JudikaturJustiz15Os92/22a

15Os92/22a – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * M* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * M* gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 17. Mai 2022, GZ 13 Hv 92/21y 181, sowie über dessen Beschwerde gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./B./ betreffend die Angeklagten * M* und * S*, demzufolge auch in den die Genannten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) sowie der den Angeklagten * M* betreffende Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Der Angeklagte * M* wird mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch und mit seiner Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Über die Berufung gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligten hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Dem Angeklagten * M* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant, wurden mit dem angefochtenen Urteil * M* und * S* jeweils des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (II./A./), des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (II.B./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (III./A./), „der Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 84 Abs 4; 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 2 StGB“ (richtig: je eines Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB sowie nach § 83 Abs 1 und Abs 5 Z 2 StGB; vgl RIS Justiz RS0132358 ; III./B./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben bzw hat in *

II./* M* und * S* am 12. November 2021 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit den abgesondert verfolgten * Sa* und * B*

A./ mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, fremde bewegliche Sachen des * H* und des * L* mit Gewalt gegen eine Person und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anderen weggenommen bzw abgenötigt, „indem sie auf * H* bedrohlich einwirkten und der abgesondert verfolgte * Sa* auf H* einschlug, während die Mittäter die Wohnung durchsuchten“;

B./ versucht, * H* mit dem Vorsatz sich oder einen Dritten durch die Handlung des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, durch die sinngemäße Aussage eines Mittäters, der Genannte solle in ein paar Tagen M* 500 Euro geben, sonst passiere ihm wieder etwas, sohin durch gefährliche Drohung – mit zumindest einer Verletzung am Körper (US 12) – zu einer Handlung zu nötigen, die diesen am Vermögen schädigen sollte;

III./ * M*, * Lu*, * A* und * S* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) in der Nacht von 15. auf 16. November 2021 * Bo*;

A./ mit Gewalt und gefährlicher Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, und zwar zur Bezahlung von 200 Euro an Schulden zu nötigen versucht, indem S* sagte: „Wenn du uns die 200 Euro nicht gibst, schneiden wir dir einen Finger ab“, sowie durch die Aussage des A*: „Sogar ein Schwein kann man mit so einem Hammer mit einem Schlag umbringen“, wobei er dabei einen Hammer drohend in der Hand hielt, weiters dadurch, dass Lu*, A* und S* abwechselnd auf Bo* einschlugen und M* die drei im Vorfeld und, als er in Kenntnis des Tatplans dazukam, „befehligte“;

B./ dadurch, dass ihm * Lu* einen Schlag mit dem rechten Ellbogen auf die Nase versetzte sowie Lu*, A* und S* ihm zahlreiche Schläge mit der Faust und mit der flachen Hand gegen das Gesicht, den Hinterkopf und den Körper versetzten und M*, indem er die drei im Vorfeld und, als er in Kenntnis des Tatplans dazukam, „befehligte“, in verabredeter Verbindung (§ 84 Abs 5 Z 2 StGB) am Körper verletzt, und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine an sich schwere Körperverletzung des Genannten, die mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung verbunden war, nämlich eine offene Trümmerfraktur des Nasenbeins, Prellungen und Hautabschürfungen im Gesichtsbereich, eine Prellung des linken Augapfels mit Einblutung unter die Bindehaut sowie Prellungen und Hautabschürfungen an der rechten Oberkörperhälfte herbeigeführt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M*, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) beanstandet zu III./ die Ableitung der Konstatierungen zur inneren Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen und kritisiert das Fehlen einer „lebensnahen, nachvollziehbaren und auch im Akteninhalt Deckung findenden“ Begründung der Feststellung , wonach die Tathandlungen auf „Befehl“ des Rechtsmittelwerbers gesetzt wurden.

[5] Das Erstgericht stützte seine Konstatierungen zur objektiven Tatseite auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des Zeugen * Bo* (US 23, 26 f), wohingegen es die Depositionen der Angeklagten M*, Lu*, A* und S*, insoweit sie sich nicht zu einzelnen Aspekten ohnedies geständig zeigten, als mit Widersprüchen behaftete Schutzbehauptungen verwarf (US 25).

[6] Insbesondere legte es – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden – auch dar, dass gerade aufgrund der die Rolle des M* einhellig herunterspielenden Angaben aller Mitangeklagten im Zusammenhalt mit der Verantwortung des Angeklagten Lu* (wonach der Angeklagte M* ihn aufgefordert habe, Bo* wegen der Bezahlung der Schulden in die Wohnung zu rufen; US 25) der gegenteilige Eindruck, nämlich, dass der Angeklagte M* die „Fäden im Hintergrund“ gezogen habe, entstanden sei (US 27). Eine mit – wie hier – denkrichtiger Begründung versehene Feststellung kann aber nicht als offenbar unzureichend begründet bekämpft werden (RIS Justiz RS0099455).

[7] Die subjektive Tatseite leiteten die Tatrichter aus dem äußeren Tatgeschehen ab (US 28). Entgegen der Beschwerdekritik ist dieser Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

[8] Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) zu II./A./ das Vorliegen eines Vorsatzes auf Sachwegnahme durch Gewalt negiert, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an d en Feststellungen des angefochtenen Urteils (US 12; RIS Justiz RS0099810).

[9] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass – worauf auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme hinweist – dem Schuldspruch II./B./ eine den Angeklagten M* und S* zum Nachteil gereichende Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) anhaftet:

[10] Mittäter der Erpressung ist, wer eine – vom gemeinsamen Vorsatz getragene – nach § 144 StGB wortlautkonforme Ausführungshandlung setzt ( Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 26; RIS Justiz RS0117320).

[11] Eine solche ist den Feststellungen , wonach einer der abgesondert verfolgten Mittäter , als die Täter gegen 5.30 Uhr die Wohnung verließen, zu * H* sagte, er solle […] * in ein paar Tagen 500 Euro auf den Tisch legen, sonst passiere wieder etwas und sie seien keine Freunde mehr (US 12), nicht zu entnehmen.

[12] Die Feststellung , wonach * M* und * S* es ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, „durch die ′im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Mittätern′ getätigte Äußerung“ […] * H* gefährlich zu bedrohen (US 12, 23), bringt lediglich einen Vorsatz in Bezug auf das Verhalten des verbal drohenden Mittäters zum Ausdruck; an einem Sachverhaltsbezug zu einer vorsätzlich „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ gesetzten eigenen Ausführungshandlung hingegen mangelt es.

[13] Dasselbe gilt für einen – gleichwertigen – sonstigen Tatbeitrag nach § 12 dritter Fall StGB. Auch die Bereitschaft zum Eingreifen oder eine sonstige psychische Unterstützung des unmittelbaren Täters bedarf einer subjektiven Komponente, welche vom Erstgericht vorliegend nicht festgestellt wurde. Die bloße Anwesenheit am Tatort hingegen, das bloße Wissen um ein bestimmtes, von einem anderen in Aussicht genommenes deliktisches Verhalten, das bloße Begleiten eines Täters oder die stillschweigende Duldung der Tatausführung reicht für keine der in § 12 StGB angeführten Beteiligungsformen aus (vgl RIS Justiz RS0099235, RS0089840).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M* war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[15] Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) war – wie aus dem Spruch ersichtlich – mit Aufhebung vorzugehen und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten zu verweisen (§ 285e StPO).

[16] Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch und seiner Beschwerde war der Rechtsmittelwerber auf diese Entscheidung zu verweisen.

[17] Über die Berufung gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligten hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden (§ 285i StPO).

[18] Die Kostenersatzpflicht, welche die amtswegigen Maßnahmen nicht umfasst ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.