JudikaturJustiz16Ok4/18a

16Ok4/18a – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Oktober 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. G. Kodek und Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, Wien 3, Radetzkystraße 2, wider die Antragsgegnerin E***** GmbH, *****, vertreten durch Reidlinger Schatzmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Verhängung einer Geldbuße nach § 29 KartG, hier wegen Ratenzahlung, über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 6. Juni 2018, GZ 128 Kt 3/17m 24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde verhängte das Erstgericht mit Beschluss vom 22. September 2017 wegen fortgesetzter Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG in Form von wettbewerbsbeschränkenden Preisabsprachen, Kundenaufteilungen und verbotenem Informationsaustausch mit Mitbewerbern in Bezug auf beschränkte Ausschreibungen von Trockenbauarbeiten in Wien und Niederösterreich im Zeitraum Mai 2013 bis Mai 2015 eine Geldbuße in Höhe von 110.000 EUR über die Antragsgegnerin. Dieser Beschluss ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schriftsatz vom 16. November 2017 stellte die Antragsgegnerin den Antrag, ihr die Bezahlung der Geldbuße in fünf gleichen Jahresraten à 22.000 EUR zu gestatten. Die unverzügliche Zahlung der Geldbuße würde sie unbillig hart treffen, ihr stünden nicht genügend eigene Finanzmittel zur Verfügung. Sie gehöre keinem internationalen Konzern an; drei ihrer Gesellschafter seien Privatpersonen und ihre Mehrheitsgesellschafterin E*****gmbH (55 %) habe wiederum zwei private Gesellschafter.

Nachdem das Erstgericht der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 20. November 2017 die Verbesserung ihres Ratenzahlungsantrags unter anderem durch Erstattung von Vorbringen und Vorlage von Bescheinigungsmitteln zur wirtschaftlichen Lage ihrer Mehrheitsgesellschafterin aufgetragen hatte, brachte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2017 – insoweit ohne Vorlage irgendwelcher Urkunden – vor, ihre im Firmenbuch mit einem Anteil von 55 % ausgewiesene Gesellschafterin sei in Wahrheit für 15 % der Anteile Treuhänderin eines – nicht näher genannten – Dritten. Daher habe sie keinen wirtschaftlichen Mehrheitseigentümer; alle an ihr Beteiligten hätten jeweils keine mehrheitsfähigen Anteile.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Gewährung von Ratenzahlung ab. Es legte seiner Entscheidung insbesondere zugrunde, dass an der Antragsgegnerin die E*****gmbH mit 55 % der Geschäftsanteile beteiligt ist, und folgerte rechtlich, dass bei der von ihm nach § 9 Abs 5 GEG zu treffenden Entscheidung über die Stundung der Geldbuße (Gestattung der Entrichtung in Teilbeträgen) auf die finanzielle Lage des Konzerns abzustellen sei, dem der Zahlungspflichtige angehöre, weil auch insoweit iSd § 7 KartG verbundene Unternehmen als ein einziges Unternehmen anzusehen seien. Dies sei nur folgerichtig, weil auch bei der Bemessung der Geldbuße nicht nur die Umsätze des unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens zugrunde zu legen seien, sondern sämtliche dem Unternehmensverbund iSd § 22 iVm § 7 KartG zuzurechnenden Umsätze. Durch das Abstellen auf den Umsatz der verbundenen Unternehmen werde bewusst in Kauf genommen, dass das an der Zuwiderhandlung direkt beteiligte Unternehmen die Geldbuße nicht bezahlen könne und diese letztlich von Konzernunternehmen bezahlt werde. Da die Antragsgegnerin entgegen dem ihr erteilten Auftrag weder Vorbringen zur wirtschaftlichen Lage der Mehrheitsgesellschafterin erstattet noch Bescheinigungsmittel vorgelegt oder auch nur angeboten habe, bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die sofortige Einbringung des Gesamtbetrags der Geldbuße unter der gebotenen Berücksichtigung der finanziellen Lage der Mehrheitsgesellschafterin der Antragsgegnerin mit einer besonderen Härte verbunden wäre. Der Antrag sei daher abzuweisen, ohne dass die von der Antragsgegnerin gewünschte isolierte, von der Muttergesellschaft losgelöste Betrachtung ihrer finanziellen Lage vorzunehmen wäre. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf § 7 Abs 1 Z 3 KartG nicht ohnehin schon die von der Antragsgegnerin zuletzt behauptete Beteiligung von nur 40 % ausreichen würde, um die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Gesellschafterin in die Beurteilung einfließen zu lassen.

In ihrem Rekurs macht die Antragsgegnerin im Wesentlichen geltend, sie habe in Wahrheit gar keine Mehrheitsgesellschafterin. Außerdem sei sie nicht Teil eines Konzerns; im Übrigen wäre im vorliegenden Fall eine Konzernbetrachtung jedenfalls nicht sachgerecht.

Der Bundeskartellanwalt beantragt in seiner Rekursbeantwortung , dem Rekurs nicht Folge zu geben. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

1. Gemäß § 1 Z 2 GEG sind unter anderem kartellgerichtliche Geldbußen von Amts wegen im Justizverwaltungsweg hereinzubringen. Gemäß § 9 Abs 1 GEG kann auf Antrag die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Über die Stundung der in § 1 Z 2 GEG angeführten Beträge entscheidet gemäß § 9 Abs 5 GEG (idF Gerichtsgebühren-Novelle 2014, BGBl I 2015/19) das Gericht, das das Grundverfahren geführt hat.

2. Bei der Bemessung der Geldbuße ist gemäß § 30 Abs 1 KartG unter anderem auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens Bedacht zu nehmen. Zur Bestimmung dieses Kriteriums wird regelmäßig auf den Umsatz und nicht auf andere Parameter, wie etwa den Gewinn, abgestellt (16 Ok 3/06, Filmverleih ; Traugott in Petsche/Urlesberger/Vartian , KartG 2005 2 § 30 Rz 20). In diesem Zusammenhang kommt es gemäß § 22 iVm § 7 KartG auf den Umsatz der gesamten Unternehmensgruppe und nicht nur auf jenen der Antragsgegnerin an (RIS Justiz

RS0124135 [T3]). Der Geldbußenentscheidung lag ein Jahresumsatz der Antragsgegnerin im Geschäftsjahr 2015/16 von rund 5.800.000 EUR zugrunde.

3. Eine besondere Härte iSd § 9 Abs 1 GEG könnte von vornherein nur dann vorliegen, wenn sich die wirtschaftliche Situation der Antragsgegnerin und der mit ihr iSd § 7 KartG verbundenen Unternehmen, also insbesondere ihrer (Mehrheits )Gesellschafterin E*****gmbH, gegenüber dem der Bemessung der Geldbuße zugrunde liegenden Zeitraum – hier also gegenüber dem Geschäftsjahr 2015/16 – verschlechtert hätte (in diesem Sinn schon OLG Wien 25 Kt 12/07 = RIS-Justiz

RW0000441).

4. Abgesehen davon, dass das Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach sie in den letzten Wirtschaftsjahren, zumindest seit 2013/14, stets sehr niedrige positive oder gar negative Ergebnisse verzeichnet habe, dieser Anforderung von vornherein nicht genügt, weshalb der Antrag auf Gewährung von Ratenzahlung schon aus diesem Grund abweisungsreif war, hat das Erstgericht die Antragsgegnerin zu Recht zur Erstattung von Vorbringen und Vorlage von Bescheinigungsmitteln auch zur (Verschlechterung der) wirtschaftlichen Situation ihrer (Mehrheits-)Gesellschafterin aufgefordert. Ob zwischen der Antragsgegnerin und dieser Gesellschafterin ein Konzern besteht, ist in diesem Zusammenhang ohne Relevanz.

5.1. Die Antragsgegnerin greift in ihrem Rechtsmittel die vom Erstgericht getroffene Feststellung, wonach sie eine Mehrheitsgesellschafterin (mit 55 % der Anteile) habe, an und legt unter Berufung auf die Neuerungserlaubnis gemäß § 49 AußStrG eine eidesstattliche Erklärung zu diesem Thema vor.

5.2. Nach der bisherigen Rechtsprechung gilt das für das Revisionsrekursverfahren normierte Neuerungsverbot des § 66 Abs 2 AußStrG auch für das kartellrechtliche Rekursverfahren, sodass Neuerungen, die die Beweiswürdigung betreffen, ausgeschlossen sind, weil der Oberste Gerichtshof auch in Kartellrechtssachen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts berufen ist (16 Ok 7/15p mwN). Diese Prämisse ist zwar grundsätzlich durch § 49 Abs 3 KartG idF KaWeRÄG 2017, BGBl I 2017/56, überholt. Die mit 1. Mai 2017 in Kraft getretene (§ 86 Abs 5 KartG) Bestimmung des § 49 Abs 3 KartG ist allerdings nur in Verfahren anzuwenden, in denen der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 30. April 2017 eingebracht wurde (§ 86 Abs 6 KartG). Da hier der verfahrenseinleitende Antrag bereits am 1. März 2017 eingebracht wurde, kommt eine Überprüfung der Feststellungen des Erstgerichts nicht in Betracht, sodass die zitierte Judikatur zu § 66 Abs 2 AußStrG heranzuziehen ist.

5.3. Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass für die Antragsgegnerin auch dann nichts zu gewinnen wäre, wenn ihre Gesellschafterin im Sinn der behaupteten Treuhandvereinbarung (entgegen dem Firmenbuch) in Wahrheit nur 40 % der Anteile hielte, weil sie auch dann als verbundenes Unternehmen iSd § 7 Abs 1 Z 3 KartG zu qualifizieren wäre.

6. Da das Begehren auf Gewährung einer Ratenzahlung schon ausgehend vom Antragsvorbringen abzuweisen war und das Erstgericht den Antrag aus anderen als den vom Bundeskartellanwalt in seiner – der Antragsgegnerin erst mit dem angefochtenen Beschluss zugestellten – Äußerung dargelegten Gründen abgewiesen hat, fehlt es dem im Rekurs behaupteten Verfahrensmangel, der darin liegen soll, dass der Antragsgegnerin keine Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu dieser Äußerung eingeräumt wurde, jedenfalls an der erforderlichen Relevanz.

7. Der Rekurs muss deshalb erfolglos bleiben.