JudikaturJustiz15Os92/05a

15Os92/05a – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Bari L***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. März 2005, GZ 042 Hv 92/04m-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu C, demzufolge auch im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs über die Ansprüche der Privatbeteiligten) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Bari L***** wurde (B/1) des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB und der Vergehen (A) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB, (B/1 und 2) der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB sowie (C) des Raufhandels nach §§ 91 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

(A) im September 2002 Sadija S***** durch Täuschung über Tatsachen, indem er ihr wahrheitswidrig versicherte, die Gesellschaft sei schuldenfrei und biete eine sichere Existenzgrundlage, somit durch Täuschung über den finanziellen und wirtschaftlichen Zustand der Bari L***** KEG mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zu einer Vermögensverfügung, nämlich zur Übernahme eines Geschäftsanteils als persönlich haftende Gesellschafterin verleitet, wodurch Sadija S***** einen 3.000 Euro übersteigenden Schaden von zumindest 5.577 Euro erlitt;

(B) Nachgenannte durch gefährliche Drohungen zu Unterlassungen zu nötigen versucht, und zwar

(1) am 15. März 2003 Sadija S***** zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung beim Magistrat der Stadt Wien zu den in Punkt A angeführten Sachverhalten, in dem er ihr - ein Messer in der Hand haltend - mit dem Umbringen drohte, sollte sie behördliche Schritte einleiten;

(2) im Frühjahr 2004 Admir S***** durch die Äußerung, er werde sich nicht mehr in Wien aufhalten können, wenn er als Zeuge gegen ihn aussage, zur Unterlassung einer Zeugenaussage bezüglich der in Punkt A angeführten Fakten;

(C) am 21. Juli 2003 an „einem Angriff mehrerer tätlich teilgenommen", wobei der Angriff eine Schädelprellung bei Gerhard P*****, einen Nasenbeinbruch ohne Verschiebung, eine leichte Gehirnerschütterung, vielfache Prellungen im Gesicht, eine Blutunterlaufung beider Augen sowie einen Schleimhautdefekt bei Krisztian F***** und eine blutende Wunde am Nasenrücken bei Vento L***** verursacht hat.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich hinsichtlich des Faktums C als berechtigt.

Zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) dazu auf, dass betreffend die Annahme der - von § 91 Abs 1 erster Fall StGB geforderten Verursachung einer schweren Verletzung (§ 84 Abs 1 StGB) - ein Rechtsfehler vorliegt. Denn aus den im Spruch und auf Urteilsseite 10 angeführten Verletzungen der Zeugen lässt sich das Vorliegen einer an sich schweren - oder im Zusammenhang der Auswirkungen als schwer zu wertenden - Körperverletzung nicht ableiten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 611). Im Übrigen ergibt sich aus der Aktenlage kein diesbezüglicher Hinweis (vgl S 347, 353, 383 ff/II).

Zwar wird im Spruch die Formulierung „tätliche Teilnahme an einem Angriff mehrerer" iSd § 91 Abs 2 erster Fall StGB verwendet, jedoch ist nach den Urteilsannahmen auf Urteilsseite 10 von einer tätlichen Teilnahme an einer Schlägerei auszugehen, was auch in der Beurteilung dieser Feststellungen als Vergehen nach § 91 Abs 1 erster Fall StGB (vgl US 5) seinen Niederschlag findet.

Im Übrigen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch als nicht

zielführend.

Zu Faktum A:

Entgegen der Unvollständigkeit und mangelnde Begründung des Urteils behauptenden Mängelrüge (Z 5) hat sich das Erstgericht mit der Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt (US 13) und - dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend - im Einklang mit den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen begründet dargelegt, warum es die Angaben der Zeugen Sadija und Admir S***** unter Einbeziehung der damit übereinstimmenden Verfahrensergebnisse für glaubwürdig erachtet und - entgegen der leugnenden Verantwortung des Angeklagten - den Feststellungen zugrundegelegt hat (US 13 und 14). Die Beschwerdekritik verkennt im Übrigen, dass die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit (hier von Zeugen) nichts anderes als eine erhebliche Tatsache darstellt, deren sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung in Frage zu stellen auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung hinausläuft (Ratz, WK-StPO Rz 431). Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider lassen die Formulierungen im Urteil S 6, 7, 8 iVm S 13 zweifelsfrei erkennen, dass die Tatrichter von der Haftung des Angeklagten für die Schulden der Bari L***** KEG bei Übernahme seines Gesellschaftsanteiles durch die Zeugin ausgegangen sind, sodass auch diesbezüglich kein Begründungsmangel im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes vorliegt.

Zu Faktum B:

Die gleichfalls unter Behauptung unzureichender Begründung vorgebrachten Einwände, die Ausführungen des Erstgerichtes, das Küchenmesser sei zum Unterstreichen der verbalen Drohung eingesetzt worden, beruhten auf bloßer Spekulation und stellten eine „unzulässige Vermutung zum Nachteil des Angeklagten" dar, bekämpfen, wie sich schon aus dem hier wiedergegebenen Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter. Diese haben (auch zu diesem Faktum), - im Sinn der bereits oben dargelegten Erfordernisse - ausführlich begründet dargelegt, warum sie die Depositionen der Zeugin für glaubwürdig erachteten. Die weiteren Beschwerdeeinwände zu diesem Faktum wenden sich unter dem Prätext der Unvollständigkeit der Urteilsbegründung lediglich gegen die die Glaubwürdigkeit der Zeugin S***** betreffende Beweiswürdigung. Diesbezüglich ist ebenfalls auf die zu Faktum A getroffenen Erwägungen in Erwiderung der Kritik der Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bezieht sich nicht auf die Gesamtheit des im Urteil zur gefährlichen Drohung festgestellten Sachverhaltes (vgl US 9 iVm US 13, wonach der durch aggressive Persönlichkeitsmerkmale gezeichnete Angeklagte als zusätzliches Druckmittel zu seiner verbal geäußerten Drohung ein großes Küchenmesser in der Hand hielt) und dessen Vergleich mit dem Gesetz, vielmehr argumentiert sie - unter eigenständiger Würdigung des Umstandes, dass mit dem Messer keine „Drohgebärden" vollführt wurden sowie selektiver Heranziehung weiterer, für den Beschwerdestandpunkt günstig scheinender Teile des Beweisverfahrens - auf Basis eines von den Konstatierungen entfernten Vorbringens, es handle sich bei der Äußerung des Angeklagten um eine „milieubedingte Unmutsäußerung". Damit erweist sich die Rechtsrüge als nicht an der Verfahrensordnung orientiert, die bei Geltendmachung materieller Nichtigkeitsgründe striktes Festhalten an den getroffenen Urteilsannahmen verlangt (WK-StPO § 281 Rz 581).

Gleiches gilt für den Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10). Auch hier zieht die Beschwerde unter Außerachtlassung der Urteilsannahmen, dass die verbal geäußerte Todesdrohung durch den als aggressive Persönlichkeit anzusehenden Angeklagten und unter Vorhalt eines großen Küchenmessers geäußert wurde (US 13), aus dem Umstand, dass der Angeklagte mit dem Messer keine Drohgebärden vollführt habe, den Schluss auf das Nichtvorliegen der Qualifikation nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB, negiert dabei aber neuerlich die gebotene Orientierung am Urteilssubstrat.

Zu Faktum B/2:

Soweit die Beschwerde das Fehlen einer „näheren" Begründung betreffend die Feststellung zur subjektiven Tatseite bemängelt, lässt sie die deutliche und bestimmte Behauptung eines Sachverhaltes vermissen, der den Prüfungskriterien eines ebenso bezeichneten Nichtigkeitsgrundes entspricht (WK-StPO § 285d Rz 10). Da die Imminenz des Übels kein Kriterium der gefährlichen Drohung gemäß § 74 Abs 1 Z 5 StGB darstellt und die Drohung auch bedingt für den Fall des Eintritts eines bestimmten (nicht in ferner Zukunft liegenden) Ereignisses ausgesprochen werden kann (Jerabek in WK2 § 74 Rz 26), betrifft der Umstand, ob ein behördliches Verfahren bereits anhängig war oder unmittelbar bevorstand, keine entscheidende, dh für die Schuld des Angeklagten oder den anzuwendenden Strafsatz bedeutsame Tatsache, sodass das Unterbleiben einer diesbezüglichen Erörterung im Urteil nicht nichtigkeitsbewehrt ist.

Warum das sofortige Inanspruchnehmen behördlicher Hilfe, die nähere Bezeichnung des Verfahrens, in dem der Betreffende als Zeuge aussagen sollte und der Zeitpunkt der Aussage, zu den Merkmalen einer gefährlichen Drohung nach § 74 Abs 1 Z 5 StGB gehören soll, legt die Beschwerde in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar (WK-StPO Rz 588). Soweit sie Mängel an Feststellungen releviert, „weil die Konstatierung des Vorsatzes, den Zeugen von einer (völlig unbestimmten) Aussage in einem allfälligen Verfahren abzuhalten zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 105 Abs 1 StGB nicht ausreiche", übergeht sie zum einen die Urteilsannahmen S 8, und legt zum anderen nicht dar, welche über die vom Erstgericht zur subjektiven Tatseite angeführten Konstatierungen, auf Aktengrundlage noch zu treffen gewesen wären (WK-StPO Rz 584).

Das Urteil war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im aufgezeigten Umfang wie auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht das Verhalten des Angeklagten - nach Anhörung der bei Faktum C anwesenden Personen und unter Würdigung deren Verletzungen - unter Berücksichtigung einer allfällig versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB - mängelfrei festzustellen und abschließend zu beurteilen haben. Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO, zum Teil iVm § 285a Z 2 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

Rechtssätze
4
  • RS0118415OGH Rechtssatz

    08. November 2023·3 Entscheidungen

    Von Feststellungsmängeln abgesehen, liegen die Nichtigkeitsgründe der Z 9 und 10 des § 281 Abs 1 StPO vor, wenn angesichts der im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen zu Unrecht ein Schuld- oder Freispruch ergangen ist (Z 9 lit a bis c) oder die festgestellten Tatsachen zwar zu Recht einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumiert wurden, aber bei der Subsumtion Fehler unterlaufen sind (Z 10). Mit diesen Rechtsfragen können zur Anfechtung des Urteils Berechtigte den Obersten Gerichtshof befassen. Da die §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO vom Beschwerdeführer verlangen, die Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen, also darzulegen, warum das Erstgericht zu Unrecht freigesprochen oder die festgestellten Tatsachen einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumiert oder nicht subsumiert hat, also aufzuzeigen, warum das Gesetz unrichtig angewendet wurde, die bloße (= substratlose) Behauptung, der Angeklagte sei nicht oder nicht im Sinn der angezogenen Gesetzesstellen schuldig, aber nicht erkennen lässt, welchen konkreten Rechtsfehler der Beschwerdeführer geltend machen will und damit einer inhaltlichen Erörterung nicht zugänglich ist, sollen derartige Rügen, um kostenaufwändige Gerichtstage zu vermeiden, bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen werden können. Verzichtet der Beschwerdeführer auf methodengerechte Argumentation (vgl §§ 6 f ABGB, § 1 StGB) zugunsten bloßer (Rechts-)Behauptungen, können diese zwar zu amtswegigem Einschreiten des Obersten Gerichtshofes nach § 290 Abs 1 zweiter Satz (erster Fall) StPO zugunsten des Angeklagten - dann nämlich, wenn die Behauptung im Ergebnis zutrifft -, nicht aber zum Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde führen, sodass sich eine Behandlung im Gerichtstag erübrigt.