JudikaturJustiz17Os35/14x

17Os35/14x – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. November 2014 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann F***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Johann F*****, Eduard E*****, Doris L***** und Irene P***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 17. Februar 2014, GZ 8 Hv 142/13a 32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden soweit vorliegend von Bedeutung Johann F*****, Eduard E***** und Irene P***** jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A) sowie Doris L***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 dritter Fall, 302 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach haben sie in K***** wissentlich mit dem Vorsatz, dadurch den Bund an seinem Recht auf Richtigkeit des Melderegisters und „auf dessen ordnungsgemäße Führung“ (vgl dazu 17 Os 30/13k, EvBl 2014/84, 569) zu schädigen,

(A) Johann F*****, Eduard E***** und Irene P***** vom 5. September 2005 bis 21. Februar 2011 als Beamte in einverständlichem Zusammenwirken ihre Befugnis, im Namen „der für das Meldewesen im übertragenen Wirkungsbereich zuständigen Gemeinde K*****“ als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem in den im Urteil einzeln bezeichneten Fällen (A/1 bis 8) die mit der Führung des Melderegisters betraute Vertragsbedienstete Irene P***** unrichtige Meldedaten betreffend ausländische Staatsangehörige in das Zentrale Melderegister (ZMR) eintrug, Eduard E***** als Amtsleiter (vgl US 10) die Meldungen prüfte und Vermerke über diese „Scheinmeldungen“ ausstellte und Johann F***** als Bürgermeister der Gemeinde K***** und als Meldebehörde erster Instanz diese Vorgehensweise „grundsätzlich genehmigte und die Akten über die erfolgten Meldungen unterfertigte und es unterließ, diese Meldungen zu unterbinden bzw die Richtigstellung des Melderegisters zu veranlassen“, obwohl sie wussten, „dass die an den Meldeadressen allein (unbegleitet) angemeldeten ausländischen unmündigen Minderjährigen dort nie Unterkunft nahmen und dies auch nie beabsichtigten“;

(B) Doris L***** vom 22. August 2006 bis 7. September 2009 zur Ausführung der zu A/1 bis 4 und 7 geschilderten strafbaren Handlung beigetragen, indem sie mit dem Bürgermeister das Vorgehen „grundsätzlich besprach“, die „Scheinunterkunftgeber“ anwarb, die Meldezettel teilweise ausfüllte, den „Scheinunterkunftgebern“ zur Unterschrift vorlegte und Meldezettel betreffend die im Urteil in A/1, 2 und 4 beschriebenen Meldevorgänge auf das Gemeindeamt brachte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Angeklagten Johann F*****, Eduard E*****, Doris L***** und Irene P***** aus Z 10a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Vorausgeschickt sei, dass die inhaltlich im Wesentlichen identen Rechtsmittel zugleich behandelt werden.

Die gesetzmäßige Ausführung einer

Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher

Diversionsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0124801, RS0116823). Diesen Anforderungen werden die Beschwerden schon deshalb nicht gerecht, weil sie sich unter dem Aspekt der (Diversions )Ausschluss-bestimmung des § 198 Abs 3 StPO in der bloßen Behauptung erschöpfen, die den Angeklagten angelasteten Taten hätten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen.

Bleibt anzumerken, dass § 198 Abs 3 StPO ausdrücklich eine gesonderte Abwägung der Tatfolgen anordnet. Dass „die Tat keine oder eine bloß geringfügige oder sonst unbedeutende Schädigung an Rechten herbeigeführt hat“, umschreibt das hier demnach ausnahmsweise (vgl Schroll , WK StPO § 198 Rz 14; Ebner in WK² StGB § 32 Rz 4) nicht in die Prüfung der Schuldschwere einzubeziehende Erfolgsunrecht, dessen geringes Ausmaß kumulativ neben den sonstigen Diversionsvoraussetzungen vorliegen muss. Fehleintragungen in öffentliche Register (hier: das Zentralmelderegister) sind, von Ausnahmefällen abgesehen (vgl 17 Os 30/13k, EvBl 2014/84, 569 betreffend die bloß einmalige Rückdatierung einer Wohnsitzmeldung), gegenüber reinen Abfragen einerseits von größerem Handlungsunwert gekennzeichnet und führen andererseits zur Veränderung des Datensatzes, der wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt für unterschiedlichste Zwecke allgemein zugänglich ist. Sie erschüttern solcherart das Vertrauen sämtlicher Nutzer in die Richtigkeit des Registers. Schon allein deshalb bleibt in der Regel kein Raum für die Annahme bloß geringfügiger oder sonst unbedeutender Schädigung an Rechten (zur Berücksichtigung sonstiger Tatfolgen vgl auch 17 Os 34/14z). Anders als bei bloßen Datenabfragen kommt demnach Diversion bei Fehleintragungen nur dann in Betracht, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände ein Vorliegen sämtlicher Ausschlusskriterien (ausnahmsweise) zu verneinen ist (zur Konstellation einer bloß einmaligen Registerabfrage vgl hingegen AB 2457 BlgNR 24. GP 3).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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