JudikaturJustiz1Ob11/24k

1Ob11/24k – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Dr. J* O*, vertreten durch Dr. Georg Uher, Rechtsanwalt in Mistelbach, gegen die Antragsgegnerin E* O*, vertreten durch BHF Briefer Hülle Frohner Gaudernak Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 8. August 2023, GZ 20 R 107/23k 115, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mistelbach vom 10. Februar 2023, GZ 6 Fam 8/17h 107, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass Punkt 1.(a) des erstinstanzlichen Beschlusses lautet:

„Die Antragsgegnerin E* O*, ist schuldig, Zug um Zug gegen Zahlung des unter Punkt 4. angeführten Betrags von 254.000 EUR in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Antragstellers Dr. J* O*, an ihrem Hälfteanteil der Liegenschaft EZ *, KG *, B LNR 2, einzuwilligen.“

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung:

[1] Die im Dezember 1972 geschlossene Ehe wurde im April 2016 aus gleichteiligem Verschulden der Parteien geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit Anfang März 2016 aufgehoben.

[2] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind nur noch Fragen im Zusammenhang mit der Zuweisung des Hälfteanteils einer Liegenschaft mit einem darauf während aufrechter Ehe errichteten Einfamilienhaus, das früher als eheliche Wohnung diente, und die Sicherstellung der Ausgleichszahlung des Mannes.

[3] Die Parteien sind jeweils zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft in *, die sie während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft kauften (in der Folge: frühere Ehewohnung). Sie errichteten darauf ein Einfamilienhaus, das sie bis 1997 bewohnten und anschließend bis 2013 vermieteten. Der Verkehrswert dieser Liegenschaft samt dem darauf befindlichen Gebäude beträgt rund 420.000 EUR.

[4] Die Parteien bewohnten danach und nach wie vor ein im Eigentum der Frau stehendes Haus, das maßgeblich mit Mitteln aus einer Erbschaft der Frau finanziert wurde (in der Folge: letzte Ehewohnung).

[5] Der Mann verfügt über Ersparnisse von insgesamt 148.890 EUR. Er ist 80 Jahre alt und erhält eine Pension von zumindest 2.500 EUR monatlich.

[6] Der Mann beantragte – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – die Übertragung des Hälfteanteils der Frau an der früheren Ehewohnung gegen Leistung einer Ausgleichszahlung.

[7] Die Frau beantragte ihrerseits die Übertragung des Hälfteanteils des Mannes an der früheren Ehewohnung an sie gegen Leistung einer angemessenen Ausgleichszahlung.

[8] Das Erstgericht übertrug (soweit für das Revisionsrekursverfahren relevant) das Eigentumsrecht der Frau am Hälfteanteil der früheren Ehewohnung an den Mann, verpflichtete den Mann zur Räumung der letzten Ehewohnung binnen drei Monaten und verpflichtete ihn zur Leistung einer Ausgleichszahlung von 254.000 EUR binnen drei Monaten an die Frau. Es ging (irrtümlich) davon aus, dass sich die Parteien hinsichtlich der Zuweisung der Liegenschaften einig seien. Diese Aufteilung erschien ihm auch billig, weil damit beide Ehegatten über eine Liegenschaft und eine Wohnmöglichkeit in Österreich verfügten. Die Zahlungsfrist des Mannes sowie die Frist zur Räumung der letzten Ehewohnung wählte es so, dass ihm „ausreichend Zeit bleibt, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern“.

[9] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Frau, der sich gegen die Übertragung ihres Hälfteanteils an der früheren Ehewohnung an den Mann und hilfsweise gegen die Höhe der vom Mann zu leistenden Ausgleichszahlung richtete, nicht Folge.

[10] Rechtlich führte es – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung – aus, die Übertragung des Liegenschaftsanteils der Frau an der früheren Ehewohnung an den Mann entspreche der Billigkeit, weil beide Parteien damit über eine Liegenschaft und Wohnmöglichkeit in Österreich verfügten. Die Parteien hätten während der Ehe zwei Liegenschaften in Österreich erworben, die jeweils für einen gewissen Zeitraum als Ehewohnung gedient hätten. Dadurch, dass dem Mann der Hälfteanteil der Frau an der früheren Ehewohnung übertragen werde, werde der „Bewahrungsgrundsatz“ nicht verletzt, werde doch diese Liegenschaft schon seit Jahrzehnten nicht mehr von der Frau bewohnt. Damit werde dem Mann, der die letzte (und nach wie vor bewohnte) Ehewohnung verlassen müsse, der Beginn eines neuen Lebensabschnitts erleichtert, wobei es ihm auch freistehe, die Liegenschaft zu veräußern.

[11] Eine Sicherstellung der Ausgleichszahlung sei nicht erforderlich, weil aufgrund der Vermögensverhältnisse des Mannes nicht zu besorgen sei, dass die Frau die Ausgleichszahlung nicht erhalten werde. Die Frau zeige nicht auf, „in welcher konkreten Form die von ihr begehrte 'zweckmäßige' Sicherstellung anzuordnen gewesen wäre“. Der Mann verfüge über Ersparnisse von 148.890 EUR sowie eine Liegenschaft in einem zentral amerikanischen Staat. Eine weitere Liegenschaft in diesem Staat werde ihm im Zuge der Aufteilung von der Frau rückübertragen. Auf der zweiten dieser Liegenschaften befinde sich ein von den Parteien errichtetes Einfamilienhaus (Errichtungskosten [umgerechnet richtig:] 119.000 EUR zum 1. 1. 2003).

[12] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

[13] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Frau mit dem Begehren, ihr den Hälfteanteil des Mannes an der früheren Ehewohnung gegen Leistung einer Ausgleichszahlung von 165.800 EUR zu übertragen; hilfsweise begehrt sie die Sicherstellung der dem Mann auferlegten Ausgleichszahlung dadurch, dass sie ihren Hälfteanteil an dieser Liegenschaft nur Zug um Zug mit Leistung dieser Zahlung überträgt, wiederum hilfsweise soll die Übertragung ihres Eigentumsrechts erst nach drei Monaten und einer Woche erfolgen.

[14] Der Mann beantragt in der von ihm bereits vor Freistellung erstatteten Revisionsrekursbeantwortung die Zurückweisung des Revisionsrekurses, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Der Revisionsrekurs ist zulässig , weil dem Rekursgericht durch die Unterlassung der Sicherstellung der Ausgleichszahlung des Mannes ein zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifender Beurteilungsfehler unterlaufen ist. Er ist insofern auch teilweise berechtigt .

1. Zur Übertragung des Hälfteanteils der Frau an der früheren Ehewohnung an den Mann:

[16] 1.1. Nach § 86 Abs 1 EheG kann das Gericht bei der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens die Übertragung (auch) von Eigentum an unbeweglichen körperlichen Sachen von einem auf den anderen Ehegatten anordnen. Gemäß § 83 Abs 1 EheG hat die Aufteilung nach Billigkeit zu erfolgen, um ein für beide Teile tragbares, den Umständen des Einzelfalls gerecht werdendes Ergebnis zu finden (RS0057910 [T1]).

[17] 1.2. Nach der vom Mann nicht bekämpften Anordnung des Erstgerichts hat er die nach wie vor von den Parteien bewohnte letzte Ehewohnung der Frau binnen drei Monaten geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben. Diese Liegenschaft verbleibt im Alleineigentum der Frau.

[18] 1.3. Nach den getroffenen Feststellungen entspricht es der Billigkeit, dass der Mann gegen Leistung einer angemessen festgesetzten Ausgleichszahlung den Hälfteanteil der Frau an der früheren Ehewohnung übertragen erhält und damit – ebenso wie die Frau – über eine Wohnmöglichkeit in Österreich verfügt. Er weist eine ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf, sodass ihm die Aufbringung der Ausgleichszahlung (unter Berücksichtigung der vorhandenen Vermögenswerte) möglich sein müsste.

[19] Zwar ist der Frau zuzugestehen, dass sie bei Übertragung des Hälfteanteils des Mannes an dieser Liegenschaft an sie die Ausgleichszahlung aufgrund ihres Vermögens leichter aufbringen könnte als er, jedoch ist zu berücksichtigen, dass dem nunmehr 80 jährigen Mann nicht eine Wohnungsnahme in einer ihm nicht vertrauten Umgebung zugemutet werden soll. Vielmehr ist es – wie von den Vorinstanzen vorgenommen – sachgerecht, ihm den Beginn seines neuen Lebensabschnitts dadurch zu erleichtern, dass ihm die Wohnmöglichkeit in der früheren Ehewohnung erhalten bleibt.

2. Sicherstellung der Ausgleichszahlung des Mannes:

[20] 2.1. Gemäß § 94 Abs 2 EheG kann das Gericht eine Stundung der Ausgleichszahlung oder deren Entrichtung in Teilbeträgen, tunlich gegen Sicherstellung, anordnen, wenn dies für den Ausgleichspflichtigen wirtschaftlich notwendig und dem Ausgleichsberechtigten zumutbar ist.

[21] Auch wenn das Gesetz eine Sicherstellung der Ausgleichszahlung in § 94 Abs 2 EheG nur im Zusammenhang mit einer Stundung der Ausgleichszahlung erwähnt, legt schon der allgemein im Aufteilungsrecht geltende Grundsatz der Billigkeit (§ 83 Abs 1 Satz 1 EheG) nahe, dass nicht eine Situation geschaffen werden soll, in der ein früherer Ehegatte die Vorteile aus einer Aufteilungsentscheidung lukrieren kann, ohne dass die Erfüllung der ihn danach treffenden Pflichten gewährleistet oder sichergestellt wäre. Über den im Gesetz geregelten Fall der Stundung einer Ausgleichszahlung hinaus ist daher zu Gunsten des Zahlungsgläubigers eine Regelung zu treffen, die sicherstellt, dass er nicht Vermögenswerte verliert, ohne die Ausgleichszahlung zu erhalten, wenn dies aufgrund der Vermögensverhältnisse des Schuldners zu besorgen ist. Dabei kann etwa eine Zug um Zug Abwicklung angeordnet oder ein Pfandrecht an dem zu übertragenden Gegenstand begründet werden (1 Ob 247/14a, SZ 2015/16 = RS0130109).

[22] 2.2. Der Mann hat der Frau gemäß § 94 Abs 1 EheG eine Ausgleichszahlung von 254.000 EUR zu leisten . Er bezieht eine Pension von zumindest 2.500 EUR monatlich und verfügt über Ersparnisse von 148.890 EUR. Der Verkehrswert der beiden ausländischen Liegenschaften konnte nicht festgestellt werden. Die Errichtungskosten des von den Parteien vor mehr als 20 Jahren auf der einen ausländischen Liegenschaft errichteten Einfamilienhauses betrugen umgerechnet 119.000 EUR. Die Parteien halten sich selten in in diesem Staat auf, weil sie befürchten, Opfer einer Gewalttat zu werden.

[23] 2.3. Entgegen der Beurteilung des Rekursgerichts reicht die dargestellte Vermögenssituation des Mannes nicht aus, um der Frau ausreichende Sicherheit zu gewähren, dass sie die angeordnete Ausgleichszahlung erhält. Die Frau strebte im Rekurs auch ausdrücklich die Sicherstellung durch die Anordnung der Ausgleichszahlung Zug um Zug gegen Übertragung ihres Hälfteanteils an der Liegenschaft an, auch wenn sie im Rekursantrag (formal) kein solches Eventualbegehren stellte.

[24] Im gegenständlichen Fall von wechselseitigen Ansprüchen kann eine Zug um Zug Verpflichtung Sicherheit bieten. Von dieser Gestaltungsmöglichkeit ist zur Sicherstellung des Anspruchs auf die Ausgleichszahlung Gebrauch zu machen . Es würde nämlich den Aufteilungsgrundsätzen widersprechen, wollte man der Frau zumuten, die rechtskräftig zuerkannte Ausgleichszahlung (§ 94 Abs 1 EheG) erst im Exekutionsweg hereinzubringen, während sie alle Rechte an dem von ihr zu übertragenden Liegenschaftsanteil bereits verloren hätte (vgl 1 Ob 88/05f; Stabentheiner/Pierer in Rummel/Lukas 4 § 93 EheG Rz 2).

[25] Da der Mann nicht über sofort verfügbare Vermögenswerte in Höhe der Ausgleichszahlung verfügt, ist die Eigentumsübertragung Zug um Zug gegen Leistung der Ausgleichszahlung anzuordnen. Dies erfordert trotz der an sich unbedenklichen Vermögenssituation des Mannes schon die Höhe der Ausgleichszahlung, deren Aufbringung dem Mann nicht einfach sein wird.

[26] 3. Dem Revisionsrekurs ist daher teilweise Folge zu geben und in Spruchpunkt 1.(a) die Einwilligung der Frau in die Übertragung ihres Hälfteeigentums an der früheren Ehewohnung an den Mann Zug um Zug gegen die von ihm nach Punkt 4. des erstinstanzlichen Beschlusses zu leistende Ausgleichszahlung anzuordnen.

[27] 4. Das Erstgericht hat die Entscheidung über die Kosten bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehalten (§ 78 Abs 1 AußStrG), sodass es auch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu entscheiden hat (vgl 1 Ob 187/14b; 1 Ob 14/21x mwN).