JudikaturJustiz16Ok3/04

16Ok3/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Erich Haas in der Kartellrechtssache der Anmelderinnen hinsichtlich eines Zusammenschlusses 1. F*****, 2. A*****, beide vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, sowie den Prüfungsanträgen des Bundeskartellanwaltes und der Bundeswettbewerbsbehörde, nunmehr infolge Rücknahme der Anmeldung des Zusammenschlusses, über den Rekurs der Anmelderinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 19. November 2003, GZ 25 Kt 160, 207, 214/03-54, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit der am 14. 5. 2003 eingelangten Eingabe meldeten die beiden Gesellschaften den Zusammenschluss durch Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens an.

Sowohl der Bundeskartellanwalt als auch die Bundeswettbewerbsbehörde stellten Prüfungsanträge.

Das Erstgericht führte ein umfangreiches Verfahren unter anderem durch Einholung von Sachverständigengutachten durch. Mit Beschluss vom 7. 10. 2003 (ON 44) stellte das Erstgericht ausführlich begründet fest, dass kein Zusammenschluss, sondern ein Kartell vorliege, dessen Durchführung bis zu einer allfälligen Genehmigung unzulässig ist.

Nach Zustellung dieses Beschlusses erklärten die Gesellschaften die Rücknahme der Zusammenschlussanmeldung und die Wirkungslosigkeit der Entscheidung des Erstgerichtes.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Rücknahme der Anmeldung zurück. Es ging dabei davon aus, dass die Bestimmung des § 237 ZPO über die Klagsrücknahme analog anzuwenden sei. Daher könne der Antrag nach Abgabe der schriftlichen Entscheidungsausfertigung nicht mehr zurückgezogen werden. Auch sei eine Zurückziehung nur mit Zustimmung der Amtsparteien oder unter Verzicht auf eine neue Anmeldung desselben Zusammenschlusses zulässig.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Anmelderinnen mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichtes aufzuheben und festzustellen, dass das Verfahren durch Zurücknahme der Anmeldung beendet sei.

Die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt haben jeweils Gegenäußerungen erstattet, in denen sie beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberinnen führen im Wesentlichen aus, dass durch die Zurückziehung keine Parteiinteressen beeinträchtigt würden. Die Rechte der Bundeswettbewerbsbehörde seien ohnehin durch deren besondere Befugnisse gewahrt. Die Bedeutung der Rechtskraft von kartellgerichtlichen Entscheidungen in diesem Zusammenhang sei gering, da sich der wesentliche Sachverhalt ohnehin ständig ändern könne. Ein "Schluss der mündlichen Streitverhandlung" im Sinne des § 237 ZPO liege auch regelmäßig nicht vor bzw sei nicht relevant. Der Oberste Gerichtshof habe die Bestimmung für das Außerstreitverfahren auch nur vereinzelt analog herangezogen.

Rechtliche Beurteilung

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Allgemein ordnet § 43 KartG an, dass in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist. Eine Regelung zur Frage, wie lange und unter welchen Voraussetzungen Anträge oder "Anmeldungen" im Außerstreitverfahren zurückgezogen werden können, finden sich derzeit im Außerstreitgesetz ebensowenig wie im Kartellgesetz.

Wesentlich ist es nun festzuhalten, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Verfahren im Zusammenhang mit der Zusammenschlusskontrolle handelt, und zwar um ein über Antrag der Amtsparteien eingeleitetes Prüfungsverfahren nach § 42b KartG. Aus der im § 42b KartG festgelegten Struktur der Anmeldungskontrolle zeigt sich, dass die Amtsparteien, also die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt, vier Wochen ab Zustellung der Gleichschrift der Anmeldung die Prüfung des Zusammenschlusses beantragen können. Der wesentliche Zweck der Zusammenschlussverfahren liegt darin, "präventiv" das allgemeine Interesse an der Aufrechterhaltung einer Marktstruktur, die einen funktionierenden Wettbewerb verspricht, zu fördern (vgl zuletzt OGH 16 Ok 20/02 mwN; Barfuß/Wollmann/Tahedl, österreichisches Kartellrecht 111). Diese Interessen sind durch die Bundeswettbewerbsbehörde und den Bundeskartellanwalt wahrzunehmen. Sie haben die entsprechenden Prüfungsanträge zu stellen. Es handelt sich bei dem dann dazu abgeführten Prüfungsverfahren um ein typisches kontradiktorisches Kartellverfahren.

Gerade für diese hat der Oberste Gerichtshof aber bereits in anderem Zusammenhang bei Fragen, für die eine Regelung im Außerstreitgesetz selbst nicht vorgesehen ist, die Bestimmungen der ZPO herangezogen (vgl etwa RIS-Justiz RS0117118 = 16 Ok 8/02; vgl aber auch allgemein etwa OGH 13. 9. 1999 16 Ok 3/99).

Nach § 237 ZPO iVm § 483 ZPO kann die Zurückziehung einer Klage im erstgerichtlichen Verfahren aber selbst mit Zustimmung des Beklagten nur bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung bzw der Abgabe der schriftlichen Urteilsausfertigung erfolgen (vgl allgemein etwa Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO2 §§ 237, 238 Rz 5; Fasching Handbuch Rz 1249).

Betrachtet man hier den erheblichen verfahrensrechtlichen Aufwand, mit dem die Frage der Zulässigkeit des hier angemeldeten Zusammenschlusses abgeklärt werden musste, so ist der Ansicht der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwaltes zuzustimmen, dass ein erhebliches Interesse an der rechtskräftigen Klärung dieser Frage besteht.

Da die genannten Bestimmungen der ZPO also analog heranzuziehen sind (vgl im Übrigen auch die noch nicht in Kraft getretene Bestimmung des § 11 des neuen Außerstreitgesetzes BGBl 111/2003), hat das Erstgericht zutreffend die von den Anmelderinnen erst nach Zustellung der erstgerichtlichen Entscheidung erfolgte Zurückziehung der Anmeldung - verbunden mit der Erklärung, dass damit die Entscheidung des Erstgerichtes wirkungslos werde - zurückgewiesen. Dass die Voraussetzungen für die Rückziehung der Anmeldung auch unter Beachtung der hier analog heranzuziehenden Bestimmungen der ZPO vorliegen würden (Zustimmung des Antragsgegners; "Anspruchsverzicht") relevieren die Rekurswerberinnen nicht.

Schon deshalb war der erstgerichtliche Beschluss zu bestätigen.