JudikaturJustiz1Ob164/08m

1Ob164/08m – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. März 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Erich ***** P*****, gegen die beklagten Parteien 1. Peter D*****, und 2. Ingrid D*****, beide vertreten durch Dr. Peter Krassnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 10.715,70 EUR sA, infolge Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 2.777,70 EUR sA) gegen das Teilurteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 15. Februar 2008, GZ 1 R 94/07d 25, womit das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 22. Dezember 2006, GZ 24 C 1058/05v 19, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteile der Beklagten wurden der Exekution durch Zwangsversteigerung unterzogen und dem Kläger am 3. 10. 2001 zugeschlagen. Mit Beschluss des Exekutionsgerichts vom 16. 10. 2001 wurde dem Kläger die einstweilige Verwaltung der von ihm ersteigerten Objekte bewilligt und er wurde zum einstweiligen Verwalter bestellt. Am 31. 10. 2001 wurde er in die Liegenschaften eingeführt. Der Kläger forderte die Beklagten auf, ihm ab Oktober 2001 für die Benützung der Wohnung und der drei Tiefgaragenabstellplätze ein Benützungsentgelt und die Betriebskosten zu zahlen. Am 20. 11. 2001 berichtigte der Kläger das Meistbot samt Zinsen zur Gänze. Der gegen die Zuschlagserteilung erhobene Rekurs der Verpflichteten (hier Beklagten) wurde - ebenso wie der dagegen erhobene Revisionsrekurs - zurückgewiesen. Über Antrag des Klägers wurde diesem mit Beschluss des Exekutionsgerichts vom 12. 11. 2002 gemäß §§ 156 Abs 2 und 349 EO die zwangsweise Räumung aller von ihm ersteigerten Liegenschaftsanteile bewilligt und deren Übergabe an ihn angeordnet. Diese erfolgte schließlich am 25. 4. 2003. Ein zwischen dem Kläger und dem Sohn der Beklagten wegen Zahlung von Benützungsentgelt und Betriebskosten geführtes Verfahren wurde durch Vergleich beendet, wobei im gegenständlichen Verfahren unter anderem strittig ist, ob mit diesem Vergleich auch sämtliche Ansprüche gegen die Beklagten dieses Verfahrens verglichen werden sollten.

Der Kläger begehrte von den Beklagten - nach Klagseinschränkung - die Zahlung von 10.715,70 EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus 5.116,30 EUR an Benützungsentgelt und 1.365 EUR an Betriebskosten für die Zeit von Juli bis September 2002 sowie von Jänner bis April 2003, 3.000 EUR an Schadenersatz wegen mutwilliger Beschädigungen, und 1.234,40 EUR an Schadenersatz wegen der vereitelten Vermietung eines Teils des Wohnungseigentumsobjekts.

Die Beklagten wendeten ein, dass mit dem im Verfahren zwischen dem Kläger und ihrem Sohn abgeschlossenen Vergleich auch die gegen sie erhobenen Ansprüche verglichen worden seien. Benützungsentgelt gebühre dem Kläger überdies erst ab Rechtskraft des Zuschlags. Beschädigungen seien keine erfolgt.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Ein Generalvergleich sei nicht zustandegekommen. Der Ersteher könne für die zwischen dem Zuschlag und der alsbaldigen Übergabe der Liegenschaft gelegene, in der Regel kurze Zeit vom Verpflichteten kein Benützungsentgelt fordern. Die Beklagten hätten aber durch - teilweise unzulässige - Rechtsmittel den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlags um Monate verzögert. Dem Kläger stünden daher für die Monate ab Juli 2002 Benützungsentgelt und Betriebskosten zu. Die - nicht fachgerechte - Entfernung von Elektroinstallationen, der Einbauküche und vom Heizkörpern stelle einen zu ersetzenden Schaden dar. Die Vermietung einer (kleinen) Wohneinheit hätten die Beklagten vereitelt, sodass dem Kläger von Dezember 2002 bis April 2003 Gewinn entgangen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Zwischenurteil des Erstgerichts im Umfang von 3.518,34 EUR (Benützungsentgelt samt Betriebskosten für Juli bis September 2002 und Entgang von Miete für Februar bis April 2003), wies - unangefochten - das Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 4.197,36 EUR (Benützungsentgelt samt Betriebskosten für Jänner und Februar 2003 und Entgang von Miete für Dezember 2002 und Jänner 2003) ab, hob das Zwischenurteil über das Schadenersatzbegehren von 3.000 EUR auf und trug diesbezüglich dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der sich auf einen Vergleich stützende Einwand der Beklagten sei in Ansehung des für die Zeit von Jänner bis April 2003 geforderten Benützungsentgelts samt Betriebskosten berechtigt. Diesbezüglich sowie hinsichtlich eines Teilbetrags des Begehrens für entgangene Miete sei die Klage daher abzuweisen. In Bezug auf das für Juli bis September 2002 begehrte Benützungsentgelt samt Betriebskosten führte das Berufungsgericht aus, die Benützung der Liegenschaft durch einen Verpflichteten in der Zeit zwischen Zuschlag und alsbaldiger Übergabe führe noch „zu keiner Verrechnung" zwischen ihm und dem Ersteher. Der Ersteher könne für diese - in der Regel kurze - Zeit vom Verpflichteten kein Entgelt für die Benützung verlangen. Anders liege der Fall, wenn der Verpflichtete die Räumung der versteigerten Liegenschaft verzögere und diese ohne jeden Rechtstitel weiter in Anspruch nehme. Im vorliegenden Fall benützten die Beklagten die vom Kläger erstandenen Liegenschaftsanteile ab Erfüllung der Versteigerungsbedingungen (Ende November 2001) bis 25. 4. 2003, somit fast eineinhalb Jahre. Selbst wenn man dieses Verhalten im Hinblick auf die von den Beklagten eingebrachten Rechtsmittel und die dadurch faktisch erwirkte Verzögerung als nicht rechtswidrig beurteilte, und ungeachtet des Eintritts der Rechtskraft des Zuschlags (erst) am 18. 10. 2002, sei ein Bereicherungsanspruch des Klägers an Benützungsentgelt und Betriebskosten für die Zeit von Juli bis September 2002 - also in Ansehung einer auf Bezahlung von 2.777,70 EUR gerichteten Klagsforderung - dem Grunde nach berechtigt. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob der Ersteher für die Zeit ab Erfüllung der Versteigerungsbedingungen vom Verpflichteten Benützungsentgelt und Betriebskosten verlangen könne, wenn dieser das ersteigerte Objekt benütze und die Rechtskraft des Zuschlags infolge von Rechtsmitteln des Verpflichteten erst nahezu eineinhalb Jahre danach eingetreten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten richtet sich gegen die Zuerkennung - dem Grunde nach - von Benützungsentgelt und Betriebskosten für Juli bis September 2002 im Betrag von 2.777,70 EUR sA. Sie ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1.1. Gemäß § 156 Abs 1 EO geht die Gefahr der zur Versteigerung gelangten Liegenschaft mit dem Tag der Erteilung des Zuschlags auf den Ersteher über. Von diesem Tag an gebühren ihm alle Früchte und Einkünfte der Liegenschaft. Dagegen hat er von da an die mit dem Eigentum der Liegenschaft verbundenen Lasten, soweit sie nicht durch das Versteigerungsverfahren erlöschen, sowie die Steuern und öffentlichen Abgaben zu tragen, welche von der Liegenschaft zu entrichten sind, und die in Anrechnung auf das Meistbot übernommenen Schuldbeträge zu verzinsen.

Gemäß § 156 Abs 2 EO hat die Übergabe der Liegenschaft sowie des veräußerten Zubehörs an den Ersteher und die bücherliche Eintragung seines Eigentumsrechts erst nach Erfüllung aller Versteigerungsbedingungen zu erfolgen.

1.2. Nach der Rechtsprechung kann der Ersteher für die - in der Regel kurze - Zeit zwischen Zuschlag und (alsbaldiger) Übergabe der Liegenschaft vom Verpflichteten kein Entgelt für die Benützung verlangen. Anderes gilt, wenn der Verpflichtete die Räumung der Liegenschaft verzögert und diese ohne jeden Rechtstitel in Anspruch nimmt (SZ 63/114 = 3 Ob 504/90 mwN; siehe auch Angst in Angst , EO2 § 156 Rz 8).

1.3. Karollus (JBl 1989, 23) trat dafür ein, dem Ersteher ab Zuschlagserteilung ein Entgelt für die Weiterbenützung der Liegenschaft durch den Verpflichteten zuzugestehen. Dies ergebe sich aus dem Eigentumsrecht des Erstehers. Ab Erfüllung der Versteigerungsbedingungen sei die Liegenschaft dem Ersteher zur Gänze zugewiesen, weshalb der Bereicherungsanspruch ab diesem Zeitpunkt unproblematisch sei. Dies gelte grundsätzlich auch für solche Zeiträume, in denen dem Verpflichteten ein Räumungsaufschub gewährt worden sei. Weder aus § 105 EO, noch aus § 156 Abs 2 EO könne eine Rechtfertigung für eine durch die unentgeltliche Weiterbenutzung der Liegenschaft bewirkte einseitige Vermögensverschiebung zugunsten des Verpflichteten abgeleitet werden (zustimmend Schaar , Rechte und Pflichten des Erstehers bei exekutivem Liegenschaftserwerb [1993], 54 f; Reidinger in WoBl 1991, 217 [229]; Neumayr in Burgstaller/Deixler Hübner , EO § 156 Rz 31; Holzhammer , Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4, 215).

Die Entscheidung GlUNF 2163 stützte die Ablehnung des Anspruchs des Erstehers „gegen den Exekuten auf eine Vergütung für die von Letzterem nach dem Tage der Feilbietung noch fortbenützte Wohnung" unter anderem auf eine analoge Anwendung des § 105 EO. Diesbezüglich zeigte Karollus (aaO) zutreffend auf, dass diese Bestimmung dem Regelungsbereich der Zwangsverwaltung entstammt, bei welcher der Verpflichtete gerade sein Eigentumsrecht behält und daher keinen Bereicherungsansprüchen ausgesetzt sein kann; es wäre daher problematisch, daraus einen Ausschluss von Bereicherungsansprüchen abzuleiten.

1.4. Im vorliegenden Fall berufen sich die Beklagten insbesondere darauf, dass sie die Wohnung nicht „bewusst rechtswidrig" benützt hätten. Sie seien auch überzeugt gewesen, die Wohnung aufgrund jener Benützungsvereinbarung zu benützen, als welche der nichtige Wohnungseigentumsvertrag gültig geblieben, in welche aber der Ersteher nicht schon kraft Zuschlags eingetreten sei. Schließlich habe der Ersteher den Anspruch, dass ihm die ersteigerte Liegenschaft in seinen Besitz übergeben werde, erst nach vollständiger Erfüllung der Versteigerungsbedingungen und nach Eintritt der Rechtskraft der Erteilung des Zuschlags (18. 10. 2002) und damit nach unbedingtem Erwerb des Eigentums. Mögen auch die Rechtswirkungen des Zuschlags rückwirkend zu dessen Zeitpunkt eintreten, so erscheine dennoch eine Übergabe vor dessen Rechtskraft zumutbar ebensowenig wie die Bezahlung eines Benützungsentgelts vor möglicher Übergabe.

1.5. Hiezu hat der erkennende Senat erwogen:

Die oben bereits wiedergegebenen Ausführungen von Karollus sind durchaus beachtenswert, Großteils gewiss auch zutreffend. Ob ihnen - in Abkehr von der dargestellten Judikatur - zur Gänze, nämlich auch bei nur ganz kurzfristiger Weiterbenützung eines Objekts, zu folgen wäre, muss hier nicht abschließend beantwortet werden. Nach der Judikatur (SZ 63/114) wird ein Benützungsentgelt nämlich (nur) dann nicht geschuldet, wenn nach der Zuschlagserteilung eine alsbaldige Übergabe erfolgte. Verzögert dies ein Verpflichteter - aus welchem Grunde immer, aber in der Hauptsache erfolglos , nimmt er die Liegenschaft ohne jeden Rechtstitel in Anspruch. Wenn auch die Verzögerung der - letztlich erst durch zwangsweise Räumung bewirkten - Übergabe der Liegenschaft an den Kläger durch die Beklagten nicht mutwillig erfolgt sein mag, so ändert dies nichts daran, dass kein Rechtstitel für eine ( unentgeltliche ) Weiterbenützung der Liegenschaft durch die Verpflichteten (Beklagten) ab Erteilung des Zuschlags, jedenfalls aber ab Erfüllung aller Versteigerungsbedingungen bestand, denn dies hat das im Zwangsversteigerungsverfahren abgeführte Rechtsmittelverfahren ergeben.

Soweit sich die Revisionswerber darauf berufen, dass dem Ersteher der Anspruch auf Übergabe der Liegenschaft gemäß § 156 Abs 2 EO erst nach vollständiger Erfüllung der Versteigerungsbedingungen und - als zusätzlicher, im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnten Voraussetzung - nach Eintritt der Rechtskraft der Erteilung des Zuschlags zukomme, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren sofort mit Erteilung des Zuschlags und nicht erst mit dessen Rechtskraft das auflösend bedingte Eigentum am zugeschlagenen Objekt erwirbt und dass der Aufschub der Besitzeinweisung des Erstehers (lediglich) der Verhinderung von praktischen Schwierigkeiten, die mit einer mehrfachen Besitzübergabe und wieder Besitzenthebung verbunden wären, dient (vgl 3 Ob 14/08t). Nur insoweit erfolgt also eine Einschränkung der Eigentümerbefugnisse. Die aus § 356 Abs 1 EO ableitbare Zuweisung des Vermögenswerts bleibt ansonsten unberührt ( Karollus aaO). Im Übrigen genießt der Besitz - hier der Beklagten bis zur Rechtskraft des Zuschlags an den Kläger - nur zwecks Erhaltung der Friedensordnung Schutz, nicht aber wegen der Zuweisung des Vermögenswerts an den Besitzer ( Koziol in KBB2, § 1041 ABGB Rz 8).

Diese Erwägungen führen zum Ergebnis, dass dem Kläger jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum dem Grunde nach Benützungsentgelt (samt Betriebskosten) für die weitere Benützung der erstandenen Liegenschaft( santeile) durch die Beklagten zusteht.

2. Soweit die Beklagten eine unrichtige Auslegung des gerichtlichen Vergleichs vom 26. 5. 2003 durch das Berufungsgericht geltend machen, indem sie behaupten, dass mit dem Vergleich der gesamte Streitpunkt „Benützungsentgelt" erledigt werden sollte, ist ihnen entgegenzuhalten, dass für den Umfang der Bereinigungswirkung eines Vergleichs der übereinstimmend erklärte Parteiwille maßgebend ist, wobei aufgrund der Vertrauenstheorie der objektive Erklärungswert entscheidet ( Heidinger in Schwimann , ABGB3 § 1380 Rz 28). Einer (bloßen) Ruhensvereinbarung hinsichtlich „sämtlicher anhängiger Verfahren" kann jedoch keinesfalls unterstellt werden, dass diese sich auch auf noch nicht geltend gemachte Ansprüche beziehen sollte. Diesbezüglich kommt - wie die Revisionswerber selbst eingestehen - eine Ruhensvereinbarung gar nicht in Betracht. Die Auslegung des Vergleichs durch das Berufungsgericht, wonach (nur) die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs vom Kläger gerichtlich geltend gemachten Ansprüche erledigt sein sollten, ist daher nicht zu beanstanden.

Der Revision der Beklagten ist somit nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.