit des Vertrags wegen gesetzwidrigen Formenmißbrauchs sei in dieser Entscheidung nicht angenommen worden, wiewohl nach gesicherter Rechtsprechung Privatrechtsverträge einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bei zwingender Verpflichtung zum hoheitlichen Handeln nichtig seien. Die implizierte Geltendmachung der Nichtigkeit, wozu bereits das Bestreiten einer aus dieser Vereinbarung abgeleiteten Verpflichtung genüge, reiche für die Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrunds aus. Die zweite Instanz folge der Entscheidung 4 Ob 504/96, nehme wie der Oberste Gerichtshof keine Nichtigkeit iSd § 879 ABGB an und finde auch keine Veranlassung, gemäß § 57 Abs 3 VfGG iVm Art 89 Abs 2 B VG die Gesetzmäßigkeit des Beschlusses des Gemeinderats der Stadt Linz vom 17. März 1977, veröffentlicht in der Beilage zum Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz Nr 4/1977, durch den Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen. Die klagende Partei nehme die öffentliche Aufgabe der Abwasserentsorgung zu Recht im Rahmen des Privatrechts wahr. Auch unter Anwendung eines unter dem Gesichtspunkt des § 863 ABGB strengen Maßstabs bei der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen und unter Berücksichtigung des Umstands, daß Schweigen auf eine Vertragsofferte grundsätzlich keinen Erklärungswert habe und vom Offerenten nicht als Zustimmung zum Vertragsabschluß gewertet werden dürfe, liege doch hier ein schlüssiger Vertragsabschluß der Streitteile vor. Der Beklagte habe auf die Zusendung des Antragsformulars samt Tarifordnung und Kanalordnung nicht bloß geschwiegen, sondern immerhin die Grabungsmeldung vom 2. November 1995 an die klagende Partei erstattet. Hätte der Beklagte keinen Vertragsabschluß über den Kanalanschluß gewollt, so wäre er nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, dies der klagenden Partei in seiner Grabungsmeldung offenzulegen. Da in der Grabungsmeldung kein Protest gegen die erhaltene Tarifordnung und Kanalordnung enthalten sei, habe die klagende Partei als Empfängerin des Schreibens darauf vertrauen dürfen, daß der Beklagte einen Vertragsabschluß zu den ihm bekannten Bedingungen und Tarifen wolle. Daß zu diesem Zeitpunnkt die Kanalarbeiten durch die klagende Partei bereits abgeschlossen gewesen seien, schade nicht, weil die Verpflichtung zur Zahlung von Anschlußgebühren ohnedies erst dann entstehe, wenn die Verbindung der Liegenschaft zu den Abwässerkanälen hergestellt sei und die klagende Partei dem Beklagten nicht die Übergabe eines Werks iSd §§ 1165 ff ABGB schuldete, sei doch der Entsorgungsvertrag nach den Geschäftsbedingungen der klagenden Partei kein Werkvertrag in dem Sinn, daß die klagende Partei einem Liegenschaftseigentümer einen Kanal auf dessen Bestellung zu errichten hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt:

a) Rechtlicher Zwang zu einer bestimmten wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde besteht im allgemeinen nicht, im besonderen besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zum Betrieb einer gemeindeeigenen Kanalanlage (SZ 51/184). Ob die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe der Hoheits- oder aber der Privatwirtschaftsverwaltung übertragen ist, ist ausschließlich nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften zu beurteilen. Dabei ist unter Ausschöpfung aller Interpretationsmöglichkeiten zu ermitteln, welche Vollzugsform der Gesetzgeber angewendet wissen will (SZ 69/25; 7 Ob 556/95 uva). Die Abwasserbeseitigung und die Einhebung der Kanalanschlußgebühr ist hoheitliches Handeln, wenn der Gesetzgeber zur Erfüllung dieser Aufgabe die Handlungsformen des öffentlichen Rechts zur Verfügung stellt (SZ 62/41); sie zählt in einem solchen Fall gemäß Art 118 Abs 2 B VG zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (vgl Mayer, B VG2, Art 118 Anm III.1 unter Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH Zl. 7/17/0021 zur Wasseranschlußgebühr). Nach der Rspr sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Grundeigentümern und den Gemeinden, die die Benützung der Kanalisation nach der Bauordnung der Landeshauptstadt Salzburg 1968 (SZ 51/184) und nach dem späteren Salzburger BauTG (SZ 59/47) zum Gegenstand haben, zwischen der Stadt Wien als Eigentümerin der Straßenkanäle und denjenigen, die einen Hauskanal an einen Straßenkanal anschließen wollen oder müssen oder angeschlossen haben (SZ 52/79), die einer Vorarlberger Gemeinde gesetzlich obliegenden Aufgaben der Abwasserbeseitigung (SZ 62/41) sowie die Vorschreibung und Einhebung der Kanaleinmündungsabgaben nach dem nö KanalG 1977 und der nö Abgabenordnung öffentlich rechtlicher Natur (SZ 69/25; vgl dazu auch Mader in Schwimann2, § 1 AHG Rz 39 mwN).

Das Kanalamt der Gemeinde (Landeshauptstadt Linz) wurde bereits 1969 "ausgegliedert", mit Beschluß des Gemeinderats der Landeshauptstadt Linz vom 17. März 1977 die Vorschreibung von Anschlußgebühren für Kanal und Wasser der klagenden Partei übertragen und gleichzeitig die bis dahin bestehende Verordnung des Gemeinderats vom 16. September 1976 betreffend die Kanalanschluß , Ergänzungs- und Straßenkanalbenützungsgebühr mit 31. März 1977 aufgehoben. Mit dieser Vorgangsweise wurde nun nicht die klagende Partei als juristische Person des privaten Rechts nicht mit der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe (vgl dazu Stolzlechner, Privatisierung staatlicher Verwaltungsaufgaben und Kontrolle durch die Volksanwaltschaft, in ZfV 1997, 1 ff, 3 mwN aus der Lehre in FN 10; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 18 f, 399 ff) oder der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung solcher Aufgaben (SZ 68/191, SZ 69/132 ua) betraut, was vom Bundes Verfassungsgesetzgeber an sich stillschweigend als verfassungsrechtlich zulässig angesehen wird (VfSlg 14473/1996 mwN zur Austro Control Gesellschaft mbH), sondern die Gemeindevertretung erklärte mit ihrem Beschluß, von der ihr eingeräumten Ermächtigung zur hoheitlichen Einhebung einer Gemeindeabgabe keinen Gebrauch mehr zu machen, sondern die "Kanalisationsgebühren" (nun Entgelte) in Hinkunft privatwirtschaftlich durch Entgeltvereinbarungen eines ausgegliederten in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Unternehmens mit den Kanalanschlußwerbern hereinbringen zu lassen. Dies war aus nachstehenden Erwägungen auch zulässig:

Die Regelung des § 7 Abs 5 F VG 1948 ermächtigt den Bundesgesetzgeber und die des § 8 Abs 5 F VG 1948 den Landesgesetzgeber, den Gemeinden das sogenannte "freie Beschlußrecht" der Gemeindevertretung zur Ausschreibung bzw Erhebung von Abgaben zu gewähren. Kanalisationsanlagen wurden seit jeher als öffentliche Gemeindeeinrichtung iSd jeweiligen auf § 7 Abs 5 F VG 1948 beruhenden Finanzausgleichsgesetze (§ 15 Abs 3 lit d FAG 1967, § 14 Abs 3 lit d FAG 1973, § 15 Abs 3 Z 4 FAG 1979, § 15 Abs 3 Z 5 FAG 1985 und 1989) verstanden (vgl VfSlg 13.310/1992). Kanalbenützungsgebühren haben darin ihre Grundlage ("Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen"; vgl VfSlg 14.642/1996 uva). Gesetzliche Grundlage der Kanalanschlußgebühr sind dagegen nicht § 7 Abs 5 F VG 1948 und das jeweilige Finanzausgleichsgesetz, sondern § 8 Abs 5 F VG 1948 und ein entsprechendes Landesgesetz (VwGH Zl. 86/17/0155 = ÖStZB 1992, 152 zur Kanalgebührenordnung einer oberösterr. Gemeinde), im vorliegenden Fall das Oö InteressentenbeiträgeG 1958, LGBl 1958/28 idFd Novellen LGBl 1968/55 und 1973/57. Mit dessen § 1 Abs 1 ermächtigt der oberösterreichische Landesgesetzgeber die Gemeinden, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung also mit Verordnung folgende Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern zu erheben: a) den Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Kanalisationsanlage Kanal Anschlußgebühr; b) den Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Wasserversorgungsanlage - Wasserleitungs Anschlußgebühr; c) den Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Einrichtung zur Abfuhr oder Beseitung von Müll Müllabfuhr(Müllbeseitigungs) Anschlußgebühr. Diese Interessentenbeiträge werden nach § 1 Abs 4 dieses Gesetzes mit dem Anschluß an die gemeindeeigene Anlage (Einrichtung) fällig. Im Rahmen des freien Beschlußrechts können die Gemeinde durch sogenannte "selbständige Verordnungen" autonom Steuerquellen erschließen und auch nutzen (VwSlg 5283[F] ua). Die gesetzliche Ermächtigung bedeutet wie auch sonst im Rechtsleben rechtliches Dürfen (vgl dazu Koziol/Welser, Grundriß10 I 167). Ihr freies Beschlußrecht berechtigt daher die Gemeinde im Rahmen der Art 116 Abs 2 und Art 118 Abs 2 B VG, § 8 Abs 5 F VG 1948 iVm § 1 Abs 1 des Oö InteressentenbeiträgeG 1958, LGBl 1958/28 idFd Novellen LGBl 1968/55 und 1973/57 zufolge die Kanal Anschlußgebühr hoheitlich einzuheben oder aber nicht einzuheben oder auch zu beschließen, in Hinkunft die bisher hoheitlich gestalteten Rechtsbeziehungen zu Kanalanschlußwerbern nun privatwirtschaftlich derart zu gestalten, daß von der möglichen Gebührenhoheit nicht (mehr) Gebrauch gemacht wird, sondern ein ausgegliedertes Unternehmen privatrechtlich bestimmte Entgeltvereinbarungen mit Kanalanschlußwerbern abschließt. Insoweit genießt die Gemeinde angesichts der erwähnten Ermächtigung Wahlfreiheit, sodaß ihr die nicht hoheitliche Besorgung dieser Verwaltungsaufgabe rechtlich möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof hat es auch in seinem Erkenntnis VfSlg 13.310/1992 iS der aus Art 116 Abs 2 B VG erfließenden weitgehenden Rechts- und Handlungsfähigkeit der Gemeinde als verfassungsrechtlich zulässig erachtet, besondere Belastungen einer Gemeindeeinrichtung durch einzelne Benützer auch im Rahmen privatrechtlicher Vereinbarungen, sei es mit der Gemeinde selbst, sei es mit einem besonders eingerichteten Wasserverband, abgelten zu lassen. Der von der Gemeindevertretung (Gemeinderat) am 17. März 1977 gefaßte Beschluß hat zum Inhalt, in Zukunft die bisher hoheitlich geregelten Beziehungen zwischen ihr und den einzelnen Kanalanschlußwerbern derart privatwirtschaftlich zu gestalten, daß diese konkrete Verwaltungstätigkeit nunmehr durch die klagende Gesellschaft mbH als ausgegliedertes Unternehmen der Gemeinde privatwirtschaftlich besorgt wird. Folgerichtig wurde auch gleichzeitig die Verordnung des Gemeinderats vom 16. September 1976 betreffend die Kanalanschluß , Ergänzungs- und Straßenkanalbenützungsgebühr mit 31. März 1977 aufgehoben. Damit war ein hoheitliches Handeln der Gemeinde ab dem Stichtag gar nicht mehr möglich.

Die Oö Bauordnung 1976 wurde zwar mit Wirkung vom 1. Jänner 1995 durch die Oö Bauordnung 1994 ersetzt, jedoch die Wirksamkeit der §§ 35 bis 40 der Oö BauO 1976 davon ausdrücklich ausgenommen (§ 60 Abs 2 Oö BauO 1994). Die bisherigen baurechtlichen Regelungen über die Anschlußpflicht, das heißt die Pflicht, bei Bauten und dazugehörenden Grundflächen anfallende Abwässer, also die Niederschlags- und Schmutzwässer in die gemeindeeigenen Kanalisationsanlagen zu leiten (§§ 35, 36 Oö BauO 1976), bestehen daher weiter. Voraussetzung ist allerdings, daß die Erfüllung der "Anschlußpflicht" möglich, also die Verbindung der Liegenschaft (auch) mit den Abwasserkanälen hergestellt ist (RZ 1997/14; RIS Justiz RS0102663). Diese Voraussetzung eines Anschlusses liegt hier unbestrittenermaßen vor. Die baurechtlichen Bestimmungen des oberösterreichischen Landesrechts über den Zwang zum Anschluß an den gemeindeeigenen Kanal (vgl dazu allgemein Walter/Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts2 755 mwN) rechtfertigen indes für sich allein noch keineswegs den Schluß, daß die Festsetzung und Einhebung von Kanalanschlußgebühren durch die Gemeinde, mag sie auch auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge in der Regel die Stellung eines Monopolisten innehaben, stets dem Bereich der Hoheitsverwaltung zuzuordnen sei.

b) Aus diesen Erwägungen stellt sich hier die Frage, ob hoheitlich zu gestaltende Rechtsbeziehungen in Vertragsform gekleidet und damit zum Gegenstand eines bürgerlich rechtlichen Anspruchs gemacht werden können (vgl SZ 64/92 zum stmk KanalabgabenG 1955, SZ 69/25 zum nö KanalG 1977 ua; RIS Justiz RS0038475), ebensowenig wie die weitere Frage nach der Nichtigkeit einer privatrechtlich getroffenen Vereinbarung wegen unzulässigen Ausweichens von der Hoheits- in die Privatwirtschaftsverwaltung (SZ 49/162; 2 Ob 511/95 = RdW 1995, 216 zu §§ 19 ff Oö ROG; SZ 69/25; RIS Justiz RS0034713). Auch ein öffentlich rechtlicher Vertrag zwischen Organen eines Verwaltungsträgers und Privaten ist hier nicht zu beurteilen. Einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs mit dem Antrag auf Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses vom 17. März 1977, auf dem die Linzer Kanalordnung beruht, bedarf es entgegen dem Vortrag des Beklagten, dessen darauf abzielender "Antrag" sich als bloße Anregung versteht, nicht.

c) Zur Frage des schlüssigen Zustandekommens eines Vertrags wird auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Daß die Mindestkanalanschlußgebühr - als privatrechtliches Entgelt und nicht als öffentlich rechtliche Gebühr (Äquivalent für spezielle Verwaltungsdienste mit einem angemessenen Verhältnis zur Leistung [VfSlg 7227/1973 ua], im besonderen als höchstens kostendeckender anteiliger Beitrag zur Errichtung der Kanalisationsanlage [Walter/Mayer aaO 757; Antoniolli/Koja aaO 736 f]) - der geltenden Tarifordnung als allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei entspricht, war nie strittig. Es bedarf daher hier keiner an sich zulässigen richterlichen Kontrolle der einseitigen Entgeltbestimmung durch die klagende Partei iSd § 1056 ABGB (vgl dazu SZ 64/92).

Der Revision ist demnach nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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